Kleines Kraftpaket OM-D E-M5 Mark II
Es gibt nur eine Handvoll Kameras, die sich unter widrigen Umweltbedingungen in der freien Wildbahn ebenso wie im Studio bewähren, und – wenn es darauf ankommt – mit 40 oder gar 64 Megapixeln in die Domäne des Mittelformats vorstossen wie diese Olympus-Kamera, ein kleines Kraftpaket OM-D E-M5 Mark II. Sie soll weit mehr leisten, als ihre kompakten Abmessungen vermuten lassen. Michael J. Hußmann hat sich das neue Micro-Four-Thirds-Modell genauer angeschaut und mit dem Fotografen Klaus Bossemeyer gesprochen, der bereits über Praxiserfahrungen damit verfügt.
Klaus Bossemeyer reist gerne mit leichtem Gepäck, aktuell meist mit der Olympus OM-D E-M5 Mark II und einer überschaubaren Auswahl an Objektiven. Dieselbe Kamera setzt er aber auch im Studio ein, der vermeintlichen Domäne von Kleinbild- und Mittelformatkameras.
Das Micro-Four-Thirds-Modell für rund 1100 Euro wirkt neben den Boliden zierlich und wiegt betriebsbereit nur ein knappes Pfund, aber für Bossemeyer ist es ein Arbeitspferd, das bei Bedarf auch über die Rennbahn fliegen kann.
Gegen raue Umweltbedingungen ist das Kameragehäuse ebenso wie viele der Systemobjektive abgedichtet. Der 3-Zoll-Monitor, der im Gegensatz zum Vorgängermodell nun um zwei Achsen dreh- und schwenkbar ist, lässt sich auch zur Kamera hin einklappen – sei es als zusätzlicher Stoßschutz oder weil man ohnehin mit dem 2,4 Millionen Bildpunkte auflösenden Sucher arbeitet, der dank einer 0,74-fachen Vergrößerung (bezogen auf das Kleinbildformat) ein sehr großes Bild zeigt. Klaus Bossemeyer meint, dass das Sucherbild räumlicher wirkt, während das Display besser für die zweidimensionale Bildkomposition geeignet sei, weshalb er das Monitordisplay in der Praxis oft vorzieht.
Wie alle aktuellen OM-D-Modelle unterstützt die E-M5 Mark II den Live-Composite-Modus bei Langzeitbelichtungen (siehe DOCMA 62, Seite 102 f.), in dem eine Folge von Belichtungen adaptiv miteinander verrechnet wird. Hierfür bieten sich künstlerische Anwendungen an, aber wie Bossemeyer erklärt, kann dieser Modus auch in der Praxis des Profifotografen nützlich sein. Beispielsweise wird damit die gezielte Ausleuchtung größerer Szenen mit einer beweglichen Lichtquelle wie einer Taschenlampe möglich, mit der man jedes Detail individuell modelliert, während das Kameradisplay den Fortschritt der Langzeitbelichtung zeigt. Die Verrechnung der Einzelbelichtungen berücksichtigt nur die jeweils hellste Belichtung und verhindert so, dass sich überlappende Lichtspuren zu einer Überbelichtung addieren.
5-Achser
Wenn die Kamera in der Hand des Fotografen wackelt, dann wackelt auch das Bild. Der Sensor der OM-D E-M5 Mark II ist allerdings beweglich und wird dem Bild nachgeführt – so als würde man die Zielscheibe auf den anfliegenden Pfeil ausrichten, damit der Bogenschütze immer ins Schwarze trifft. Olympus’ 5-Achsen-Stabilisator gleicht nicht nur Drehungen um die Kipp- und Schwenkachse aus, wie es Systeme mit beweglichen Linsen tun, sondern auch Drehungen um die optische Achse – der Sensor dreht sich dann mit. Auch Verschiebungen in der Waage- und Senkrechten werden kompensiert, was insgesamt fünf stabilisierte Achsen ergibt.
Nach den Testkriterien des CIPA-Standards sollen gegenüber der unstabilisierten Kamera 32 mal längere Belichtungen möglich sein. Bossemeyers Kunden schätzen es, dass ihm Porträt-Aufträge schneller von der Hand gehen, weil er dank Bildstabilisator auf ein Stativ verzichten kann.
Kleines Kraftpaket OM-D E-M5 Mark II: Superresolution
Erstmals in diesem Modell hat der bewegliche Sensor noch eine zweite Aufgabe. Im Modus für hochauflösende Aufnahmen nimmt die Kamera acht Bilder auf, zwischen denen sie den Sensor um jeweils eine halbe Pixelgröße waagerecht oder senkrecht verschiebt, um daraus ein Bild mit vergrößerter Auflösung zu berechnen. Die so erzeugten JPEGs haben 40, Raw-Dateien sogar 64 Megapixel – das Vierfache der Sensorauflösung.
Diese wundersame Pixelvermehrung ist keine Trickserei, sondern beruht auf zwei Prinzipien: Durch die Verschiebung des Sensors zwischen den Aufnahmen wird jeder Bildpunkt von rot-, grün- und blauempfindlichen Pixeln abgetastet, so dass die Kamera keine Farbinformationen interpolieren muss; das allein erhöht bereits die Schärfe. Weil der Sensor dabei nicht in ganzen, sondern halben Pixelschritten verschoben wird, ist die Abtastung horizontal wie vertikal doppelt so genau, und das Ergebnis der Verrechnung aller Bilder ist eine vervierfachte Megapixelzahl.
Die vergrößerte Auflösung fordert die Objektive heraus, aber das Standardzoom 12–40 mm Pro 1:2,8 beispielsweise liefert laut Bossemeyer ausgezeichnete Resultate, was sich auch in meinen Tests bestätigte. Auf ein auflösungsminderndes Tiefpassfilter vor dem Sensor hat Olympus verzichtet. Dennoch entsteht kein Farbmoiré, da im hochauflösenden Modus keine Farben interpoliert werden. Die Verrechnung der acht Einzelbilder reduziert zudem noch das Rauschen, weshalb es schade ist, dass die ISO-Skala im hochauflösenden Modus nur bis 1600 statt sonst 25600 reicht. Sie können allerdings gezielt unterbelichten und das Ergebnis im Raw-Konverter pushen.
Obwohl die Einzelbilder in hoher Frequenz aufgenommen werden, duldet dieser Modus keinerlei Bewegung von Kamera oder Motiv, und auch die Lichtquelle darf sich nicht bewegen, wie Klaus Bossemeyer festgestellt hat. Andernfalls entstehen Artefakte, die einer Schraffur ähneln. Mit der auf ein Stativ montierten Kamera sind dann aber sehr hoch aufgelöste Architektur-, Produkt- oder Landschaftsfotos möglich, die sich mit Mittelformataufnahmen messen lassen können. Falls sich einmal Artefakte zeigen, empfiehlt Bossemeyer, diese Stellen mit Rückgriff auf das normal aufgelöste Bild zu retuschieren, das die Kamera im Raw-Modus zusätzlich speichert.
Angesichts der aktuellen Diskussionen über die Sinnhaftigkeit von 50-Megapixel-Sensoren in Kleinbildkameras entbehrt es nicht der Ironie, wenn sich das oft unterschätzte Micro-Four-Thirds-System nun 40 und 64 Megapixeln gewachsen zeigt.
„…mit 40 oder gar 64 Megapixeln in die Domäne des Mittelformats vorstößt…“
Seit wann sind den die Megapixel ein Indikator fürs Mittelformat? Der Vorteil von MF Kameras liegt doch im viel grösseren Sensor und der damit verbundenen Vorteile (grössere Pixel, Bildwinkel, hoher Dynamikumfang u.s.w.) und den Objektiven so wie dem Zentralverschluss und nicht in der schieren Auflösung. Die 5Ds/r ist ja das beste Beispiel das es mit der Auflösungen eben nicht getan ist.
Die Multishot Option ist ja auch nicht Neues die ist im MF ja schon seit einem Jahrzehnt verbreitet.
Ich ziehe jede 22MP MF Kamera einer KB mit 50MP oder eine MFT mit 64MP vor. Willkommen im völlig sinnbefreiten Wahn nach immer mehr Megapixel (und ISO-Empfindlichkeit). Megapixel sind wohl das neue Statussymbol – früher war es mal der Porsche in der Einfahrt, heute ist es die Kamera, nur bleiben die Bilder auch mit mehr MP meist völlig aussagefrei und fotografisch schlecht umgesetzt, aber Hauptsache ISO 4 Millionen und 100MP auf dem Sensor.
„…nur bleiben die Bilder auch mit mehr MP meist völlig aussagefrei und fotografisch schlecht umgesetzt…“
Aha, sehr interessanter Gedanke. Da bleiben ja nur Suleica S2 oder Hasselblöd aber da steht ja dann schon wieder der Porsche in der Einfahrt.
Lobenswert wie heldenhaft VF Verfechter in allen Foren ihre Mehrausgaben auch mit Pauschal- und Vorurteilen zu untermauern versuchen.
Einem guten Bild sind MP und Sensorgröße ziemlich wurscht.
„Einem guten Bild sind MP und Sensorgröße ziemlich wurscht“
MP ganz klar ja, Sensorfarmat (wenn du schon mal mit einer Grossformat gearbeitet hast:) nein, ansonsten, für alle die das nicht kennen, ja.
Vorurteile habe nur die, welche die Unterschiede nur vom Hörensagen kennen (gilt in beide Richtungen).
PS: So wegen Porsche in der Einfahrt: alte MF Kameras gibts mit DigiBack als Gebrauchtkameras schon zum Preis einer neue 5Ds/r, es muss ja keine neu sein (Achtung die haben meinst keinen P(rofi)-Modus und damit kann man halt beim Nachbar/im Netz nicht angeben…)
Für die 64MP-Raw-Dateien braucht man dann auch das „Olympus High Res Shot Raw File Photoshop Plug-in“, das sich nach der Installation in PS (CS5 und neuer) über Datei->Importieren anbietet.
Einfach nur das ORF über ACR einlesen reicht nicht – die Bilder werden im Vergleich merklich unschärfer.
(Mglw. weil nur die erste der acht Raw-Dateien eingelesen wird?)