Technik

Fujifilm GFX100RF: Ein mutiger Schritt in die Zukunft des Mittelformats?

Die GFX100RF in schwarz
Die GFX100RF in schwarz

Mit der Vorstellung der Fujifilm GFX100RF wagt Fujifilm einen neuen Ansatz im Bereich der Mittelformatkameras. Die Kamera kombiniert den hochauflösenden 102-Megapixel-Sensor mit einem kompakten Gehäuse und richtet sich an Fotografen, die die Bildqualität des Mittelformats in einem handlicheren Format erleben möchten. Doch während die technischen Daten beeindrucken, bleibt die Frage, ob Fujifilm mit diesem Modell tatsächlich die perfekte Balance zwischen Innovation und Nutzerfreundlichkeit gefunden hat – oder ob die GFX100RF Gefahr läuft, zwischen den Erwartungen verschiedener Zielgruppen zu stehen.

Technische Highlights:

Die GFX100RF basiert auf dem bewährten 102-Megapixel-Sensor im Mittelformat (43,8 x 32,9 mm), der bereits in der GFX100S II zum Einsatz kommt. Dieser Sensor bietet eine herausragende Bildqualität mit einem enormen Dynamikumfang und einer beeindruckenden Detailtreue. Unterstützt wird er vom leistungsstarken X-Prozessor 5, der nicht nur für schnelle Bildverarbeitung sorgt, sondern auch die Videofunktionen der Kamera antreibt. Mit einer ISO-Spanne von 80 bis 12.800 (erweiterbar) und der Möglichkeit, Videos in 4K mit 30 Bildern pro Sekunde aufzunehmen, zeigt die Kamera, dass sie sowohl für Fotografen als auch für Videografen interessant sein möchte.

Seitenverhältnisse und kreative Flexibilität

Ein herausragendes Merkmal der Fujifilm GFX100RF ist die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Seitenverhältnissen zu wählen – eine Funktion, die Fotografen eine enorme kreative Flexibilität bietet. Über das Formatwahlrad können Nutzer schnell und intuitiv zwischen den gängigsten und einigen außergewöhnlichen Seitenverhältnissen wechseln. Neben den klassischen Formaten wie 4:3, das dem nativen Seitenverhältnis des Mittelformatsensors entspricht, und 3:2, das häufig in der Vollformatfotografie verwendet wird, bietet die Kamera auch 16:9 für Videos oder cineastische Aufnahmen sowie das quadratische 1:1, das an die Ästhetik klassischer Mittelformatkameras wie der Hasselblad erinnert.

Besonders spannend ist die Unterstützung des 65:24-Seitenverhältnisses, das an das Panoramafilmformat erinnert und Fotografen die Möglichkeit gibt, weitläufige Landschaften oder architektonische Szenen in einem extrem breiten Rahmen zu inszenieren. Dieses Format, das selten in digitalen Kameras zu finden ist, bietet eine cineastische Ästhetik und lädt dazu ein, Bildkompositionen neu zu denken. Es ist ideal für Fotografen, die sich von traditionellen Seitenverhältnissen lösen und mit ungewöhnlichen Perspektiven experimentieren möchten.

Zusätzlich unterstützt die Kamera auch 5:4, ein Format, das häufig in der Fine-Art-Fotografie verwendet wird, sowie 7:6, das an klassische Mittelformatnegative erinnert. Diese Vielfalt an Seitenverhältnissen macht die GFX100RF zu einem äußerst vielseitigen Werkzeug, das sich an die unterschiedlichsten fotografischen Genres und Stile anpassen lässt. Egal, ob es um Landschaften, Porträts, Architektur oder experimentelle Fotografie geht – die Kamera bietet für jede Situation das passende Format.

Die Möglichkeit, diese Seitenverhältnisse direkt in der Kamera zu wählen, spart nicht nur Zeit in der Nachbearbeitung, sondern hilft auch dabei, die Bildkomposition bereits während der Aufnahme zu perfektionieren. Fujifilm zeigt hier, dass sie nicht nur auf technische Innovationen setzen, sondern auch auf kreative Werkzeuge, die Fotografen inspirieren und ihre Arbeit erleichtern sollen.

Ein weiteres Highlight ist das kompakte Gehäuse, das Fujifilm als „revolutionär“ für eine Mittelformatkamera bewirbt. Tatsächlich ist die GFX100RF kleiner und leichter als viele ihrer Mittelformat-Konkurrenten, was sie für den Einsatz unterwegs attraktiver macht. Doch hier beginnt auch die kritische Betrachtung: Wie kompakt ist kompakt wirklich, wenn man die Größe und das Gewicht eines Mittelformatsensors berücksichtigt?

Kompromisse bei der Zielgruppenansprache

Die GFX100RF scheint ein Versuch zu sein, die Grenzen zwischen professioneller Mittelformatfotografie und der Flexibilität kleinerer Kamerasysteme zu verwischen. Dieser Ansatz birgt Herausforderungen. Für eingefleischte Mittelformat-Fotografen, die höchste Ansprüche an Ergonomie, Robustheit und spezialisierte Funktionen haben, könnte die Kamera zu viele Kompromisse eingehen. So ist die Lichtstärke des 35 Millimeter f/4 nicht unbedingt in der Kategorie „lichtstark“ zu verorten. Hinzu kommt, dass es schwer vorstellbar ist mit 102 Megapixel Auflösung ohne Bildstabilisation aus der Hand zu arbeiten, wenn die Lichtverhältnisse nicht optimal sind. Auch bleibt die Videofunktion mit maximal 4K und 30 fps hinter den Erwartungen vieler Profis zurück, die in dieser Preisklasse 6K oder gar 8K erwarten würden.

Auf der anderen Seite könnte die Kamera für ambitionierte Amateure, die eine kompakte Kamera für unterwegs suchen, schlicht zu groß und teuer sein. Auch wenn Fujifilm das Gehäuse als kompakt bewirbt, bleibt die GFX100RF im Vergleich zu APS-C- oder Vollformatkameras wie der X100VI, der Sony A7-Serie oder der ähnlich konzipierten und etwa gleich teuren Leica Q deutlich sperriger. Zudem erfordert der Mittelformatsensor eine präzise Handhabung, die nicht unbedingt für spontane Schnappschüsse geeignet ist.

Ein mutiger Schritt mit Potenzial

Trotz der Kritikpunkte ist die GFX100RF ein faszinierendes Produkt, das zeigt, wie Fujifilm die Grenzen der Mittelformatfotografie verschieben möchte. Die Idee, die Bildqualität eines Mittelformatsensors in einem kompakteren Gehäuse anzubieten, ist zweifellos innovativ und könnte eine neue Zielgruppe ansprechen: Fotografen, die höchste Bildqualität suchen, aber nicht bereit sind, die Größe und das Gewicht traditioneller Mittelformatkameras in Kauf zu nehmen.

Die Kamera könnte besonders für Landschafts- und Studiofotografen interessant sein, die von der hohen Auflösung und dem Dynamikumfang profitieren, ohne auf Mobilität verzichten zu müssen. Auch für Porträtfotografen, die Wert auf eine herausragende Farbwiedergabe und Detailtreue legen, bietet die GFX100RF spannende Möglichkeiten.

Fazit: Zwischen Innovation und Herausforderung

Die Fujifilm GFX100RF ist ein mutiger Schritt, der zeigt, dass Fujifilm bereit ist, neue Wege zu gehen. Die Kombination aus Mittelformatsensor und kompakterem Gehäuse ist zweifellos beeindruckend und könnte eine neue Ära der Mittelformatfotografie einläuten. Laut der Gerüchteküche arbeiten auch Leica und Hasselblad an ähnlichen Konzepten. Doch die Kamera steht auch vor der Herausforderung, die Erwartungen einer klar definierten Zielgruppe zu erfüllen. Für Profis könnte sie zu wenig spezialisiert sein, während sie für Amateure zu groß und teuer bleibt.

Ob die GFX100RF ein Kassenschlager wird oder als ambitionierter Kompromiss in die Geschichte eingeht, wird letztlich davon abhängen, wie gut Fujifilm die Balance zwischen Innovation und Nutzerfreundlichkeit trifft. Eines ist jedoch sicher: Die Kamera wird die Diskussion über die Zukunft der Mittelformatfotografie weiter anheizen – und das ist an sich schon ein Erfolg.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

Kommentar

  1. Zu GFX100RF: Die Ausgangsblende 4 ist Hasselblad Oldtimern bestimmt noch bekannt. Das hat nie richtig gestört und wird es auch bei der GFX nicht ernsthaft tun. Unter 4 werden die Objektive größer und noch schwerer. Bei dem hier eingesetzten Objektiv dürfte 1/30 aus der Hand noch möglich sein. Wenn es richtig gut werden soll, muß die GFX, wie früher die Hasselblad auf ein Stativ. Ich habe das Zeug in der Nacht auf den Adams Peak und bei Fußsafaris im Krueger Park immer geschleppt. Die Dias auf FujiVelvia sind heute noch, projiziert mit einem Götschmann unübertroffen. Soll heißen: wer das Geld hat und die Schlepperei nicht scheut, hat auch was davon. Beste Grüße

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