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Ablenkungsentfernung: Spiegelungen. Irrer Retusche-Knaller in Camera Raw 17.1

In Camera Raw gibt es jetzt »Spiegelungen entfernen« per Mausklick – mit teilweise beeindruckenden Ergebnissen. Perfekt, um Glasspiegelungen loszuwerden – oder auch, um sie zu extrahieren. Olaf Giermann gibt einen Überblick der bisherigen und neuen Möglichkeiten.

Mehr zu diesem Beispiel erfahren Sie unten. © Olaf Giermann
Mehr zu diesem Beispiel erfahren Sie unten. © Olaf Giermann

Ablenkungsentfernung: Das Reflexionsproblem

Vielleicht kennen Sie das: Sie laufen begeistert durch ein Museum oder eine Kunstausstellung und möchten das eine oder andere Exponat zu Erinnerungszwecken oder als Referenzbild für eigene künstlerische Experimente festhalten. Aber in einer Zeit von alles angrabbelnden oder sogar mit nach Hause nehmenden Kulturbanausen haben sich die Museumsmitarbeiter entschieden, alles durch Glaswände und Vitrinen zu beschützen. Die Folge: Bei heller Umgebung stören deren Reflexionen auf der Glasscheibe im Bild.

Reflexionen durch Schutzglas – ein nerviges Problem in vielen Museen. © Olaf Giermann
Reflexionen durch Schutzglas – ein nerviges Problem in vielen Museen. © Olaf Giermann

Mit geschicktem Fotografieren, etwas Vorplanung und Zusatzequipment kann man solche Spiegelungen vermeiden oder reduzieren. Leider nicht immer.

Ablenkungsentfernung: Herkömmliche Lösungen

Für das Problem gibt es drei herkömmliche Lösungen:

  1. Mit dem Smartphone und einer ansonsten unbewaffneten Kamera bleibt Ihnen nur, möglichst nahe an die Scheibe zu gehen und mit Körper oder Kleidung die störenden Reflexionen möglichst abzudecken. Das funktioniert manchmal gut, meist aber eher schlecht als recht. Es erlaubt insbesondere nicht, den besten Winkel und Abstand für die verfügbaren Objektive zu nutzen.
  2. Große „Silikonschlabber“-Anti-Reflex-Streulichtblenden (so wie hier) für Ihr Objektiv. Das funktioniert ganz hervorragend – mit derselben Einschränkung, die ich bei Punkt 1 erwähnte: Hier klebt man zwangsweise an der Scheibe und kann die Perspektive nicht frei wählen.
© JJC
© JJC
  1. Polarisationsfilter erlauben im Gegensatz zu den beiden vorgenannten, auf demselben Prinzip (Abschatten) basierenden Lösungen, Glasreflexionen tatsächlich loszuwerden, indem das durch Glas reflektierte und dabei polarisierte Licht gefiltert, also ausgeblendet wird. Die Effektivität, also wie vollständig mit diesem Objektivaufsatz Reflexionen verhindert werden, hängt vom Einfallswinkel des polarisierten Lichts ab. Je nach Art, Anzahl und Position der Lichtquellen ist deshalb auch ein Polfilter keine Universallösung und kann prinzipbedingt nicht alle Störungen ausblenden.

Ablenkungsentfernung: Die neue KI-basierte Lösung in Camera Raw für Spiegelungen

Das Versprechen im Update-Screen nach dem Update

Reflexionsentfernung (Technologievorschau): Entferne automatisch Reflexionen von RAW-Fotos, die durch Glasfenster aufgenommen wurden.

Aktivieren der Technologievorschau

Klicken Sie nach dem Update auf Camera Raw Version 17.1 auf das Zahnrädchen-Symbol oben rechts, um in die »Camera Raw-Voreinstellungen« zu gelangen. Aktivieren Sie dort im Bereich »Technologievorschau« die (einzige verfügbare) Checkbox »Bedienfeld für neue KI-Funktionen und Einstellungen« und klicken Sie dann auf »OK«:

Spiegelungen entfernen

Um etwaige Spieglungen zu entfernen, klicken Sie auf das »Entfernen-Werkzeug« und aktivieren anschließend die Option »Spiegelungen« unter »Ablenkungsentfernung« (dass diese Kategorie extra geschaffen wurde, lässt auf weitere hilfreiche Funktionen wie die lang erwartete Entfernung von Sensor-Flecken hoffen):

Achtung: Voraussetzung ist derzeit eine Raw-Datei. Mit JPEG-, TIFF- und HEIC-Dateien funktioniert das Entfernen von Spiegelungen bisher nicht.

Was die neue Funktion nicht leistet

Meine ersten Versuche, Spiegelungen aus Objekten oder Glasflächen zu entfernen, waren von keinem Erfolg gekrönt. Egal, ob Reflexionen in kleinen spiegelnden Objekten oder klare umrissene Wiedergabe der Umgebung wie in den folgenden zwei Beispielen, ergab genau NULL Unterschied.

Links vorher, rechts nachher. Kein Unterschied. © Olaf Giermann
Links vorher, rechts nachher. Kein Unterschied. © Olaf Giermann
Hier erspare ich Ihnen einen Vorher/Nachhervergleich, weil beides völlig identisch aussieht. © Olaf Giermann
Hier erspare ich Ihnen einen Vorher/Nachhervergleich, weil beides völlig identisch aussieht. © Olaf Giermann

Anwendungsbeispiele zur Spiegelungsentfernung

Das KI-Modell wurde offenbar auf Situationen trainiert, bei denen man eine Person oder ein Objekt durch eine plane Scheibe hindurch fotografiert, auf der sich Spiegelungen der Umgebung abzeichnen.

Dementsprechend funktionierten bei meinen Versuchen am besten Fotos, die ich von Objekten in Vitrinen oder hinter Glaswänden in Museen fotografierte. Die Ergebnisse sind dabei mitunter sehr beeindruckend.

Die typische Museumssituation: Sie wollen ein Detail zur Erinnerung oder als Referenz festhalten und dann lassen sich Spiegelungen partout nicht vermeiden. Das Ergebnis von Camera Raw beeindruckt. © Olaf Giermann
Die typische Museumssituation: Sie wollen ein Detail zur Erinnerung oder als Referenz festhalten und dann lassen sich Spiegelungen partout nicht vermeiden. Das Ergebnis von Camera Raw beeindruckt. © Olaf Giermann

Dabei müssen Sie eine Spiegelung auch nicht vollständig entfernen, sondern können sie über den Schieberegler auch nur etwas abmildern, indem Sie einen kleineren Wert als 100 % wählen.

Ein anderes Beispiel, bei dem die »Ablenkungsentfernung« gute Dienste leistet – wenn auch im Hintergrund nicht perfekt. Aber die verbliebenen Makel lassen sich nun schnell und einfach mit dem »Entfernen-Werkzeug« retuschieren:

Ziemlich genial – aber auch nicht ganz wahrheitsgemäß – ist die Spiegelungsentfernung im nächsten Beispiel.

  • Genial ist, dass die KI erkannt hat, dass das Schild auf der Rückwand zur Spiegelung gehört und entfernt werden muss. Ich hatte das zunächst für einen Fehler gehalten und erst bei näherem Hinsehen erkannt, dass die Schrift auf dem Schild tatsächlich gespiegelt ist.
  • Falsch ist dagegen die massive Einfärbung der Rückwand, denn die war im Original weiß und nicht so rot wie der Boden, dessen Rückstrahlung den unteren Bereich der Wand rot färbt. Aber das Museum könnte darüber nachdenken, die Wand wirklich rot zu färben, denn besser sieht es (zumindest hier im Ergebnis) ja aus. 😉

Forensische Möglichkeiten?

Genial: Sie können den Prozess auch umkehren und das Bild extrahieren, sodass nur die Reflexion übrig bleibt, indem Sie den Schieberegler auf –100 % setzen:

Bei – 100 Prozent bleibt nur die Spiegelung in der Scheibe übrig und zeigt den reflektierten Hintergrund.
Bei – 100 Prozent bleibt nur die Spiegelung in der Scheibe übrig und zeigt den reflektierten Hintergrund.

Dieses Extrahieren der Reflexionen könnte die forensischen Möglichkeiten der Kriminalpolizei deutlich erweitern und vielleicht Fahndungsdetails sichtbar machen, die dem Betrachter zuvor verborgen waren. Definitiv etwas, das ich den Phantombildzeichnern der Polizei nächstes Jahr in einem Seminar zu den Photoshop-Neuerungen näherbringen werde, falls es wieder die Gelegenheit dazu gibt. Eingeschränkt sind die Möglichkeiten hier natürlich durch die Trainingsdaten des KI-Models und die in diesem Fall doch sehr spezielle Aufnahmesituation. Aber einen Film „Mord im Museum“ könnte man damit schon einmal aufpeppen. 😉

Aber sehen Sie selbst, was derzeit möglich ist:

Olaf Giermann
Olaf Giermann

⬆️ Links das Originalfoto (© Olaf Giermann), in der Mitte nach KI-Spiegelungsentfernung, rechts die extrahierte Spiegelung. Das alles manuell zu retuschieren oder gar nachzustellen, würde einen sehr talentierten und kreativ Details hinzuerfindenden Illustrator und viel Zeit benötigen. Irre!

⬆️ Hier kann man in der extrahierten Spiegelung viel besser erkennen, dass der Fotograf, also ich, kurze Hosen und flache Schuhe trug. Solche Details reichen mitunter schon als Indiz zur Überführung/Bestätigung eines Täters bei einer Zeugenbefragung.

© Olaf Giermann
© Olaf Giermann

⬆️ Hätten Sie in diesem Foto die Spiegelung im linken Bild überhaupt bemerkt? Mit der KI lässt sich diese extrahieren und zeigt die Stadtszene und Personen. Das ist doch wirklich irre, oder? Bedenken Sie: Das ist noch eine Beta-Version und die erste Anwendung in dieser Art überhaupt.

Alternativ-Anwendung: Spiegelungen extrahieren für spätere Überlagerungen

Sollten Sie – anders als ich beim Ausprobieren der Funktion – einmal über wunderschöne Spiegelungen der oben gezeigten Art stolpern, die Sie gern anderen Bildern hinzufügen möchten, dann ist das kein Problem. Extrahieren Sie die Spiegelungen wie gezeigt und überlagern Sie sie im Modus »Negativ multiplizieren« anderen Fotos.

Ablenkungsentfernung: Mein Fazit

Ich kann Ihnen hier nicht alle meine Anwendungsversuche der neuen Funktion zeigen. In Bezug auf diese neue Retusche-Möglichkeit gibt es aus meiner Sicht aber zwei wichtige Erkenntnisse:

  1. Sie ersetzt keine der oben genannten, herkömmlichen Lösungen, sondern ergänzt diese.
  2. Sie kann Erstaunliches leisten, um Spiegelungsreste zu entfernen oder den Großteil einer aufwendigen Retusche zu ersparen.

Die KI wurde hier offensichtlich auf Reflexionen in planen Glasflächen trainiert. Erwarten Sie also nicht, damit Spiegelungen aus verschiedenartig abgerundeten Karosserieteilen eines Autos oder ähnlichem entfernen zu können.

Für Museumsbesucher: Genial!

Ich gebe – trotz früher Beta-Version – zwei Daumen hoch! <br/>Und – hätten Sie es gedacht?  – das bin ich gar nicht! Ich spiele nur gerade mit Grok, der KI von X, etwas herum, die wiederum auf Flux basiert. ;-)
Ich gebe – trotz früher Beta-Version – zwei Daumen hoch!
Und – hätten Sie es gedacht? – das bin ich gar nicht! Ich spiele nur gerade mit Grok, der KI von X, etwas herum, die wiederum auf Flux basiert. 😉

Im DOCMAshop finden Sie alle Infos zum aktuellen Heft: Das ausführliche Inhaltsverzeichnis sowie einige Seiten als Kostprobe.

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Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

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4 Kommentare

  1. Hallo lieber Olaf Giermann,
    danke für den Tipp. Habe allerdings eine Zeitlang gebraucht, bis ich die Entspiegelung hingekriegt habe.
    Offensichtlich ist es so, dass die Entspiegelung nur möglich ist, wenn man Camera RAW direkt aus dem Explorer (mit Doppelklick) aufruft.
    Geht man aus Lightroom oder Photoshop (mit STR+ALT+ENTF) zu Camera RAW, so funktioniert das leider nicht.
    Somit ist der Workflow etwas umständlich.
    Ich benutze WINDOWS 10, LIGHTROOM Classic und Photoshop (alles aktuellste Versionen) und die Grafikkarte passt auch.
    Vielleicht mache ich auch etwas falsch?

    Grüße von Joachim Kaiser

  2. Moin, vielleicht haben Sie meinen Hinweis übersehen: Die Spiegelungsreduktion steht derzeit nur bei Raw-Dateien zur Verfügung. Der Camera Raw FILTER ist deshalb nicht geeignet, denn der greift nicht auf Raw-Daten zurück.

    1. Danke für die schnelle Reaktion und den Hinweis. Mir war nicht klar, dass der CameraRaw-Aufruf aus Photoshop ja ein Filter ist und er nicht geeignet ist. Wieder was gelernt. Wünsche noch einen schönen Abend und viele Grüße aus Nürnberg

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