Für Standardzooms gibt es keinen Standard. Soll ihr Brennweitenbereich bei 24 oder 28 Millimeter anfangen? Soll er bei 50, 70 oder 105 Millimetern enden? Das neue Sigma-Objektiv 28–105 mm F2,8 DG DN | Art ist eine attraktive Option für mittlere Brennweiten. Michael J. Hußmann konnte es bereits in der Version für Sonys E-Mount ausprobieren.
Der Dreh- und Angelpunkt eines Standardzooms ist die Normalbrennweite, und sein Charakter hängt davon ab, ob sich sein Zoombereich weiter zu den kurzen oder den langen Brennweiten hin erstreckt. Wie viele andere andere Fotografen hatte ich mich einst für ein 24–70-Millimeter-Zoom entschieden und damit für einen Schwerpunkt im Weitwinkelbereich – ein solches Objektiv kann auf weniger als die Hälfte verkleinern, aber nur um 40 Prozent vergrößern. Ich stellte dann aber bald fest, dass der große Bildwinkel bei 24 Millimeter auch Probleme schuf: Je kürzer die Brennweite, desto mehr Sorgfalt erfordert die Bildkomposition, wenn keine stürzenden Linien oder andere perspektivische Verzerrungen entstehen sollen. Die 70 Millimeter am anderen Ende des Zoombereichs wiederum erschienen mir wenig mehr als eine längere Normalbrennweite.
Ein Zoom wie das Sigma 28–105 mm F2,8 DG DN | Art verschiebt den Schwerpunkt dagegen in den Telebereich, wo man 50 Prozent hinzu gewinnt und dafür nur 14 Prozent im Weitwinkelbereich aufgeben muss. Bei 28 Millimetern ist es ein noch problemlos einsetzbares Weitwinkel und bei 105 Millimetern ein echtes Teleobjektiv; es eignet sich damit für vielfältige Aufgaben von Landschaft bis Porträts. Zwar gibt es auch Zooms von 24 bis 105 Millimetern – Sigma hat ein solches Objektiv für DSLRs im Programm und Sony bietet eines für den E-Mount an –, nur muss man dann mit einer Lichtstärke von f/4 vorlieb nehmen, verliert also eine ganze Blendenstufe. Das 28–105 mm F2,8 DG DN, das für rund 1650 Euro in Versionen für Sony-Kameras mit E-Mount sowie für Sigma-, Leica- und Panasonic-Modelle mit L-Mount erhältlich ist, ist daher eine interessante Alternative zum klassischen 24–70-Millimeter-Standardzoom.
Das Glas macht den Unterschied
Für eine hohe Abbildungsleistung im gesamten Zoombereich sorgen 18 Linsen, mit denen das Objektiv ein knappes Kilo (995 Gramm) auf die Waage bringt. Darunter sind drei FLD- beziehungsweise SLD-Linsen mit geringer Dispersion
(also einer geringen Abhängigkeit der Brechkraft von der Wellenlänge) und fünf asphärische Elemente. Die Objektivrechnung gewährleistet eine knackige Schärfe in der Schärfenzone ebenso wie ein weiches Bokeh im Unschärfebereich. Ungewöhnlich ist die gerade Zahl der 12 Blendenlamellen, was zwar keinen Einfluss auf das Bokeh hat, aber auf die Blendensterne, die sich bei Gegenlichtaufnahmen mit kleiner Blende bilden. Jede Lamelle erzeugt zwei Zacken des Sterns, und da sich bei einer geraden Lamellenzahl jeweils zwei Lamellen exakt gegenüber liegen und sich ihre Zacken überlagern, sieht man nur so viele Zacken wie Lamellen, bei einer ungeraden Zahl dagegen doppelt so viele, die dafür weniger markant sind.
Im Fokus
Zur automatischen oder manuellen Scharfeinstellung werden die Linsen mit einem getriebelosen Linearmotor bewegt, der ebenso schnell wie leise arbeitet. In der L-Mount-Version des Objektivs kann man den Fokusring zwischen einer nicht-linearen oder linearen Übertragung der Drehung auf den Fokussiermotor umschalten – der eine Modus ist für eine schnelle Verschiebung des Fokus im Fotomodus, der andere für eine sanfte Schärfenverlagerung bei Videoaufnahmen ideal. Die Naheinstellgrenze liegt bei 40 Zentimetern; der größte Abbildungsmaßstab von 1:3,1 wird bei der längsten Brennweite erreicht. Der relativ große Abstand zum Motiv verhindert, dass man es beschattet; zudem unterschreitet man nicht die Fluchtdistanz vieler Tiere.
Ausstattungsdetails
Das 28–105 mm F2,8 DG DN entspricht dem von neueren Objektiven in Sigmas Art-Reihe gewohnten Standard. Der Blendenring, jahrelang zugunsten von Rändelrädern an der Kamera vernachlässigt und oft ganz weggefallen, ist mit erweiterten Features zurückgekehrt. Der Ring ist in seiner A-Position arretierbar – für die Blendenautomatik oder falls man doch die Rändelradsteuerung vorzieht –, und umgekehrt kann man bei der manuellen Blendenwahl auch eine versehentliche Aktivierung der Blendenautomatik verhindern. Die Rastung der Blendenstufen lässt sich für Videoaufnahmen ausschalten; die Blendenverstellung erfolgt dann leise und vor allem stufenlos. Im Videomodus ist eine Belichtungssteuerung über die Verschlusszeit ja nur stark eingeschränkt möglich, und ein sanftes Auf- oder Abblenden erfordert einen Blendenring ohne Klicks.
Zu den mittlerweile erwartbaren Ausstattungsdetails zählen auch doppelte frei belegbare AF-L-Tasten, denen im Kameramenü eine beliebige Funktion zugeordnet werden kann. Die beiden Tasten sind im Winkel von 90 Grad angeordnet, so dass sie der Finger immer an derselben Position findet, egal ob man nun im Quer- oder Hochformat fotografiert. Beim Transport am Kameragurt neigen Zoom-Objektive dazu, sich aufgrund der Schwerkraft in die Länge zu ziehen. Ein Zoom-Lock-Schalter verhindert diese unerwünschte Brennweitenverstellung, blockiert dabei aber nicht den Zoomring: Eine kräftige Drehung genügt, um die Verriegelung wieder herausspringen zu lassen.
Standardzooms sind die klassischen „Immer drauf“-Objektive, und ein Objektiv, das einen in allen Einsatzsituationen begleitet, darf nicht vor widrigen Witterungseinflüssen kapitulieren. Vor dem Eindringen von Wasser oder Staub schützen Dichtungen um alle Bedienelemente, und eine Gummilippe am Bajonett verhindert, dass Wasser zwischen Objektiv und Kamera eindringen kann.