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Eine andere Wellenlänge

Infrarotfotografie fasziniert mit märchenhaften bis gespenstischen Bildwirkungen, die sich durch nachträgliche Bearbeitung normaler Aufnahmen nicht ohne Weiteres simulieren lassen. Bernd Kieckhöfel stellt Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für diese Aufnahmetechnik vor.

Das fürs menschliche Auge sichtbare Licht hat eine Wellenlänge von 400 bis 700 Nano­­meter. Wird das sichtbare Licht mittels Filter unterdrückt, entstehen Infrarotaufnahmen: unwirklich weiß leuchtendes Blattwerk, schwarzer Himmel mit Dramawolken bei Sonnenschein oder komplett verfälschte Farben mit eigenwilligen Kontrasten. Für Fotos von Menschen ist diese Aufnahmetechnik eher ungeeignet, weil die Haut unnatürlich bleich wirkt.

Der Wood-Effekt, benannt nach dem gleichnamigen Physiker, beschreibt das Phänomen strahlend weißer Pflanzenteile: Eine Totalreflexion im Infrarotbereich, für die das Wasser in den Zellen ursächlich ist. Am stärksten ausgeprägt erscheint der Effekt vom Frühjahr bis weit in den Sommer hinein.

In der Fotografie ist das Infrarot­spektrum normalerweise nicht er­-

wünscht und wird durch einen IR-Sperrfilter weitgehend vom Sensor ferngehalten. Die Stärke des Filters fällt je nach Hersteller unterschiedlich aus.

Ob sich die eigene Kamera für Infrarotaufnahmen eignet, zeigt der Test mit einer IR-Fernbedienung. Die eingeschaltete Kamera wird auf die Vorderseite des Geräts ausgerichtet. Leuchtet die dort montierte IR-Leuchtdiode beim Druck einer Taste der Fernbedienung im Display auf, lässt sich die Kamera mit einem zusätzlichen Vorsatzfilter für die Infrarotfotografie nutzen.

Vorsatzfilter

Ein vor das Objektiv gesetzter Filter sperrt einen mehr oder weniger großen Teil des sichtbaren Lichts aus, während der Infrarotanteil passieren darf. Doch der IR-Sperrfilter reduziert das Infrarotlicht und auf dem Sensor kommt nur noch wenig an. Daher werden die Belichtungszeiten lang. Und alles, was sich währenddessen im Bild bewegt, wird verwischt dargestellt. In den meisten Fällen ist ein Stativ erforderlich, denn vor dem Aufsetzen des Filters müssen Bild­gestaltung und Fokussierung stimmen – danach bleibt der DSLR-Sucher dunkel. Ob elektronische Sucher spiegelloser Systemkameras etwas erkennen lassen, hängt vom verwendeten Filter ab. Der Autofokus funktioniert in der Regel auch hier nicht mehr.

Geeignete Filter kosten je nach Durchmesser 50 bis 100 Euro. Eine Infrarotdurchlässigkeit um 700 nm eignet sich für Schwarzweiß-Aufnahmen und Farbexperimente durch Kanaltausch in Photoshop. Werte darunter lassen mehr sichtbares Licht durch und bieten daher ein breiteres Farbspektrum. Ab 850 nm wird Tageslicht vollständig ausgefiltert.

Kamera-Umbau

Wesentlich komfortabler ist das Fotografieren mit einer für Infrarotaufnahmen umgebauten Kamera. Der IR-Sperrfilter wird gegen einen Infrarotfilter mit der gewünschten Grenzfrequenz ausgetauscht. Die oben genannten Werte gelten auch hier. Eindeutiger Umbau-Vorteil: Die Kamera arbeitet wie gewohnt. Alles ist jederzeit im Sucher sichtbar, der Autofokus funktioniert und die Belichtungszeit richtet sich nach den Lichtverhältnissen. Entsprechend kurze Zeiten erlauben Freihandaufnahmen und scharfe Abbildungen bewegter Dinge. Eine weitere gute Nachricht: Die Kamera muss weder neu noch topaktuell sein. Für ältere Modelle ist ein Umbau bereits ab 230 Euro zu haben, für brandneue werden bis zu 600 Euro fällig.

In Deutschland ansässig sind die Firmen DSLR-Astrotec, IRrecams und Optik-Makario. Erstere hat sich auf den Umbau digitaler Spiegelreflexkameras spezialisiert. Zu einem Umbau gehört auch die Autofokus-Kalibrierung für das neue Lichtspektrum. Dennoch können objektivspezifische Backfokus-Probleme auftreten, die über Kameraeinstellungen ausgeglichen werden müssen. DSLM-Umbauten sind auch hier unproblematisch.

Geeignete Objektive

Fotooptiken sind für die Verwendung im sichtbaren Lichtspektrum optimiert. Im Fokus stehen gute Abbildungsleistungen hinsichtlich Schärfe und Kontrast. In der Infrarotfotografie ist nur noch ein Teil dieser Bemühungen bedeutsam, auch ausgeklügelte Oberflächenvergütungen verlieren viel von ihrer Wirkung.

Grundsätzlich zeigen Infrarotaufnahmen leichte Schärfeverluste. Sie sind zum Bildrand hin – und bei extremen Weitwinkelobjektiven am deutlichsten – erkennbar. Weil Beugungsunschärfe im IR-Licht früher einsetzt, lässt sich die Schärfe durch Abblenden nur in Grenzen steigern.

Mögliche Bildfehler sind kaum vorhersagbar, da es auf das Zusammenwirken von Kamera, Objektiv und IR-Filter ankommt. Manche Objektive erzeugen mitunter sogenannte Hotspots. Das sind helle Flecken im Bild, die sich nicht oder nur bedingt bei der Bildbearbeitung kaschieren lassen. Unabhängig davon, welches Objektiv zum Einsatz kommt, eine Streulichtblende ist immer nützlich und direktes Gegenlicht sollte vermieden werden.

Das unbearbeitete Titelbild zeigt einen ­typischen Rotstich und flache Kontraste.
Das unbearbeitete Titelbild zeigt einen ­typischen Rotstich und flache Kontraste.

Erfahrungswerte

Ich nutze seit 2015 eine von IRrecams mit einem 700-nm-Filter bestückte Olympus PEN E-PM1 mit 12 Megapixel Auflösung. Der universelle Filter ist prädestiniert für Schwarzweiß-Ausarbeitungen und ermöglicht ansatzweise Zugang zum Falschfarben-Spektrum. Als bester Kompromiss hat sich das Objektiv Lumix-Zoom G Vario 14-42/3.5-5.6 von Panasonic erwiesen.

Optisch überzeugt auch ein Olympus M.Zuiko 12-40/2.8. Nur Maße und Gewicht des Objektivs harmonieren nicht mit dem zierlichen PEN-Body. In dieser Hinsicht schneidet das Lumix G Vario 12-60/3.5-5.6 besser ab, lässt aber im Weitwinkelbereich Randschärfe vermissen. Das gilt noch ausgeprägter für das Olympus M.Zuiko 9-18/4-5.6. Auch die Abbildungsleistung der Panasonic Festbrennweite 14/2.5 enttäuschte, das 20/1.7 schlägt sich etwas besser. Doch das simple Lumix-Zoom deckt diese Brennweiten ebenfalls ab und seine moderate Lichtstärke liefert, um eine Stufe abgeblendet, die besseren Ergebnisse für meine IR-Fotografie.

Aufnahmeparameter

Das Raw-Format bietet neben dem größeren Spielraum bei der Bildbearbeitung die Möglichkeit, den Weißabgleich nachträglich zu manipulieren. Für JPEG-Aufnahmen muss ein manueller Weißabgleich definiert werden, entweder mit einem weißen Blatt Papier oder einer grünen Wiese in der Sonne. Einige Probeaufnahmen mit einem Blick aufs RGB-Histogramm sind ebenso empfehlenswert wie Experimente mit dem Weißabgleich bei Raw-Aufnahmen.

Die Nachbearbeitung von Infrarotaufnahmen eröffnet bunte Spielräume.
Die Nachbearbeitung von Infrarotaufnahmen eröffnet bunte Spielräume.

Nachbearbeitung

Unbearbeitete Infrarotaufnahmen zeigen einen rötlichen Farbstich und flaue Kontraste. Zur Entwicklung kursieren unzählige „Rezepte“.

Für kontrastreiche Schwarzweiß-Bilder bieten bereits die Werkzeuge der Lightroom-Grundeinstellungen alles Nötige. Kreative Farbmanipulati­onen ermöglicht Photoshop mit dem Kanalmixer. Da eine realistische Farbwiedergabe weder vorgesehen noch möglich ist, mag als Leitlinie ein Satz von Wilhelm Busch dienen: „Was beliebt, ist auch erlaubt“.

Links zu Firmen und Produkten: www.docma.info/22195


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Bernd Kieckhöfel

Bernd Kieckhöfel hat einige Jahre für eine lokale Zeitung gearbeitet und eine Reihe von Fachartikeln zur Mitarbeiterführung veröffentlicht. Seit 2014 schreibt er für Fotoespresso, DOCMA, FotoMagazin sowie c't Digitale Fotografie.

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