Mining Photography
Die Fotografie bildet die Welt nicht nur ab, sondern verändert sie auch – und nicht immer zu deren Vorteil. Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst & Gewerbe beschäftigt sich mit dem ökologischen Fußabdruck der Bildproduktion.
Fotografische Prozesse, ob in der mehr als anderthalb Jahrhunderte langen analogen Ära oder der aktuell dominierenden Digitalfotografie, verbrauchen zunächst Rohstoffe und Energie und entlassen dann Schadstoffe in die Umwelt. Diesen oft ausgeblendeten Blickwinkel soll die Ausstellung Mining Photography – der ökologische Fußabdruck der Bildproduktion beleuchten, die heute im Museum für Kunst & Gewerbe (MK&G) eröffnet wird und noch bis zum 31. Oktober 2022 besucht werden kann. Danach wird sie in Österreich im Kunst Haus Wien und in der Schweiz im Gewerbemuseum Winterthur zu sehen sein.
Wer wie ich einst seine eigene Dunkelkammer hatte, erinnert sich vielleicht noch daran, wie der Silberpreis in den 1980er Jahren immer weiter stieg und verbrauchtes Fixierbad – das einige Gramm des aus den weißen Bildteilen ausgewaschenen Silbers enthielt – zum begehrten Recycling-Gut wurde. Silber ist aber nur der teuerste Rohstoff der Fotografie, und nicht der einzige problematische. Schon die Herstellung der fotografischen Grundmaterialien ist selten umweltfreundlich und die Arbeitsbedingungen nehmen oft wenig Rücksicht auf die Menschenrechte der Arbeiter. Neben den Metallen Kupfer (für Daguerreotypien) und Silber (für die bis heute praktizierte Silberhalogenidfotografie) gehören dazu Zellulose als Grundstoff für Fotopapier und Triacetat, das als Basis für Filmemulsionen dient. Bei ORWO in Bitterfeld-Wolfen wurde zu DDR-Zeiten beides hergestellt, und dieser Betrieb war mitverantwortlich für die massiven Umweltschäden, für die Bitterfeld berüchtigt war. Ein Video, in dem ein ehemaliger ORWO-Chemiker im Interview mit Kuratorin Esther Ruelfs über die damaligen Zustände berichtet, ist Teil der Ausstellung.
Die heutige Digitalfotografie hat die Produktionsbedingungen grundlegend verändert, aber deshalb noch nicht verbessert. Beispielsweise enthalten Digitalkameras wie fast alle elektronischen Geräte Seltene Erden, deren Vorkommen gar nicht mal so selten sind – aber sie werden fast ausschließlich dort abgebaut, wo menschliche Arbeitskraft billig und Arbeitssicherheit ein Fremdwort ist. Umweltschäden durch die Bergwerksbetriebe werden von den dortigen Regimes in Kauf genommen. Während Digitalbilder oft virtuell bleiben und nicht auf haltbare Medien gedruckt werden, verbraucht die Übertragung von Bilddaten im Internet viel Energie und erzeugt so einen größeren ökologischen Fußabdruck, als man sich gemeinhin vergegenwärtigt.
Mining Photography dokumentiert nicht nur in Schaubildern und Videos die materiellen Grundlagen der Fotografie von ihren Anfängen bis heute, sondern präsentiert vor allem vielfältige künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema. So hat Anaïs Tondeur zwei britische Klimaforscher*innen begleitet, die Ruß und Feinstaub über allen Teilen der britischen Inseln gemessen haben; Tondeur hat auf den Messflügen Ruß gesammelt und diesen als Druckpigment für ihre Fotos von dieser Expedition genutzt. Die interaktive Installation Terraformed Self von Studenten der Hamburger Hochschule für bildende Künste lädt mit Spiegeln zu Selfies ein, erfasst dann aber die Ausstellungsbesucher mit einer Kamera, erkennt Personen und deren Gesichter, und erinnert sie an den ökologischen Fußabdruck der Smartphone-Fotografie.
Wenn Sie eine Hamburg-Reise für den Besuch des MK&G nutzen, sollten Sie sich bei dieser Gelegenheit auch dessen aktuelle Fotoausstellung Präuschers Panoptikum mit Bildern von Herbert List (noch bis zum 18. September 2022) anschauen – und vielleicht einige der weiteren Ausstellungen im Rahmen der achten Hamburger Triennale der Photographie – wir hatten darüber berichtet.
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