
Selbstvergessene Tänzer, Modebilder mit Waffenaccessoires, dicke Engel auf Reisen, reiche Kinder auf Sylt oder Männer mit Phallussymbolen – die Bilderwelt der Nina Puri ist vielschichtig. Christoph Künne hat mit ihr über ihre KI-Erfahrungen gesprochen.
In der schier unerschöpflichen KI-Bilderflut bei Instagram stechen Nina Puris ungewöhnliche Bildserien heraus. Ihre – auf den ersten Blick etwas bizarr wirkenden – Motive sind anders, scheinen dennoch alltäglich. Sie wollen nicht perfekt sein, trotzdem erscheinen sie auf eine eigenartige Weise wahr. Und das, obwohl sie spätestens beim zweiten Blick ihren künstlich-intelligenten Ursprung nie ganz verbergen. Um hinter das Geheimnis dieser Bilder zu kommen, haben wir uns mit ihrer Schöpferin in Hamburg getroffen.
DOCMA: Sie sind eine hochdekorierte Werbetexterin und mehrfache Bestseller-Autorin. Was hat Sie zur Bild-KI gebracht?
Nina Puri: Als studierte Grafikdesignerin habe ich einen engen Bezug zu grafischen Themen. Beruflich bin ich in der Werbung bereits früh in Richtung Text abgebogen, weil Texter am Berufsanfang stärker in die konzeptionellen Überlegungen eingebunden waren als Grafiker. Und ich fand Konzeption schon immer am spannendsten.
DOCMA: Und die Grafik ist dann hinten heruntergefallen?
Nina Puri: Nicht direkt. Alle meine Konzepte konnte ich auch mit einem Haufen Skizzen visualisieren. Diese Liebe zu Bildern, die mit Texten in Verbindung stehen, hat mich vermutlich auch zu den ersten KI-Experimenten angeregt.
DOCMA: Genau wissen Sie es nicht?
Nina Puri: Nein, ich kann mich nur gut daran erinnern, dass ich recht früh mit Dall•E experimentiert habe. Anfangs faszinierte mich dessen etwas holziger Stil. Aber nach ungefähr einem Monat hatte ich genug davon und bin zu Midjourney übergelaufen. Da waren die Bilder dann nicht mehr so schräg, aber dafür berücksichtigten sie mehr von meinen Textvorgaben.
DOCMA: Wenn man wie Sie schon beruflich ein so ausdifferenziertes Verhältnis zur deutschen Sprache hat, ist es dann nicht besonders schwierig, die Nuancen ins Englische zu übertragen?
Nina Puri: (lacht) Vielleicht ist es das, aber mir als gebürtiger Engländerin fällt das nicht so auf – auch wenn ich in England nur neun Jahre lang gelebt habe.
DOCMA: Als ich Ihre Bilder zum ersten Mal sah, habe ich durch die Themenbearbeitung mit jeweils mehreren Motiven erwartet, es bei Ihnen mit einer Künstlerin zu tun zu haben.
Nina Puri: Das Gestalten in Serie ist vermutlich dem Kampagnen-Denken der Werbung geschuldet. Dort beweist unter anderem die mögliche Vielfalt von Variationen die Tragfähigkeit eines Konzepts. Da gibt es sicher eine Ähnlichkeit mit den für Künstler typischen Werkzyklen.
DOCMA: Wie würden Sie Ihre eigenen Arbeiten beschreiben?
Nina Puri: Mir liegt nicht daran, technisch bis ins letzte Detail ausgefeilte Bilder zu produzieren. In meinen Motiven entsteht die Wirkung eher durch die sinnhafte Verknüpfung von Bild und Text. Leider gehen die Texte zu den Bildern bei der Präsentation auf Instagram oft unter.
DOCMA: Was ist Ihre inhaltliche Zielsetzung?
Nina Puri: In der KI wimmelt es von Stereotypen – zum Beispiel, was Frauen- und Männerbilder angeht. Es gibt haufenweise Abbildungen von Frauen, die nichts machen außer da zu ein und gut auszusehen. Und Männer, die starke Macher sind. Ich möchte aber echte Wesen zeigen. Authentische menschliche Gefühle in all ihrer Vielfalt, Tragik und Komik aufgreifen und erzeugen, nicht nur Abziehbilder reproduzieren. Ich frage mich immer: Was ist das Wahre an einem bestimmten Thema? Was ist das wirkliche Gefühl, das hinter dem Bild steht? Kann man das erkennen und woran muss ich noch arbeiten, damit es klarer herauskommt?
DOCMA: Gibt es Hürden, auf die Sie beim Prompten regelmäßig stoßen?
Nina Puri: Die visuelle Perfektion, die bei statischen Motiven leicht erreichbar ist, verschwindet, wenn die Figuren auf den Bildern etwas Bestimmtes tun sollen. Und zwar immer mehr, je ungewöhnlicher die Kombination von Figur und Handlung ist. Nehmen wir zum Beispiel einen Marathonläufer, der strickt oder Kaffee trinkt. Auch eine Frau die Autoreifen wechselt, macht mehr Probleme, als eine Frau mit Katze auf einem Bett. Ohnehin ist es schwer, der KI halbwegs realistische Frauenfiguren abzuringen, ohne dass sie daraus harsche, übergewichtige oder alte Witzfiguren macht. Ich habe für mich die Formel entdeckt: Je weniger Klischees, desto schlechter die Details.
DOCMA: Sehen Sie im Prompten für sich selbst als Grafik-affine Texterin einen neuen Geschäftszweig?
Nina Puri: Beruflich bekomme ich erste Anfragen. Inzwischen laufen diese über meine Repräsentanz yesweprompt.de. Aber in der Praxis erweist es sich noch als etwas schwierig, wenn die Kunden und Kundinnen ganz konkrete, festgelegte Vorstellungen haben, denn so klare und präzise Umsetzungen wie mit Fotografie, Photoshop und CGI kann man mit KI bisher nicht erreichen. Manches lässt sich heute einfach noch nicht zuverlässig prompten, Looks sind möglich, aber nicht unbedingt in jedem Detail vorhersehbar. Es ist eher so ein wenig wie früher, als die Vorgaben bei Kampagnen weniger präzise waren und die Freiheit der Ausführenden größer. Wer KI-Jobs beauftragt, muss also viel mehr experimentelle Bandbreite zulassen. Das birgt die Chance auf kreativeres Arbeiten.
DOCMA: Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Blick in die Glaskugel werfen: Welche Zukunft prognostizieren Sie den Kreativen?
Nina Puri: Ersetzt werden vor allem die 08/15-Sachen und damit die Kreativen, die sich vor allem als Auftragnehmer sehen. Diejenigen, die eigene Ideen haben, können in der KI einen Sparringspartner finden. Einen, der allzeit bereit ist und beim Ping-Pong zwischen der ersten Idee und der finalen Auswahl aus dem Berg der entstandenen Variationen hilft. Meist sagen die Bilder-Feeds von KI-Kreativen ähnlich viel über ihre Persönlichkeit aus wie Playlists oder ein Bücherregal. Die einen (re-)produzieren Klischees ohne eigene Note, die anderen entwickeln aus den Möglichkeiten einen eigenen Stil. Gewinnen werden am Ende die, deren Arbeiten man länger folgen will.
DOCMA: Vielen Dank für das offene Gespräch
NINA PURI
… ist freie Texterin, Kreativdirektorin, Autorin, Dozentin, Diplom-Grafikdesignerin, Mitglied im Art Directors Club Deutschland und arbeitet seit vielen Jahren für Agenturen, Verlage und Direktkunden. Sie hat viele Peise gewonnen – unter anderem Cannes Lions, D&AD, The New York Festivals und ADC Germany, Bislang sind sieben Bücher von ihr zu sehr unterschiedlichen Themen erscheinen, darunter einige Bestseller.
Mehr Infos: www.ninapuri.de