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Interview mit einem Buch: Objektfotografie

Interview mit einem Buch: Objektfotografie

Von Sachbüchern erhofft sich der Leser Antworten auf konkrete Fragen, und in dieser Reihe befragt Michael J. Hußmann Fachbücher dazu, welche Antworten sie geben können. „Objektfotografie – Die große Fotoschule“ führt in die Fotografie unbelebter Motive und speziell in die Produktfotografie ein.

Folgt man dem Autor Jürgen Herschelmann, ist die Objektfotografie vor allem das Metier ruhiger und introvertierter Fotografen: „Während Sie sich im Bereich Modefotografie mit Menschen auseinandersetzen müssen, sind Objekte eher still, obwohl ich durchaus schon bei dem einen oder anderen Objekt meinte, gewisse Starallüren feststellen zu können.“ Das Buch behandelt die wichtigsten Bereiche der Objektfotografie wie Flatlays, Close-ups oder (ausnahmsweise) auch Inszenierungen mit einem Model. Interviews mit Fotografen, die sich auf Themen wie die Food- oder Autofotografie spezialisiert haben, runden die umfassende Darstellung ab. Die Objektfotografie stellt besondere Anforderungen an das Arrangement der Motive und die Lichtsetzung, um Formen und Materialien herauszuarbeiten. Wir befragen zu diesen Themen das Buch, und es antwortet mit der Stimme seines Verfassers.

Wie sollte ein Studio für die Objektfotografie aussehen?

Der Raum sollte verdunkelbar sein, einerseits um Mischlichtsituationen mit Farbsticheffekt zu vermeiden, andererseits um die Wirkung des von dem Beleuchtungskörper auf das Objekt geworfenen Lichts besser beurteilen zu können. Für ein Objekt in der Größe eines Ein-Liter-Milchkartons brauchen Sie eine Aufnahmefläche von etwa einem Meter Breite und zwei Meter Tiefe. Dazu kommt der Platz für Lampenstative mit circa einem Meter rund um den Aufbau herum, bei Verwendung eines 50–100-Millimeter-Objektivs wird in diesem Bereich auch das Kamerastativ stehen. Diese Fläche ist das Minimum für ein Objektfoto, denn es gilt die Regel, dass das Licht laufen soll. Damit ist gemeint, dass im Aufbau Platz für einen Objektschatten ist und Lampen und Hintergrund nicht am Objekt kleben, sondern sich diese Elemente relativ frei im Set bewegen lassen.

Interview mit einem Buch: Objektfotografie

Was ist ein Projektionsspot?

Der Projektionsspot ist ein spezieller Lichtformer, denn er sendet das Licht gebündelt durch ein Objektiv. Sie können mit ihm auch Muster und Formen auf den Hintergrund projizieren, je nach Bedarf scharf oder unscharf. Er arbeitet also wie ein Diaprojektor, und ein solcher wäre daher auch ein preiswerter Ersatz. Das Licht des Projektionsspots ist hart und ergibt scharfe Konturen und Schatten (1). Fotografieren Sie damit gläserne Objekte, werden tolle Reflexe auf Unter- und Hintergrund geworfen. Projektionsspots gibt es für Blitzlicht, LED-Dauerlicht und in der Sonderform des zweckentfremdeten Diaprojektors. Gerade die kleineren Bauformen eignen sich gut, um Punktlichter auf abgegrenzte Stellen des Fotoobjektes zu werfen.

Wie nutzt man mehrere Ebenen?

Die alten Meister der Stillleben-Fotografie in den 1920er-Jahren inszenierten die Objekte oft auf verschiedenen Ebenen. Wenn Sie es einmal ausprobieren möchten, nehmen Sie ein oder zwei saubere Glasscheiben und bauen sie mit etwas Luft dazwischen übereinander. In diesen Zwischenräumen können Sie nun Objekte arrangieren.

Interview mit einem Buch: Objektfotografie

Die Schärfeleistung eines 50-Millimeter-Objektivs bei Blende 16 reicht für drei Stockwerke mit je circa 5 Zentimeter Höhe. Sie können also nur flachere Gegenstände fotografieren. Das Tolle an dieser Konstruktion ist, dass sich die oben liegenden Gegenstände mit den darunterliegenden in Beziehung bringen lassen: Verwenden Sie oben durchsichtige Objekte, sehen Sie durch sie hindurch auf die darunterliegenden; nehmen Sie nicht transparente Objekte, können Sie mit ihrem Schatten in der Etage darunter spielen (2). Um den Abstand zwischen den Glasscheiben an die Objekte anzupassen, sind schwarze Legosteine ideal geeignet.

Wie setzt man das Licht für Close-ups?

Meistens lässt einem der Setaufbau gar nicht so viele Möglichkeiten. Klebt das Kameraobjektiv fast am Objekt, kann das Licht nur als Seiten- oder Gegenlicht kommen. Für eine gezielte Beleuchtung sind die Beleuchtungskörper meist zu groß. Sie müssen also das Licht bündeln und gezielt ans Objekt bringen. Dazu eignen sich Spiegelbruchstücke und selbstgeschnittene Folien aus verschiedenen Glanzpapieren. Sie werden mit Doppelklebefolie an kleine Ständer geklebt und können dann mit Blick durch die Kamera in ihrer Wirkung gesteuert an das Fotoobjekt geschoben werden. Für Close-up-Fotos habe ich immer eine kleine Kiste mit den nötigen Hilfsmitteln dabei – Spiegelbruchstücke in unterschiedlichster Größe befinden sich darin, dazu Alu-, Silber- und Reflexfolien, teilweise zu einem Hohlspiegel gebogen. Und falls der Spiegel ein zu hartes Licht wirft, klebe ich eine Diffusorfolie darauf.

Wie kann man Textilien in Szene setzen?

Stoffe und Kleidung liegen selten von alleine gut – Sie müssen sie gestalten und die Form mittels Stecknadeln fixieren. Das geht am besten mit einem weichen Untergrund wie Kappa- oder Styroporplatten. In der Enge des Close-up-Motivs kann es eine Fummelei werden, bis der Stoff zu fließen scheint und Wellen und Linien bildet (3). Schon eine kleine Abweichung bewirkt, dass sich die Modulation einzelner Lichtkanten verändert. Mit kleinen Spiegeln lassen sich zum Schluss die Feinheiten herausarbeiten. Ersatzweise können Sie auch mit einer weiteren Lampe unterschiedliche Lichtkanten setzen und die einzelnen Fotos in Photo­shop zusammenbauen.


Jürgen Herschelmann:
Objektfotografie – Die große Fotoschule
Rheinwerk Verlag, 2021
358 Seiten, gebunden
39,90 Euro
www.rheinwerk-verlag.de/5231 

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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