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Beautiful MoGraph

Schon der schnittige Name deutet auf Bewegung und Action hin: Das „Mo“ in »MoGraph« steht für „Motion“, also für die Darstellung von Abläufen in Form von animierten, bewegten Szenen. Das bedeutet aber nicht, dass man das Tool nur dafür verwenden könnte. Welche Möglichkeiten dieses Werkzeug bietet, zeigen wir Ihnen an zwei ganz besonderen Projekten.

Schnelligkeit, Leichtigkeit, Präzision der Bewegung. Diese drei Begriffe standen bei der Entstehung eines außergewöhnlichen Sportlerporträts an vorderster Stelle.
Der Sportler ist nicht irgend jemand, sondern ein ganz besonders hochkarätiger: Carsten Schlangen, deutscher Mittelstreckenläufer, Vizemeister über 1500 Meter und Hallenmeister über 3000 Meter. Das Portrait sollte Teil des Charity-Kalenderprojektes „Beautiful Sports“ werden, dessen Verkaufserlöse zu 100 Prozent einem guten Zweck zugeführt werden.
Recht schnell war klar, dass zur Verfremdung des Raums, in dem Carsten Schlangen abgebildet werden sollte, eine riesige Zahl von Würfelobjekten nötig ist. Diese lassen sich zwar prinzipiell alle einzeln an Ort und Stelle bugsieren, doch das würde den Zeitrahmen des Projektes arg strapazieren. Also musste eine andere, schnellere und vor allem präzisere Lösung her: Wie verteilen wir mehrere hunderttausend Würfel in einer Szene, die – als Ganzes betrachtet – eine Laufbahn im Stadion darstellt?
Genau an dieser Stelle kommt Cinema 4D mit »MoGraph« ins Spiel. Das Werkzeug erlaubt es, Objekte in fast beliebig hoher Zahl in einer Szene zu verteilen. Das Prinzip dabei ist denkbar einfach: Die Bahn und ihre weißen Trennlinien werden aus wenigen Polygonen modelliert, ebenso die Fahne der fliegenden Würfel und der Splash im Vordergrund. Nun setzt man für jedes dieser vier Lowpoly-Objekte einen Würfel in die Szene, der dann per »Klon-Objekt« auf den Lowpoly-Objekten verteilt wird. Fertig, oder zumindest fast. Denn das Klon-Objekt sorgt zwar für die Verteilung der Würfel, doch nicht für die zufällig wirkende Leichtigkeit derselben. Deswegen gibt es für MoGraph-Objekte die sogenannten »­Effektoren«.
Die muss man sich wie eine Art Erweiterung der Möglichkeiten der MoGraph-Objekte vorstellen. Wie der Name bereits andeutet, werden damit Effekte wie die Zufälligkeit der Verteilung, Verzögerung eines Ablaufs oder das Kopieren von Verhaltensweisen festgelegt. In unserem konkreten Fall geht es um die Verteilung, die zufällig wirken soll, sowohl was die räumliche Anordnung als auch die Größe und Drehung jedes einzelnen Würfels betrifft.
Doch wäre Cinema 4D nicht, was es ist, wenn »MoGraph« nicht noch wesentlich mehr an Möglichkeiten zu bieten hätte. Mit nur zwei Tags, von denen man eines dem Klonobjekt und das andere einer simplen Ebene zuordnet, lassen sich sehr realistisch wirkende Bewegungsabläufe steuern, denn alle Objekte verhalten sich nun physikalisch korrekt.
Das sieht nicht nur als Animation überzeugend aus, sondern eignet sich auch für Einzelbildrenderings.

1. Bahn anlegen
Zunächst wird eine der sieben Laufbahnen angelegt. Das Verhältnis von Länge und Breite wird so gewählt, dass, wenn die Bahn später durch einen Biege-Deformer gebogen wird, eine langgezogene Kurve zu sehen ist. Die Unterteilung in X-Richtung ist zwar relativ hoch, doch sollte man schon jetzt daran denken, dem Objekt genügend Polygone für die Verbiegung zur Verfügung zu stellen. Weniger Unterteilungen würden unschöne Ecken verursachen, mehr wären eine Belastung für den Arbeitsspeicher, ohne dass das Ergebnis besser aussähe. Da lediglich die Oberfläche der Bahn zur Gestaltung herangezogen wird, können Sie auf speicherintensive Rundungen der Kanten verzichten.

2. White Stripes
Natürlich könnte man einen Teil der Würfel, aus denen die Bahn später bestehen soll, in Photoshop weiß einfärben. Jedoch wäre es sehr sinnvoll, die weißen Streifen, die die Bahnen optisch voneinander trennen, auch mit separat steuerbaren Würfel-Klonen auszustatten. So vermeiden Sie, dass zu viele der weißen Würfel von den roten verdeckt werden, denn Sie können deren Position, Anzahl und Größe getrennt steuern. Lediglich beim Verteilen der für die weißen Markierungen verantwortlichen Würfelobjekte müssen Sie ein wenig rechnen: Sollen beide Würfel aneinander anschließen, muss der schmale, für die Markierung zuständige Würfel 10,5 cm in Z-Richtung verschoben werden.  

3. Biegen der Bahn
Da genügend Unterteilungen in X-Richtung vorhanden sind, lassen sich die Würfel leicht biegen. Dabei wäre es natürlich schön, wenn die Radien der einzelnen Biegungen aufeinander abgestimmt würden, indem die Bahnen und ihre Linien aneinander anliegen. Genau das schaffen Sie, indem Sie sämtliche Würfel, also sowohl die für die Bahn als auch die für die Markierung zuständigen, in einem Nullobjekt zusammenfassen. Legen Sie nun einen Biege-Deformer in das Null-Objekt und  richten Sie ihn so aus, dass er eine Kurve formt. Über die Stärke und die Position des Deformers können Sie Form und Radius der Kurve sehr fein abstimmen.

4. Kamera einrichten
Über eine Rechteckselektion werden die Unterseiten und Seitenwände der Würfel ausgewählt und vorläufig ausgeblendet. Da das Klonobjekt nicht nur die Verteilung der Würfel auf der Oberfläche, sondern auch in einem Volumen erlaubt, halten Sie sich so alle Optionen offen. Die für die weißen Unterteilungen verantwortlichen Objekte werden um 20 cm nach oben verschoben, so dass sie klar von der Position der Bahnen abweichen. Dann legen Sie ein neues Kameraobjekt an und teilen ihm eine kurze Brennweite von 21 mm zu. Die Kamera wird nahe der Laufbahnoberfläche positioniert, um eine dynamische Perspektive auf die Szene und den Läufer zu ermöglichen.

5. Pixelwolke und Splash
Solch aufgewürfelte Laufbahnen sind klar als Verfremdung und nicht als Realität erkennbar. Deshalb können wir sogar noch einen Schritt weiter gehen und zwei zusätzliche Flächen definieren: Eine Art Pixelwolke, die der Läufer hinter sich herzuziehen scheint, und einen Splash, der die wegspritzenden Würfel visualisiert und so die Bild­logik unterstützt. Beide bestehen aus mehreren Ebenenobjekten und werden so platziert, dass sie per­spektivisch gut zur Läuferaufnahme passen. Auch die Kamera kann jetzt an die endgültige, durch die Fotografie vorgegebene Perspektive angepasst werden.

6. Klon-Objekt aufrufen
Nacheinander werden nun vier Würfel und vier Klonobjekte angelegt. Beginnen wir mit dem ersten: Der Würfel wird dem Klon-Objekt untergeordnet. Damit er aber auf der Oberfläche der Laufbahn erscheint, benötigen wir ein paar Einstellungsänderungen: Der Modus des Werkzeugs wird auf »Objekt« gestellt. Damit das Tool auch ein Objekt findet, ziehen Sie die Bahn in das Objektfenster. Nun sehen Sie die ersten 20 Würfel auf der Bahn. Klicken Sie die Checkbox für die Render­instanzen an; dann erhöhen Sie die Anzahl der Würfel auf, je nachdem was Ihnen gefällt und was Ihr Rechner hergibt, 25000 bis 500000.

7. Effektvoller Effektor
Die Pixelwolke und der Splash benötigen eine wesentlich chaotischere Würfelverteilung. Deshalb teilen Sie deren Klonobjekten einen sogenannten Zufallseffektor zu, der sich ebenfalls im MoGraph-Menü auftreiben lässt. Die Voreinstellung der Position liegt bei 50 cm, was erst einmal ein ordentliches Durcheinander verursacht. Reduzieren Sie die Werte für die Position auf wenige Zentimeter. Um den Eindruck wegspritzender Würfel zu unterstützen, klicken Sie auch die Skalierung und den Winkel an und teilen Sie beiden Optionen entsprechende Werte zu. Das ist wirklich einfach, denn das Ergebnis Ihrer Änderung lässt sich in Echtzeit im Editor beobachten.

8. Ans Ausblenden denken!
Wollen Sie die Position der Würfelklone noch verändern, so geschieht das durch Verschieben der Polygonobjekte, auf denen die Würfel angeordnet sind. Die Wirkung dieser Polygonobjekte bleibt übrigens auch dann komplett erhalten, wenn Sie sie unsichtbar schalten und nicht mitrendern. Noch ein Tipp zum Rendern der Szene: Da die oberen Würfelschichten die unteren relativ stark abschatten, empfiehlt sich die Verwendung der Global Illumination mit einer Strahltiefe von 3. Das verlängert zwar die Renderzeit etwas, sorgt aber für gut durchgezeichnete Schatten an den Stellen, zu denen direkte Lichtstrahlen keinen Zugang haben.

9. Physik
Solange wir im Bereich einer Fantasie-Montage bleiben oder mit einer überschaubaren, zur Not in Photoshop korrigierbaren Anzahl von Klonen arbeiten, funktioniert diese einfache MoGraph-Methode ganz wundervoll. Doch wenn die Verteilung der durcheinanderpurzelnden Elemente ohne physische Durchdringung stattfinden soll, brauchen wir eine realistischere Berechnung der Würfel  – oder wie in diesem Fall: Ziegelsteine. Das Klonobjekt benötigt also Information über Masse, Elastizität und Schwerkraft. All diese Informationen bezieht es aus einem Tag, dem sogenannten Rigid-Body-Tag. Das finden Sie in den Simulationstags und ordnen es ganz einfach dem Klon-Objekt zu.

10. Vorbereitung
Zunächst bereiten Sie die Szene vor: Das Objekt, dessen Kopien sie durcheinanderwerfen wollen, wird einem Klon-Objekt untergeordnet. Richten Sie die Klone einfach in Form eines Gitters aus – dessen strenge Ordnung wird durch die spätere Kollisionsberechnung der Ziegelsteine aufgehoben. Damit MoGraph erkennt, wo der Zusammenprall stattfinden soll, fügen Sie der Ebene das Kollisionsobjekt-Tag hinzu. Damit haben wir alle Informationen über den Ort der Kollision in unsere Szene aufgenommen. Klicken Sie nun den Abspielbutton, läuft die Animation ab. Nur das Auseinanderfliegen der Steine klappt noch nicht so recht.

11. Feineinstellungen
Knöpfen wir uns zunächst mal das Rigid-Body-Tag vor: Dort stehen unter »Kollision« die individuellen Elemente auf „Aus“. Deshalb hüpft der Verband der Steine nur zweimal lustlos auf und ab und bleibt dann stehen. Schalten Sie diesen Eintrag auf „Alle“. Nun können Sie mit der Elastizität und der Reibung ein wenig spielen, bis sich die Steine so verhalten, wie Sie sich das vorstellen. Je geringer beide Werte sind, desto weniger beeinflussen sie die Bewegungen gegenseitig. Auch am Kollisionsobjekt-Tag der Ebene können Sie ein wenig feilen. Je geringer der »Reibungs«-Wert ist, desto weiter schlittern die Steine durch die Gegend. Probieren Sie‘s!

12. … und Stop!
Natürlich sind Sie so auf dem besten Wege, eine Animation zusammenzubauen. Doch eignet sich die hier beschriebene Methode auch hervorragend, um Objektklone in einer Szene zufällig zu verteilen, dann zu rendern und das Ergebnis in Photoshop weiterzubearbeiten. Sie können den Ablauf der Animation jederzeit mit einem Klick auf die Stoptaste anhalten, dann die Szene beleuchten, Elemente verschieben oder Perspektive und Brennweite der Kamera anpassen. Sollten Sie mit dem verursachten Chaos unzufrieden sein, stellen Sie einfach alles zurück auf Null und lassen Sie die Steine erneut mit leicht veränderten Werten auf die Ebene krachen. Viel Vergnügen!

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