Wenn die Temperaturen unter Null fallen und die Tage kurz sind, wird es für Naturfotografen draußen ungemütlich. Wie man die Chancen des Winters für sich nutzt und dabei auch trotz Kälte den Spaß an der Fotografie behält, erklärt uns der Biologe und Naturfotograf Daniel Spohn im Interview.
DOCMA: Wie behält man bei Eiseskälte den Spaß an der Fotografie?
Daniel Spohn: Nach meiner Erfahrung zunächst einmal durch eine entsprechende Vorbereitung. Und die betrifft nicht nur die Kameratechnik. Aber mit der fängt es natürlich an.
Lange andauernde Kälte zieht nicht nur uns die Energie aus den Knochen. Insbesondere bei den energiehungrigen, spiegellosen Systemkameras leidet die Akkuleistung spürbar. Die frisch geladenen (Ersatz-)Akkus sollten deswegen idealerweise bis zu ihrem Einsatz körpernah getragen werden, damit sie nicht zu schnell auskühlen. Auch ständige Objektivwechsel versuche ich zu vermeiden, da die kalt-feuchte Luft zu Kondenswasser oder gar zu Eisbildung auf dem Sensor führen kann. Ich überlege mir also vorher, welche Bildideen ich umsetzen möchte und welche Brennweiten dafür wohl am sinnvollsten sind. Um die Kamera und Objektiv vor Schneefall zu schützen, kann eine transparente Einwegduschhaube sinnvoll sein. Einfach in die Gegenlichtblende eingehängt und dann über das komplette Kameragehäuse gezogen, erlaubt dieser Schutz weiterhin die Bedienung der Kamera.
DOCMA: Können denn moderne Kameras auch mit knackigen Minustemperaturen umgehen?
Daniel Spohn: Auch starke Minustemperaturen machen einsatzbereiter Fototechnik meist nicht wirklich etwas aus. Erst ab ca. –20°C werden die LCD-Displays langsam träge und reagieren nur sehr zeitverzögert. Dieser Effekt verschwindet nach dem Erwärmen der Kamera aber wieder und ist kein großer Anlass zur Sorge. Ist die Fotoausrüstung durch längere winterliche Ausflüge völlig ausgekühlt, empfiehlt es sich, sie im geschlossenen Fotorucksack in den warmen Innenraum zu transportieren und den Rucksack dort nicht sofort zu öffnen. Ansonsten kommt es zu massiven Kondenswasserbildungen auf und im schlimmsten Fall auch innerhalb der Kamera und im Objektiv. Wenn sich die Fotoausrüstung über ein paar Stunden langsam im Rucksack wieder auf Zimmertemperaturen erwärmen konnte, ist man auf der sicheren Seite. Ich packe meine Ausrüstung erst dann aus und kontrolliere zunächst alles auf Feuchtigkeit.
DOCMA: Wenn die Kamera arbeitet, ist das schon einmal die halbe Miete. Aber was ist mit dem Fotografen?
Daniel Spohn: Damit die Freude an der Fotografie nicht parallel zur Temperatur immer weiter sinkt, kommt vor allem geeigneten Handschuhen eine wichtige Rolle zu. Schließlich bilden sie die Schnittstelle zur Kamera und es ist immer ein Kompromiss aus gutem Feingefühl für die Bedienung und vernünftigem Kälteschutz durch dicke Isolationsschichten. Für mich haben sich Handschuhe mit zurückklappbaren Fäustlingen bewährt, die notfalls auch noch Heiz-Pads aufnehmen können.
Zudem achte ich bei meiner Kleidung und insbesondere den Schuhen auf einen guten Temperaturpuffer. Auch wenn bei dem Fotoausflug nur mit ca. –10°C zu rechnen sind, setze ich auf Schuhe, die bis ca. –25°C empfohlen werden. Wir Fotografen bewegen uns hinter unseren Stativen ja oft nicht viel und die Temperaturangaben auf solcher Kleidung ist meist für Aktivitätsphasen, wie etwa Wanderungen, angegeben. Zusätzlich sind Spikes an den Schuhen und auch am Kamerastativ absolut sinnvoll, um sich sicher bei der Suche nach dem optimalen Kamerastandpunkt und der passenden Perspektive bewegen zu können.
DOCMA: Empfiehlst Du bestimmte Strategien für die Aufnahme von Winter- und Schneelandschaften?
Daniel Spohn: In der Landschaftsfotografie mit Weitwinkelobjektiven haben wir oft mit überfrachteten Bildkompositionen zu kämpfen. Die sind insbesondere im Vordergrund zu detailreich und lenken dadurch vom Hauptmotiv ab. Die Suche nach „cleanen“, das Bild beruhigenden Flächen und sinnvollen Führungslinien für den Bildaufbau kann dann sehr komplex und frustrierend werden.
Schnee und Eis helfen uns hierbei ungemein, da sie unwichtige und zu kontrastreiche Details unter sich verbergen, insbesondere im Vordergrund. Solche Bilder wirken aufgeräumter und einzelne „Inseln“ aus Grasbüscheln oder Sträuchern und Bäumchen die durch die Eis- und Schneedecke ragen, werden zu wichtigen Ankerpunkten und geben dem Blick Halt und Orientierung.
Ich versuche immer meinen Bildausschnitt so zu wählen, dass ich möglichst keine dieser prägnanten Strukturen anschneide. Ich möchte einen sauberen Bildabschluss erreichen, so dass der Blick im Bild haften bleibt und nicht an den Bildrand geführt wird. Auf der anderen Seite verleihen die Muster aus Schnee und Fels auch unseren Hauptmotiven, beispielsweise Berggipfeln im Hintergrund, eine interessantere Struktur. Der starke Kontrast der Muster aus blankem, dunklem Felsen und weißem Schnee zieht den Blick automatisch an und gleichzeitig werden die ohne Schnee viel zu massiv wirkenden Flächen aufgelockert und verlieren an Aufdringlichkeit. Muster aus Schnee und Eis in der Landschaft bieten auch wunderbare Möglichkeiten für Blickführungslinien. Mit dem richtigen Kamerastandpunkt führen Schneebänder oder Eisspalten den Betrachter ins Bild hinein.
DOCMA: Ist Winterlandschaften fotografieren aus belichtungstechnischer Sicht ein ebenso komplexes Thema wie „normale“ Landschaftsfotografie?
Daniel Spohn: Von der technischen Seite sind Schnee und direktes Sonnenlicht für eine korrekte, homogene Belichtung über den kompletten Bildausschnitt ein wahrer Albtraum. Der Dynamikumfang der Kamera wird hierbei hoffnungslos überschritten. Nicht umsonst greifen auch wir in solchen Situationen zur Sonnenbrille. Weiches Licht, egal ob in der blauen Stunde, bei bewölktem Himmel oder sogar in einer Vollmondnacht, ist das Mittel der Wahl für natürlich wirkende Fotos von Winterlandschaften. Ich selbst mag vor allem die entsättigten, monochrom anmutenden Stimmungen bei bewölktem Himmel. Meist müssen wir bei der Landschaftsfotografie mit Hilfe von Grauverlaufsfiltern oder „High Dynamic Range“-Aufnahmetechnik die Lichtverteilung in unserem Bild positiv beeinflussen und für den Sensor unterscheidbar machen.
Solange die Sonne nicht scheint, besteht bei schneebedeckter, heller Landschaft oft gar kein allzu großer Helligkeitsunterschied zum Himmel. Daher übersteigt der Motivkontrast den Dynamikumfang der Kamera nicht merklich. Häufig können wir also ganz ohne Hilfsmittel fotografieren und verlieren keine Details in den Lichtern oder Schatten. Besonders gerne nutze ich statt der grellen Sonne das besonders weiche Mondlicht, um die Winterlandschaft zu illuminieren und die Eiskristalle im Vordergrund mit dem Sternenhimmel um die Wette glitzern zu lassen. Natürlich sind die dazu relativ langen Belichtungszeiten nur vom Stativ aus möglich. Dies gibt uns aber immer wieder die Möglichkeit, während den Belichtungszeiten unsere Finger in den Jackentaschen zu wärmen. In einer Winternacht entscheidet vor allem unser Wohlbefinden über die Dauer unseres Fotoausfluges, denn das weiche Licht auf der Schneelandschaft ist die ganze Nacht über äußerst fotogen. Ein schneereicher Winter ist also immer eine wunderbare Zeit für Landschaftsfotografen. Zieht euch warm an, ladet eure Kameraakkus, raus in den Schnee und fangt die vergängliche Winterlandschaft auf euren Kamerasensoren ein.
DOCMA: Vielen Dank für die hilfreichen Informationen! Dann bleibt uns nur noch, Dir und allen anderen Naturfotografen in den kommenden Monaten schneereiche Nächte zu wünschen.
Der Fotograf
Daniel Spohn, Jahrgang 1981, ist als Fotograf und Biologe weltweit auf der Suche nach einzigartigen und spannenden Geschichten.
Portfolio | Instagram | Facebook: Daniel Spohn & Natur im Fokus | Webseiten: www.naturimfokus.com & www.danielspohn.de
Winter?Welcher Winter?
*JOKE*
Ok, vermute die Tipps braucht vermutlich im Moment gerade Niemand, trotzdem bei Bedarf
sehr hilfreich.
Trotzdem Danke für den Artikel…;-)!