BücherMagazin

Schwarzweiß-Fotografie

Von Sachbüchern erhofft sich der Leser Antworten auf konkrete Fragen, und in dieser Reihe befragt Michael J. Hußmann Fachbücher dazu, welche Antworten sie geben können. „Schwarzweiß-Fotografie“ widmet sich der ältesten Variante der Fotografie überhaupt.

Foto: André Giogoli. Schwarzweiß-Fotografie
Foto: André Giogoli

Die Schwarzweiß-Fotografie ist ein Phänomen. Obwohl manche schon vor mehr als hundert Jahren auch in Farbe fotografierten und der Farbfilm bereits in den 1930er Jahren erfunden wurde, ist die Schwarzweiß-Fotografie nicht verschwunden. Während sich die Farbe bei Film und Fernsehen unaufhaltsam durchgesetzt hat, konnte sich die Schwarzweiß-Fotografie bis heute als eigenständige Gattung halten, woran auch die Digitalisierung nichts geändert hat. Auch Smartphones bieten durchweg verschiedene Schwarzweiß-Umsetzungen als Filter an.

Zur Schwarzweiß-Fotografie gehört allerdings mehr, denn der Fotograf, der sich ernsthaft darauf einlässt, sollte schwarzweiß sehen lernen, um schon vor dem Druck auf den Auslöser zu wissen, wie sich die Farben des Motivs als Graustufen im Bild zeigen werden. André Giogolis Fotoschule setzt hier an und erklärt alle Schritte von der Gestaltung über die analoge und digitale Aufnahmetechnik bis zum Druck. Wir befragen das Buch zu diesen Themen, und es antwortet mit der Stimme seines Verfassers.

Wie kann man das monochrome Sehen üben?

Fast alle digitalen Kameramodelle lassen sich in einen Schwarzweiß-Modus umschalten. Das Vorschaubild auf dem Display wird dann schwarzweiß angezeigt. Im Menü können oft auch Farbfilter simuliert werden oder sogar, wie zum Beispiel bei den Kameras von Fujifilm, die charakteristische Bilddarstellung bestimmter analoger Filme (1, 2).

Bei der Fujifilm GFX 50R können Sie als Filmsimulation 1 neben klassischen Farbfilmen auch die Charakteristik eines Acros-Films 
mit gleichfalls simulierten Farbfiltern wählen 2. Schwarzweiß-Fotografie
Bei der Fujifilm GFX 50R können Sie als Filmsimulation 1 neben klassischen Farbfilmen auch die Charakteristik eines Acros-Films
mit gleichfalls simulierten Farbfiltern wählen 2.

Während das monochrome Bild als JPEG gespeichert wird, bleibt die Raw-Datei farbig. Die Tonwertumsetzung der generierten JPEG-Dateien ist zwar kaum zu beeinflussen, aber dank der Raw-Datei haben Sie in der Postproduktion noch jede Möglichkeit, die Helligkeit der Grauwerte anzupassen. Speichern Sie Ihre monochromen Bilder also unbedingt immer auch im Raw-Format ab. Die JPEG-Datei hilft Ihnen, Ihr Sehen in Schwarzweiß bereits durch das Vorschaubild zu schulen, und die Raw-Datei rettet alle möglichen Variablen inklusive der Farbe in Ihre Bildbearbeitung.

Gibt es rein monochrome Digitalkameras?

Es gibt drei Kameras, die reine Schwarzweiß-Sensoren nutzen. Sie verzichten auf die Farbfilter vor dem Sensor, wodurch für jedes Pixel die echten Helligkeitsinformationen vorliegen, aus denen direkt ein Schwarzweiß-Bild entsteht. Es gibt keine die Schärfe und Detailwiedergabe negativ beeinflussenden Faktoren mehr. Im Programm von Leica finden sich zwei Kameras, die Messsucherkamera M10 Mono­chrom mit 40 Megapixeln (3) und die Kompak­tkamera Q2 Mono­chrom mit einem 47-Megapixel-Sensor. Phase One bietet mit dem IQ4 Achromatic ein digitales Rückteil für Mittelformat- und Fachkameras an, bei dem kein Infrarot-Sperrfilter eingebaut ist, so dass mit entsprechenden Filtern Infrarotaufnahmen möglich sind.

Die Leica M10 Monochrom ist die einzige digitale Sucherkamera, die ausschließlich Schwarzweiß-Bilder aufnehmen kann. Foto: Leica. Schwarzweiß-Fotografie
Die Leica M10 Monochrom ist die einzige digitale Sucherkamera, die ausschließlich Schwarzweiß-Bilder aufnehmen kann. Foto: Leica

Wie unterscheiden sich Rauschen und Korn?

Eine lichtempfindliche Filmemulsion besteht aus übereinanderliegenden Schichten von Silberhalogenidkristallen. Durch die Belichtung werden aus den negativ geladenen Halogenid-Ionen Elektronen freigesetzt, die positiv geladene Silberionen zu Silberatomen reduzieren. Diese bilden die Entwicklungskeime, die den Entwickler dazu veranlassen, den Silberhalogenidkristall komplett in schwarzes, metallisches Silber zu verwandeln. Ein Kristall muss von mindestens vier Photonen getroffen werden, damit ein Entwicklungskeim entsteht, und je größer die Kristalle und je gröber daher das Korn ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie von den benötigten Photonen getroffen werden. Digitalkameras bieten im Gegensatz zu den mit Film bestückten Kameras die Möglichkeit, den ISO-Wert zu variieren. Durch einen höheren ISO-Wert und die damit verbundene Signalverstärkung wird aber auch das Rauschen verstärkt. Ein digitales Bild besteht aus regelmäßig in einer Ebene angeordneten, quadratischen Pixeln, und ein starkes Bildrauschen wird aufgrund der gleichförmigen Pixelstruktur als störender empfunden als die unregelmäßige, chaotische Kornstruktur der in der Tiefe gestaffelten Silberkristalle in einer Filmemulsion (4).

Der steil aufragende Felsen bietet die ganze Palette der Graustufen. Der Ausschnitt zeigt das Korn des Kodak Tri-X-Films mit ISO 400. Foto: André Giogoli. Schwarzweiß-Fotografie
Der steil aufragende Felsen bietet die ganze Palette der Graustufen. Der Ausschnitt zeigt das Korn des Kodak Tri-X-Films mit ISO 400. Foto: André Giogoli

Muss der Bildschirm für Schwarzweiß-Bilder kalibriert werden?

Damit Ihre bearbeiteten Bilddateien auf anderen Monitoren oder als Ausbelichtung ebenfalls so aussehen, wie von Ihnen gewünscht, sollten Sie auch bei Schwarzweiß-Motiven mit einem farb-, helligkeits- und kontrastkalibrierten Monitor arbeiten. Denn gerade in den Grauwerten sehen Sie geringste Farbfehler. Farbstiche auf dem Bildschirm machen sich dort deutlicher bemerkbar als in einem ohnehin schon „bunten“ Foto, und die Feinheiten der von Ihnen herausgearbeiteten Helligkeitsabstufungen machen schließlich erst den Reiz einer monochromen Fotografie aus.

André Giogoli: Schwarzweiß-Fotografie – Die große Fotoschule
Rheinwerk Verlag, 2023
339 Seiten, gebunden
49,90 Euro

www.rheinwerk-verlag.de/5685

Zeig mehr

Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

Ähnliche Artikel

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu schreiben.

Das könnte Dich interessieren
Close
Back to top button