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Canva Visual Suite 2.0: Sieht so eine Ansage an die Profi-Liga aus?

Kaum ein Name ist beim schnellen Online-Designs präsenter als Canva. Bislang oft belächelt als Werkzeugkasten für Social-Media-Grafiken und Präsentationen ohne tiefgreifende gestalterische Ansprüche, schickt sich das australische Unternehmen nun erneut an, die Grenzen zu verschieben. Mit der auf dem jüngsten ‚Canva Create 2025‚-Event vorgestellten ‚Visual Suite 2.0‘ zielt man unübersehbar auf professionellere Anwender und komplexere Arbeitsabläufe. Doch was bedeutet dieser Vorstoß konkret für Bildbearbeiter, Fotografen und Designer, die mit den Schwergewichten der Branche vertraut sind? Ist Canva bereit für die Profi-Liga, oder bleibt es der Champion der einfachen Designaufgaben? Die Ankündigungen auf der Hausmesse lassen zumindest aufhorchen und verdienen eine genauere Betrachtung aus der Perspektive anspruchsvoller Kreativschaffender.

Ambitionierte Pläne

Die jährliche Hausmesse ‚Canva Create‘ dient dem Unternehmen traditionell als Bühne für Produktneuheiten Auch 2025 bildete hier keine Ausnahme. Im Fokus stand die umfassende Weiterentwicklung der Plattform unter dem Namen ‚Visual Suite 2.0‘ Dies knüpft an die bereits im Vorjahr erkennbare Strategie an, Canva stärker im professionellen Umfeld und in Unternehmens-Workflows zu verankern. Die Präsentation ließ keinen Zweifel daran, dass Canva nicht länger nur als Tool für Gelegenheitsnutzer wahrgenommen werden möchte, sondern als integrierte Lösung für visuelle Kommunikation auf breiter Front. Man positioniert sich als zentrale Anlaufstelle, die den gesamten visuellen Gestaltungsprozess abdecken soll – eine Kampfansage, die man durchaus ernst nehmen könnte, auch wenn der Weg zur echten Professionalisierung steinig werden dürfte. Die schiere Marktdurchdringung und die finanzielle Potenz des Unternehmens verleihen solchen Ankündigungen allerdings Gewicht.

Visual Suite 2.0 – Kern der Offensive

Was verbirgt sich nun hinter der ‚Visual Suite 2.0‘? Den vollmundigen Ankündigungen zufolge handelt es sich um eine signifikante Erweiterung der bestehenden Werkzeuge, angereichert um neue Funktionen, die insbesondere auf Produktivität und die Integration von KI-Technologien abzielen. Man spricht von verbesserten Workflows, die den gesamten Prozess von der Idee bis zum fertigen visuellen Produkt begleiten sollen. Dazu gehören offenbar ausgebaute Möglichkeiten zur gemeinsamen Bearbeitung von Projekten in Echtzeit sowie neue Instrumente zur Handhabung verschiedener Medienformate – von statischen Grafiken über Videos bis hin zu interaktiven Präsentationen Besonderes Augenmerk scheint man auf KI-gestützte Funktionen gelegt zu haben, die Routineaufgaben automatisieren und neue gestalterische Wege auftun sollen.

Hier wird es spannend zu beobachten sein, inwieweit diese KI-Funktionen über simple Effektanwendungen hinausgehen und tatsächlich intelligente Unterstützung bei komplexeren Aufgaben bieten können – etwa bei der Freistellung, der Bildoptimierung oder gar der Generierung von Designvarianten. Details zu spezifischen Werkzeugen, etwa für fortgeschrittene Bildretusche, präzises Farbmanagement oder komplexes Vektorhandling, blieben in der allgemeinen Ankündigung zwar noch vage, doch die Stoßrichtung ist klar: Canva will Insellösungen durch eine allumfassende Plattform ersetzen und den Anwendern einen möglichst reibungslosen Durchlauf ihrer Projekte ermöglichen.

Die Relevanz für den Profi-Alltag

Für Fotografen und Bildbearbeiter, die tief in den Ökosystemen von Adobe oder Phase One verwurzelt sind, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem konkreten Nutzwert. Kann die ‚Visual Suite 2.0‘ spezialisierte Software ersetzen? Vermutlich nicht auf absehbare Zeit. Bereiche wie präzises Farbmanagement für den Druck, non-destruktive RAW-Entwicklung auf höchstem Niveau, komplexes Composing oder die feingliedrige Steuerung typografischer Details dürften weiterhin die Domäne etablierter Spezialisten bleiben.

Wo Canva jedoch punkten könnte, ist die Geschwindigkeit und Einfachheit bei der Realisierung von Projekten, die über das einzelne Bild hinausgehen. Die Integration von Design, einfacher Videobearbeitung und Präsentationswerkzeugen unter einem Dach, gepaart mit Kollaborationsfunktionen und einer wachsenden Zahl an KI-Assistenten, könnte Workflows beschleunigen – insbesondere dort, wo es um die schnelle Aufbereitung von Inhalten für digitale Kanäle, um die zügige Anfertigung von Layout-Varianten oder um die interne Abstimmung geht.

Die Herausforderung für Profis wird darin liegen, Canva als ergänzendes Werkzeug zu evaluieren: Nützlich für bestimmte Aufgabenbereiche wie Social Media Content, schnelle Prototypen, Moodboards oder interne Präsentationen, aber (noch) kein Ersatz für die Kernwerkzeuge der Bildproduktion und -veredelung. Die oft gepriesene einfache Bedienung einst vielleicht als Manko für Profis gesehen, könnte hier zum Vorteil werden, wenn es darum geht, standardisierte Designaufgaben effizient abzuwickeln oder Kollegen ohne tiefgreifende Designkenntnisse in bestimmte Prozesse einzubinden.

Ausblick: Evolution statt Revolution?

Ob dieser Vorstoß ausreicht, um im anspruchsvollen Profi-Segment nachhaltig Fuß zu fassen, bleibt abzuwarten. Die Integration von KI und die Betonung von Workflow-Effizienz sind zwar zeitgemäß und treffen den Nerv der Zeit, doch die Messlatte etablierter Profi-Anwendungen liegt hoch, insbesondere bei Detailkontrolle und Ausgabequalität. Für etablierte Kreativprofis lohnt es sich dennoch, die Entwicklung im Auge zu behalten – sei es als potenzielle Ergänzung im eigenen Werkzeugkasten, als Indikator dafür, wie sich die Landschaft der Kreativsoftware weiter verändert, oder schlicht als Herausforderer, der die etablierten Anbieter zu weiteren Innovationen antreibt. Die Evolution von Canva ist unübersehbar, eine Revolution im Profi-Segment steht aber wohl noch aus.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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