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Autsch-Finger-Marketing: Samsung kontert „Crush“-iPad-Werbeclip

In meinem Blogbeitrag letzte Woche schrieb ich meine Meinung zur Empörung über die iPad-Pro-Werbung (Aufregung um den iPad-Pro-Werbespot). Jetzt hat Samsung mit einem eigenen Werbeclip darauf reagiert.

Ich bezeichne Samsungs Werbestrategie hier als Autschfinger-Marketing, weil sie sich an die Zielgruppe richtet, die sich über den „Crush“-Werbespot von Apple empörten. Unklar ist nur, warum die dann ein Samsung-Tablet kaufen sollten, das offenbar nur als Notenständer dienen kann … ;-) Autsch-Finger-Marketing: Samsung kontert „Crush“-iPad-Werbeclip
Ich bezeichne Samsungs Werbestrategie hier als Autsch-Finger-Marketing, weil sie sich an die Zielgruppe richtet, die sich über den „Crush“-Werbespot von Apple empörte. Unklar ist nur, warum die Adressaten dann ein Samsung-Tablet kaufen sollten, das offenbar nur als Notenständer dienen kann … 😉

Autsch-Finger-Marketing

Apple hatte sich für den (meiner Meinung nach gelungenen) Werbespot „Crush“ für das neue iPad Pro entschuldigt, weil sich viele Künstler durch die virtuelle Zerstörung der kreativen Werkzeuge vor den Kopf gestoßen fühlten. Das hatte ich ja bereits in meinem letzten Blogbeitrag thematisiert.

Samsung hat nun in einem eigenen Werbespot den heilenden Autsch-Finger von ET in genau diese Wunde der empörten Kreativen gelegt.

Szene aus Spielbergs Film „ET, der Außerirdische“, in der ET den verletzten Finger von Elliot mit seinem leuchtenden Autsch-Finger heilt. ;-). Autsch-Finger-Marketing: Samsung kontert „Crush“-iPad-Werbeclip
Szene aus Spielbergs Film „ET, der Außerirdische“, in der ET den verletzten Finger von Elliot mit seinem leuchtenden Autsch-Finger heilt. 😉

Hier das Video, falls Sie diesen – popkulturell gesehen – essenziellen Film tatsächlich nicht kennen sollten:

Samsungs Werbespot

Aber hier jetzt der Samsung-Werbespot:

Im Werbeclip betritt eine Frau einen Raum voller zerstörter Gegenstände, hebt eine kaputte Gitarre mit nur wenigen verbliebenen Saiten auf und spielt eine Melodie, die anscheinend als Notenblatt auf einem Samsung-Galaxy-Tablet dargestellt wird. Autsch-Finger-Marketing: Samsung kontert „Crush“-iPad-Werbeclip
Im Werbeclip betritt eine Frau einen Raum voller zerstörter Gegenstände, hebt eine kaputte Gitarre mit nur wenigen verbliebenen Saiten auf und spielt eine Melodie, die anscheinend als Notenblatt auf einem Samsung-Galaxy-Tablet dargestellt wird.

Hier der ganze Clip:

Samsung beendet den Clip mit der Aussage: „We would never crush creativity.“ (deutsch: „Wir würden niemals die Kreativität zerstören.“).

Als Titel/Hashtag nutzt Samsung statt „Crush“ (zerdrücken, zerquetschen, zerstören …) den Term „UnCrush“ – also das Gegenteil von Crush.

Das ist ja (eigentlich) das Gegenteil von etwas, das Apple eigentlich nie vermitteln wollte. Denn es ging ja (trotz des ungünstig gewählten Begriffs „crush“) gar nicht um das Zerstören von Kreativität, sondern um das Verdichten vieler kreativer Möglichkeiten zu/in einem neuen, sehr dünnen Gerät.

Aber gut, der Samsung-Clip vermittelt, dass man selbst mit einem suboptimalen Werkzeug (der verstimmten Gitarre ohne alle Saiten) noch Musik machen kann. DAS ist richtig und inspirierend. Und macht das „Aua-Autsch“ traditioneller Künstler wieder etwas „heile“.

Dementsprechend positiv fallen die Kommentare zu dem Clip aus.

Nun gut (#1).

Mein Problem mit dem Clip

Samsungs künstlerisch inspirierende Botschaft ist natürlich toll: Ein echter Künstler kann selbst mit bescheidenen Mitteln kreativ werden.

Aber aus Sicht eines Markenbotschafters würden da bei mir die Alarmglocken schellen: Denn das Samsung Galaxy Tab S9 ist im Videoclip doch nur ein schnöder Bildschirm! Es wird zu einem banalen Anzeigegerät für Notenblätter degradiert! Oh weia – ich würde mich als als potenzieller Werbungsglotzer fragen, ob das Gerät tatsächlich nicht mehr Funktionen beherrscht. Eine „Autsch-Finger“-Heilung im Werbeclip würde mich nicht zu einem Kauf des Geräts animieren.

Denn: Ein „echter“ Künstler, wie Wolfgang Amadeus Mozart, benötigte für seine fantastische und zeitlose Musik ja kein Tablet – sondern nur ausreichend Papier, Feder und Tinte. Wozu also ein elektronisches Tablet kaufen? Was will Samsung vermitteln – außer auf der „Kontroverse“ um den Apple-Werbespot mitzureiten?

So gesehen ist Samsungs Clip für mich zwar gut, aber aus werbesprachlicher Sicht ein Rohrkrepierer. Das scheint aber niemandem aufzufallen.

Nun gut (#2).


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Olaf Giermann

Olaf Giermann gilt heute mit 20 Jahren Photoshop-Erfahrung sprichwörtlich als das »Photoshop-Lexikon« im deutschsprachigen Raum und teilt sein Wissen in DOCMA, in Video­kursen und in Seminaren.

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7 Kommentare

  1. Den Facebook-Kommentar von Jürg Wolf von Facebook muss ich hier ergänzen:

    „Noch viel schlimmer: das Samsung-Notenblatt zeigt eine Tonleiter hoch und wieder runter an – aber die Dame mit der Gitarre spielt ja was ganz anderes…..
    Also nochmals ein „Autsch“ in die Werbeabteilung von Samsung: das Tablet taugt also nur als _ignoriertes_ Notenblatt….. ???
    Das ist einmal mehr „gut gemeint“ aber schlecht implementiert.“

    Das war mir gar nicht aufgefallen.

  2. Selbst für mich als Apple-User seit der Jugend ist deren Clip einfach Mist. Die Fähigkeit, die Kreativität und den Ausdruck der verschiedensten Künste zu verbinden, mit Zerstörung auszudrücken, ist höchst unglücklich. Etwas mehr Ehrfurcht vor in Jahrtausenden gewachsenen Dingen wie Musikinstrumente hätte Apple gut gestanden. Da ist Samsung, das „sein“ Instrument dem klassischen zur Seite stellt, indem es Noten anzeigt, deutlich zivilisierter.

    1. Ehrfurcht ist etwas Religiöses. Davon halte ich gar nichts.
      Ich kann ja verstehen, dass man den Apple-Clip falsch verstehen KANN. Denn visuell werden die virtuellen Instrumente ja tatsächlich zerstört. Nach dieser Sichtweise müsste man aber doch alle Metaphern wörtlich und böswillig interpretieren. So wie es Peta-Aktivisten bei der Sprache tatsächlich bereits tun Empörung über „ein Hühnchen rupfen zu haben“, „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, „Katze aus dem Sack lassen“, „Krokodilstränen vergießen“ usw. Dabei geht es bei alle dem – teil über Jahrhunderte gewachsenen Sprachgebrauch – gar nicht mehr um die Tiere oder tatsächlich allen bekannte, tatsächlich traurige Hintergründe („da steppt der Bär“).
      Und genauso ist der iPad-Werbeclip eben keine Ode an die Zerstörung, sondern eine visuell interessante Metapher für die vielen Möglichkeiten des iPads auf engstem Raum. In allem fast schon bösartige, unzivilisierte Intentionen zu sehen, ist für mich jedenfalls keine lebenswerte Weltsicht.

  3. Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, Ehrfurcht ausschließlich in religiösem Kontext erkennen zu wollen, ich kann Ihnen jedoch versichern, dass es nicht so ist. Wie traurig wäre dies.
    Es ist aber völlig unerheblich, ob die Instrumente virtuell oder real zerstört werden, es passt einfach nicht zu Apple und der Eleganz, die dem Unternehmen so wichtig ist. Ich bin überhaupt kein Freund der Empörungskultur, was Sie an anderer Stelle ja selbst auch statuieren, wundere mich aber über den Stellenwert, den die Empörung der Kritiker bei den Befürwortern hat. Die eine Seite lobt, die andere kritisiert eine Sache, aber sich über die Kritik aufzuregen ist doch verlorene Liebesmüh.
    Von einer „Ode an die Zerstörung“ sprach keiner, ich kann in dem Clip auch keine entdecken, ebenso keine bösartigen, unzivilisierten Intentionen. Lediglich einen missglückten Werbespot.
    Danken muss ich Ihnen trotzdem für den Begriff der Ode, der die Ehrfurcht in diesem Kontext wieder salonfähig macht. Gehen Begriffe mit lyrischem Hintergrund scheinen Sie ja keine Vorbehalte zu haben.

    1. Hat hier jemand Etymologyman gerufen? … „Ehrfurcht“ (das Wort gibt es erst seit dem 17. Jahrhundert) hat tatsächlich keinen besonderen Bezug zur Religion. Man kann beispielsweise Ehrfurcht vor einem gesellschaftlich Höherstehenden empfinden – was früher wohl verbreiteter war als es das heute ist –, oder vor Leistungen von Kunst, Architektur, Technik etc.. Schon das althochdeutsche „era“, von dem sich „Ehre“ herleitet, konnte so etwas wie „Ehrfurcht“ bedeuten, bezog sich aber wohl eher auf weltliche Herrscher als auf Götter.

      (Kulturpessimisten könnten anmerken, dass Ehrfurcht etwas mit der Erkenntnis „Das könnte ich nicht!“ zu tun hat, heute aber die – nicht immer gerechtfertigte – Ansicht „Das kann ich auch!“ vorherrscht, und Ehrfurcht daher seltener geworden ist.)

      1. Das ist wunderbar auf den Punkt gebracht, danke. Diese Überlegung macht mir auch deutlicher, warum genau ich den Clip missglückt finde: es ist tatsächlich der Mangel an oder die völlige Abwesenheit von Ehrfurcht, was die Botschaft bedenklich macht. Wenn es darum geht, auszudrücken, wie überzeugend das neue iPad die althergebrachten Werkzeuge gewissermaßen synthetisieren und vereinen kann oder der User ganz schlicht kaum mehr etwas herumschleppen muss, um kreativ sein zu können (was ja völlig legal ist, da führt m.E. Die Kritik ins Leere), hätte es viel mehr Apples Stil und Anspruch entsprochen, diese Instrumente, Erfindungen, Farben etc. z.B. in einer Kammer zu verstauen und mit dem iPad in der Hand die Tür zu schließen, oder irgendetwas anderes, sympathisch konnotiertes, was die Ehrfurcht im besten Sinne vor den Leistungen der Erbauer der Werkzeuge zeigt. Nanos gigantum humeris insidentes.

        Der Kern des Argumentes ist, Zerstörung ist immer das Ende eines Prozesses, und das will Apple mit Sicherheit nicht sagen.

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