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Farbkorrektur für Fotografen

Wer Fotos farblich nachbearbeiten will, muss zwei Dinge lernen: Die Beherrschung der Photoshop-Techniken und das präzise Beurteilen von Farbe. Beides zusammen ist ein langwieriger Prozess, der sich nur durch Üben, Üben und nochmals Üben beschleunigen lässt. Er ähnelt dem beschwerlichen Weg vom Tafelweintrinker zum Weinkenner oder vom Gourmand zum Gourmet.

Um ans Ziel zu kommen, hilft also nur Üben. Als Einsteiger benutzt man die Werkzeuge vielfach mit nahezu gewalttätiger Inbrunst, so sehr begeistern die eindrucksvoll schillernden Ergebnisse. Heftige Eingriffe sind in der Praxis aber nur dann legitim, wenn schlecht belichtete Fotos in erträgliche Vorlagen verwandelt werden sollen. Es dauert oft eine ganze Weile, bis der Digital-Novize lernt, mit geringfügigen Korrekturen subtile Veränderungen vorzunehmen, die seinen Bildern den farblichen Feinschliff geben, der ein gutes von einem sehr guten Foto unterscheidet. Heute wird fast jedes Bild vor der Ausgabe digital „optimiert“: In der Kamera, am privaten PC oder auf der Grafik- Workstation eines Kreativ-Dienstleisters. Inzwischen aber halten viele Verlage ihre Bildlieferanten dazu an, digitale Fotos möglichst unkorrigiert abzuliefern, damit durch unsachgemäße Nachbearbeitung keine Bildinformation zerstört wird. Doch Ausgangsbilder mit flauen Farben lassen sich nicht sonderlich gut verkaufen. Der Profi-Fotograf muss sich also auf dem schmalen Grad zwischen visueller Optimierung seiner Ware und dem Erhalt der vorhandenen Tonwertinformation für eine spätere Druckaufbereitung bewegen.
Kontraste
Die Bildsensoren von Digitalkameras liefern farblich recht flaue Bilder. Das hängt mit der in den meisten Modellen verwendeten Technik zusammen, das aus drei Farbkanälen bestehende RGB-Bild aus einer Informationsgrundlage herauszurechnen, die nur die Pixelzahl eines einzelnen Kanals umfasst. Normalerweise merkt der Fotograf davon nichts, weil der kamerainterne Bildprozessor nicht nur fehlende Pixel interpoliert, sondern auch selbstständig Farbkorrekturen vornimmt. Einen (immer noch geschönten) Eindruck davon erhält man aber bei der Arbeit mit unkorrigierten Raw-Daten (links). Um so ein flaues Bild knackiger aussehen zu lassen, verstärkt man dessen Kontraste (Mitte). Allerdings sollte man es nicht wie im rechten Bild u?bertreiben, sonst gehen zu viele Details verloren.
Farbstiche
Farbstiche haben viele Ursachen. In der Digitalfotografie entstehen sie zumeist durch einen falschen Weißabgleich. Alte Abzüge oder Dias weisen oft Farbstiche auf, die durch die Ausbleichung der Farben im Lauf der Zeit entstehen. Hinzu kommen in analog aufgenommenen Bildern Verfärbungen durch den Einsatz von künstlichen Lichtquellen. Solche Farbstiche zu korrigieren kann mit Automatikbefehlen funktionieren, doch kommt es hier oft nur zu einer Verschiebung der Stichigkeit in einen anderen Farbton. Weit wirksamer, aber auch komplizierter in der Anwendung, sind Werkzeuge wie die „Selektive Farbkorrektur“ oder die „Farbbalance“. Findet sich im Bild ein neutraler Grauton, lässt sich die Farbabstimmung deutlich beschleunigen.
Sättigung
Knallige Bonbonfarben sind für viele Amateurfotografen das höchste der Gefühle. Dank der farblichen Strahlkraft erinnern sie die so aufgenommenen Bilder ihrer Lieben an die bunte Welt der Werbung. Entsprechend lässt sich besonders bei Digitalkameras im Consumer-Segment eine Tendenz beobachten, die Fotos möglichst farbgesättigt und damit gefälliger auszugeben. Doch bei aller Augenschmeichelei kann man es allzu leicht übertreiben. Zu viel Farbigkeit kann nicht nur zu unschönen Farbartefakten, also störend falschfarbigen Pixeln führen, sondern auch vom eigentlichen Motiv ablenken. So ist schon seit Jahren in den Medien eine gegenläufige Entwicklung hin zu einer unbunt-monochromen Farbsprache zu erkennen, die sich zunehmend klassischer Schwarzweißbilder bedient.
Künstliche Farbwelten
Die höchste Kunst der Farbkorrektur besteht darin, durch die Verschiebung von Farbnuancen individuelle „Farb-Looks“ zu kreieren. Beispiele dafür finden sich in der Werbung zuhauf. Man denke nur an die auch für das ungeschulte Auge des Laien wiedererkennbaren Farbwelten von Automarken wie Audi. Die Entwicklung solcher Farb-Looks wird für den Werbeauftritt von Markenartiklern übrigens in zunehmendem Maße bedeutsam und dürfte in ein paar Jahren zu einer zentralen Einnahmequelle von Bildprofis werden. Zum einen, weil sich die Produkte qualitativ immer weniger Künstliche Farbwelten unterscheiden, zum anderen, weil der Konsument mehr und mehr mit Werbung konfrontiert wird und sich nur noch an optischen Ankerelementen, wie einer wiedererkennbaren Farbsprache, orientieren kann. Solche Looks zu entwickeln, entspricht technisch im Prinzip derselben Arbeit wie komplexe Farbstiche zu entfernen. Nur muss man dazu sehr viel mehr von Farbwirkungen verstehen und außerdem ein Schema entwickeln, das die Anwendung der Farbsprache auch auf verschiedene Motive erlaubt.
Enzyklopädie_schmalDieser Tipp stammt aus dem Band „Farbkorrektur für Fotografen“ der Photoshop-Enzyklopädie, die Sie in unserem Webshop als e-Book kaufen können.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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