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Erik Johansson

Der Schwede Erik ­Johansson ist heute einer der populärsten Fotomonteure in Europa. Vor fünfzehn Jahren hatten wir ­einige Arbeiten von ihm in DOCMA 34 vorgestellt. Als wir ihn kürzlich in Prag besuchten, lag die Frage nahe, wie er sich seither weiterentwickelt hat. | Christoph Künne

Fünfzehn Jahre später

DOCMA: Als wir dich damals vorstellten, vermuteten wir, wir ­hätten es mit einem Vollprofi zu tun. So ausgereift waren deine fotografisch sehr realistischen Montagen …
Erik: Nun, vielleicht habe ich mich damals ein wenig ­professioneller dargestellt, als ich es war. 2010 hatte ich gerade mal drei Jahre Erfahrung mit einer semiprofessionellen Digital­kamera und Photoshop gesammelt. Außerdem hatte ich gerade mein Studium als Software-Ingenieur abgeschlossen. Meine ­eigentliche Karriere ging erst ­danach ­richtig los.

DOCMA: Bist du jetzt in der IT tätig?
Erik: Nein, natürlich nicht. Das habe ich aber ein Jahr lang ausprobiert, bevor ich mich endgültig für die Fotografie entschieden habe.

DOCMA: Was hat sich denn verändert, seit du als kreativer Fotograf dein Geld verdienst?
Erik: Zu Beginn hatte ich vor allem als Retuscheur gejobbt. Da war es auch schon sehr wichtig, parallel eigene Projekte komplett umzusetzen. So konnte bei meinen Kunden das Zutrauen wachsen, damit sie mir größere Produktionen anvertrauten. Seither ist erster Line die Komplexität der Projekte gestiegen. Früher habe ich mir ein Bild ausgedacht und es dann aus mehreren Fotos zusammengesetzt, die ich dafür an verschiedenen Orten aufgenommen hatte. Da ging das Fotografieren schnell, aber die Montage in Photoshop war unnötig zeitraubend. Heute plane ich nach der Ideenfindung sehr viel mehr, treibe einen größeren Aufwand beim Gestalten oder Anfertigen einzelner Motivelemente und versuche so viel wie möglich am Set, bei gleichem Kamerastandpunkt und unter an­nähernd ähnlichen Licht­bedin­gungen, aufzunehmen.

Making-of-Video: https://www.youtube.com/watch?v=8e4OeQ6b_jU&feature
Making-of-Video: https://www.youtube.com/watch?v=8e4OeQ6b_jU&feature

DOCMA: Das klingt, als könntest du mit dieser Herangehensweise deine Bildproduktion erheblich steigern.
Erik: Dann entsteht ein falscher Eindruck (lacht). Natürlich bleibt immer noch viel Arbeit in Photo­shop, aber die Arbeit konzentriert sich heute stärker auf die Details. Außerdem lege ich mehr Wert darauf, dass ich besonders bei meinen persönlichen Arbeiten keine Schnellschüsse produziere. Von daher vergeht meist viel Zeit damit, dass die Bilder „reifen“.

Making-of-Video: https://www.youtube.com/watch?v=8fP3AJl6eLk&feature
Making-of-Video: https://www.youtube.com/watch?v=8fP3AJl6eLk&feature

DOCMA: Wie darf man sich einen solchen Reifungsprozess ­vorstellen?
Erik: In erste Linie so, dass kein einziges neues Bild, nur weil ich es in diesem Moment als ­gelungen betrachte, sofort in den sozialen ­Medien landet. Die Einschätzung der eigenen Arbeiten sollte immer in einem großzügig bemessenen zeitlichen Abstand erfolgen. Ein paar Überarbeitungen verbessern die Qualität ebenfalls. Erst die Zeit bringt die nötige Distanz und klärt den Blick auf das eigene Werk. Das ist auch der Grund, warum ich im Jahr meist nur sechs bis acht freie Arbeiten mache, obwohl ich 80 Prozent meiner Arbeitszeit mit diesen Projekten verbringe.

Making-of-Video: https://www.youtube.com/watch?v=5u_n3tjPznc&feature
Making-of-Video: https://www.youtube.com/watch?v=5u_n3tjPznc&feature

DOCMA: Wie hast du dich technisch entwickelt?
Erik: Damals habe ich mit einer Zehn-Megapixel-APS-C-Kamera begonnen, inzwischen bin ich längst beim 100-Megapixel-Mittelformat angekommen. Neben aller Technikbegeisterung, vor allem, weil ich meine Arbeiten oft in Druckgrößen von über einem Meter fünfzig brauche.

DOCMA: Wofür das?
Erik: In erste Linie für Ausstellungen. Bis 2016 war es etwas schwierig, mit dieser Art von Bildern Ausstellungsorte zu finden. Für die Kuratoren sind sie oft weder Fisch noch Fleisch, also weder ­Malerei, oder Grafik noch Fotografie. Ich brauchte erst zwei große Ausstellungen bei Fotografiska in Stockholm, bis weitere Häuser in Europa erkannten, dass diese Art Bilder auch das Publikum anlocken, das sonst zu Fotoausstellungen kommt.

Docma: Abgesehen von der Printgröße – hat diese hohe Auflösung noch andere Vorzüge?
Erik: Ich bin ja schon ausbildungsbedingt ein Technik-Nerd. Von daher reizt es mich, die Grenzen immer weiter nach vorne zu verschieben. Aber es geht dabei nicht nur um Technikliebhaberei. Die hohe Auflösung zwingt mich, sehr präzise zu arbeiten. Schließlich habe ich den Anspruch, dass man die Bilder sowohl mit Betrachtungsabstand spannend finden soll, als auch, wenn man ganz dicht davor steht und sich in die Details versenkt. Das funktioniert bei 100 ­Megapixel Auflösung ziemlich gut.

DOCMA: Du sprachst vorhin von einigen wenigen, rein kommerziellen Produktionen im Jahr. Was sind das für Firmen, die auf dich ­zukommen?
Erik: Ganz unterschiedliche, ich habe da immer noch kein verlässliches Muster feststellen können. Im Wesentlichen ist daran typisch, das sie nicht typisch sind. Die ­meisten kommen auch nur einmal, weil sie für ein spezielles Projekt etwas ganz Besonderes benötigen. Sie hoffen, dass meine Montagen sich dafür ­eignen, Dinge die sonst nicht fotografierbar sind, durch die Montagetechnik zu visualisieren.

DOCMA: Hast du Beispiele?
Erik: Leider wenige, die ich dir so einfach zeigen könnte. Zwei Arbeiten siehst Du hier.

Häufig sind das Aufträge, bei denen ich alle Nutzungsrechte für eine bestimmte Dauer verkaufe. Aber ich kann das vielleicht an zwei anderen Beispielen beschreiben: Bei einem Auftrag ging es um eine psychiatrische Klinik, die Krankheiten heilt, die sich in der Vorstellungswelt der Patienten abspielen. Das ist natürlich ein sehr passender Einsatzzweck für Montagen. Eine andere Geschichte war die Mitarbeit bei der Bebilderung eines Pink-Floyd-Albums.

DOCMA: Und wo wird deine Reise in Zukunft hingehen? 3D, Video, ­virtuelle Fotografie?
Erik: Mit 3D und CGI, wie wir es heute kennen, tue ich mich schwer. Viel interessanter finde ich Videos. Da könnte meine Reise weitergehen. Zur Zeit arbeite ich viel mit Kreativen aus anderen Sparten ­zusammen. Ein Projekt habe ich mit einem DJ – ich bin selbst gespannt, was dabei herauskommt.


Erik Johansson,

geboren 1985, ist ein aus Schweden stammender und in Prag lebender Künstler, der durch die Neukombination von Fotografien und anderen Materialien surreale Bilder gestaltet. Er setzt seine Ideen um, indem er Bilder auf neue Weise zusammenfügt, um etwas zu erschaffen, das wie ein echtes Foto aussieht, jedoch ­logische Widersprüche zeigt, die surreal anmuten.

Mehr Infos: www.erikjo.com


PLACES BEYOND

Weitere und bisher unveröffentlichte Bilder von vielen teils ausführlich vor­gestellten Projekten hat Erik 2019 in einem 144-Seiten-Buch herausgegeben, das in englischer Sprache für rund 25 Euro ­erhältlich ist.
www.docma.info/21939


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