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Lee Jeffries Porträts

Wer in erster Linie den schönen Schein liebt, den werden Lee Jeffries Porträts vermutlich nicht begeistern. Freunde ikonischer Charakterporträts hingegen dürften vor allem von seinen Schwarzweiß-Arbeiten begeistert sein.

Bekannt wurde der britische Fotograf hauptsächlich mit seinen eindrucksvollen Bildern von englischen und amerikanischen Obdachlosen. Es gelingt ihm, diese Außenseiter der Gesellschaft in einer Form so zu inszenieren, dass man meint, in die Gesichter moderner Heiliger zu blicken. Mit seinen Fotos bringt er uns ganz nah an die Menschen heran. Obwohl wir den Porträtierten im Bild so viel näher kommen, als wahrscheinlich im realen Leben, entsteht nie der Eindruck, ihnen zu nahe zu treten oder sich gar vom Fotografen zum Voyeur machen zu lassen. Im Gegenteil. Jeder und jede strahlt eine unglaubliche Würde aus.

Lee Jeffries-Porträts

Wie entstehen solche Bilder?

Jeffries gelingen diese Bilder durch eine Mischung aus Kommunikation, Aufnahmetechnik und Nachbearbeitung. In erster Linie fehlt ihm die Scheu, sich den Menschen zu nähern. Er baut zu ihnen eine persönliche Beziehung auf, bevor er mit dem Fotografieren beginnt. Diese, nach eigenen Angaben, oft sehr langen Gespräche ermöglichen ihm, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Er erfährt die Geschichten der Menschen und kann so ein Stück weit die realen Lebenszustände seiner Modelle in den Bildern durch Gesten oder Gesichtsausdrücke spiegeln. Weil auf der Straße die Arbeitsgeschwindigkeit eine große Rolle spielt, setzt Jeffries auf kleines Equipment: Eine Kamera mit lichtstarkem Weitwinkel und ein kleiner Reflektor müssen genügen, um das Ausgangsmaterial herzustellen. Bei der Bearbeitung in Photoshop zieht der in Manchester lebende und hauptberuflich als Buchhalter arbeitende Fotograf dann alle Register des Künstlers der Graustufen, um der Eindringlichkeit seiner Motive eine gehörige Portion Zeitlosigkeit an die Seite zu stellen.

Lee Jeffries-Porträts

Lee Jeffries Porträts: Das Buch

Jetzt ist von Lee Jeffries ein neues Buch erschienen. „Portraits“ ist über 230 Seiten stark und enthält eine Vielzahl von farbigen und schwarzweißen Porträts. Wer kein Problem damit hat, kurze englische Texte zu lesen, wird sich über die Zusatzinfos zu vielen Bildern freuen. Das Buch mit der ISBN 978-1-5272-4803-8 kostet auf der Webseite von Lee Jeffries 115 englische Pfund Sterling. Mit Versand liegt es umgerechnet bei rund 160 Euro. Derzeit 22 einzelne Motive in Form limitierter Prints kann man ab einem Stückpreis von 95 Euro bei Yellowkorner erwerben.


Lee Jeffries Porträts: Die Ästhetik – selbstgemacht in Lightroom/ Camera Raw

Natürlich ist es nicht ganz einfach, die Bilder von Lee Jeffries 1:1 nur mit Techniken der Bildbearbeitung nachzumachen. Der Eindruck soll hier gar nicht erweckt werden. Seine Fotos leben vom Motiv. Aber dennoch dürfte sich so manches Porträt mit dunklen oder halbdunklen Hintergründen, das man schon auf der Festplatte herumliegen hat, für eine schnelle Veredelung mit der Lee-Jeffries-Nachbearbeitung eignen.

Ausgangsbilder

Idealerweise haben solche Bilder einen dunklen und homogenen Hintergrund. Wenn nicht, ist das aber auch kein Problem. Möchte man die Motive gezielt fotografieren, empfiehlt sich wegen des starken Helligkeitsabfalls – eine Toreinfahrt, eine Garage (wie im Beispiel) oder Ähnlichem – am besten ein dunkles Tuch. Das Licht sollte nicht zu grell sein. Ein bewölkter Himmel ist ideal, ansonsten muss man sich ein schattiges Plätzchen suchen. Als Objektiv kam ein Voightländer 40-Millimeter F/1.4 zum Einsatz. Kein echtes Weitwinkel wie bei Jeffries, der gerne 24-Millimeter-Objektive einsetzt, und ich hätte für diesen Zweck auch ruhig näher herangehen können. Die Folge wären „dreidimensionalere“ Gesichtscharakteristika gewesen. Meist sind die Ergebnisse dann nicht eben schmeichelhaft. Auf dem Bild zu sehen ist übrigens Detlef Motz, der Chefredakteur des Online-Magazins Fotogen.

Beschnitt und Schwarzweißumwandlung

Typische Lee-Jeffries-Bilder schneiden die Person oben am Kopf an. Hier habe ich mich für ein Querformat entschieden und zur ersten Schwarzweißumwandlung das „normale“ Adobe Monochrom-Profil genutzt. Danach habe ich die Grauumsetzung der Haut durch Abdunklung der Rottöne, Aufhellung der Gelbtöne und anschließende Feinjustierung der Orangetöne feiner abgestimmt.

Mehr Kontrast

Im nächsten Schritt geht es darum, die Bildkontraste weiter zu verstärken. Das Grundprinzip heißt: Ein tendenziell dunkles Bild mit harten Kontrasten. Also »Schwarz« und »Weiß« verstärken, die »Belichtung« reduzieren und vor allem die Werte für »Struktur«, »Klarheit« und »Dunst entfernen« erhöhen. Dem »Kontrast«-Regler kommt die Aufgabe zu, zum Schluss die Tonwertharmonie wiederherzustellen. Meist landet er dann im negativen Wertebereich.

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Hintergrund abdunkeln

Dieser Schritt ist nicht unbedingt nötig. Er empfiehlt sich aber, wenn es sich – wie hier – um einen realativ unruhigen Hintergrund handelt, der vom Porträt selbst ablenkt. Wählen Sie dazu den »Korrekturpinsel« aus, reduzieren Sie die »Belichtung« etwas und den »Kontrast« sowie »Weiß« erheblich. Danach aktivieren Sie ganz unten die Option »Automatisch maskieren«, bevor Sie in einem oder mehreren Durchgängen alle störenden Bereiche des Hintergrundes und der Kleidung abdunkeln.

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Augen aufhellen

Ein zentrales Merkmal der Bilder von Lee Jeffries sind die aufgehellten Augen. Beim Fotografieren hilft hier schon ein Handreflektor, der in Brusthöhe gehalten wird. Er sorgt zum einen für einen halbkreisförmigen Reflex in den Pupillen und hat zudem helle Spiegelungen in der Brille zur Folge. Wenn das Bild ohne Reflektor aufgenommen wurde (wie unser Beispiel). können Sie die fehlende Helligkeit wieder mit dem »Korrekturpinsel«-Werkzeug ausmalen. Im ersten Durchgang hellen Sie den Bereich unterhalb des Brillenglases auf. Im zweiten Durchlauf mit erhöhter »Belichtung« sind die Augen selbst an der Reihe.

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Feinschliff mit DXO Silver Effex 2

Sofern gewünscht und nötig, erfolgt das weitere Finetunig auf unterschiedliche Art: In Lightroom/Camera Raw kann man die Gradationskurven zur Tonwertspreizung bemühen, um Weiß und Grau noch kontrastreicher zu trennen. Es gibt zudem bei den Effekten die Möglichkeit, dem Bild etwas simuliertes Filmkorn hinzuzufügen, falls es etwas »analoger« aussehen soll, oder mit einer Vignette die Bildränder weiter abzudunkeln.

Ich habe mich hier für die Weiterbearbeitung in dem Plug-in Silver Effex entschieden, das jetzt von DXO vertrieben wird. In diesem Plug-in gibt es vielfältig Optionen, um das Bild schnell und wirkungsvoll zu verfeinern. Worauf ich persönlich gerne zurückgreife, das sind die Analog-Filmsimulationen. Hier kommt zum Beispiel ein Ilford Delta 100 Pro zum Einsatz.

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Endergebnis

Bis man „seine“ ganz eigene Abstimmung für den Lee Jeffries-Effekt gefunden hat, sollte man mit all den Werkzeugen etwas ausführlicher selbst experimentieren. Die hier beschriebenen Techniken zeigen nur das Prinzip und die wichtigsten Aspekte an einem geeigneten Anwendungsbeispiel.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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