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Interview mit einem Buch: Landschaftsfotografie

Von Sachbüchern erhofft sich der Leser Antworten auf konkrete Fragen, und in dieser Reihe befragt Michael J. Hußmann Fachbücher darauf, welche Antworten sie geben können. „Landschaftsfotografie – die große Fotoschule“ führt in eines der klassischen fotografischen Genres ein.

Interview mit einem Buch: Landschaftsfotografie
Alle Fotos: Hans-Peter Schaub

Die Landschaftsfotografie gilt landläufig nicht als sexy. Ihr fehlt der Glamour der Mode-, die Erotik der Akt- und das Abenteuerliche der Wildlifefotografie. Landschaft, so denken viele, ist immer vorhanden und wartet nur darauf, fotografiert zu werden, und der Gestaltungsspielraum scheint beschränkt – der Landschaftsfotograf muss seine Motive vermeintlich nehmen, wie sie sind. In der Malerei zählen andererseits Landschaftsbilder wie Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer oder van Goghs Sternennacht zu den populärsten Werken überhaupt, was nahelegt, dass auch das fotografische Genre tatsächlich mehr hergibt.

Der Fotograf und Biologe Hans-Peter Schaub macht klar, dass ein Bild der Landschaft zunächst einmal im Kopf des Betrachters entsteht und die Kamera daher nicht bloß eine vorgegebene Realität eins-zu-eins abbildet. Unsere Landschaftsfotos zeigen, wie wir die Welt sehen und welche Gefühle sie in uns erweckt. Während sich Schaubs Werk schwerpunktmäßig der Bildgestaltung widmet, geht er auch auf die nötige Ausrüstung und auf für dieses Genre relevan­te Techniken ein. Da neben weiten Aussichten auch der Nahbereich interessante Motive für die Landschaftsfotografie bietet, reichen diese Techniken von Panoramaaufnahmen bis zum Focus-Stacking. Was aber können wir aus all dem für die fotografische Praxis lernen? Wir befragen das Buch, und es antwortet mit der Stimme seines Verfassers.

Wie subjektiv ist die Landschaftsfotografie?

Objektiv betrachtet ist eine Landschaft definiert durch die Topografie, von geologischen Gegebenheiten und von der Vegetation, die sie bedeckt. Für unsere Wahrnehmung der Landschaft sind aber weitere Faktoren von mindestens ebenso großer Bedeutung: Tageszeit, Jahreszeit, das sich mit diesen beiden Faktoren und dem jeweiligen Wetter permanent wandelnde Licht, Geräusche und Düfte, zuweilen auch Tiere oder Menschen, die sich in der Landschaft bewegen. Wie dies alles auf uns wirkt, hat mit der genetischen Ausstattung des Menschen, unserer kulturellen Herkunft und unserer persönlichen Entwicklungsgeschichte zu tun. Menschen, die sich gemeinsam am selben Ort in einer Landschaft befinden, können sie daher höchst unterschiedlich erfahren.

Wie kann man Größenunterschiede abbilden?

In der Landschaftsfotografie ist es naheliegend, ein kleines Bildelement bekannter Größe wie beispielsweise einen Menschen in den Bildaufbau zu integrieren und so den Eindruck von Größe, Naturgewalt oder Weite zu vermitteln – das Foto auf der vorherigen Seite illustriert das. Dafür eignen sich Teleobjektive gut. Ist das kleine Bildelement weit genug entfernt, lässt sich mit einer Telebrennweite sowohl dieses als auch ein größerer Ausschnitt der Landschaft erfassen [1]. Durch die verdichtende Wirkung langer Brennweiten rücken die Elemente scheinbar zusammen, und auch entfernte Landschaftsteile erscheinen eindrucksvoll.

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1) Ein Teleobjektiv rückt die Bildelemente dicht zusammen, zeigt aber die Größenverhältnisse realistisch.

Weitwinkelobjektive sind dafür weniger gut geeignet. Befindet sich das kleine Element in der Nähe des Fotografen, bilden sie es überproportional groß ab [2], die Landschaft hingegen erscheint weit gedehnt und hohe Berge verflachen scheinbar. Diese Wirkung können Sie jedoch nutzen, um unscheinbare Objekte im Vordergrund zu betonen und im Vergleich zum Umfeld extrem vergrößert darzustellen. So lassen sich reale Größenverhältnisse radikal umkehren.

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2) Ein 8-mm-Weitwinkel lässt auch eine nur 40 Zentimeter hohe Welle mächtig und die Menschen im Vergleich winzig erscheinen und verfälscht so die Größenverhältnisse.

Wie lassen sich die Farbtöne der Vegetation verbessern?

Ein automatischer Weißabgleich verschiebt die ­Grüntöne oft ins Gelbgrüne. Das wird von vielen als angenehm ­empfunden, sorgt aber gleichzeitig für schlechter differenzierte Grüntöne [3 c]. Der Weißabgleich ist dann das Hilfsmittel der Wahl. In Lightroom schieben Sie den Regler »Farbtemperatur« ein Stück in Richtung Blau [3 a]. Sowohl die Grün- als auch andere Farbtöne treten dann klarer in Erscheinung, so als hätten Sie einen gelblichen Schleier vom Bild entfernt. Im Wald aufgenommene Fotos sind oft grünstichig, denn das Licht wird durch das Blattgrün gefiltert. Auch dies können Sie über den Weißabgleich korrigieren. Verschieben Sie dazu den Regler für die »Tonung« in Richtung Magenta [3 b]. Schnell verschwindet der Grünstich und sowohl die Baumstämme als auch die Vegetation im Unterwuchs zeigen stimmigere Farben.

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3) Eine Reduzierung des Gelbanteils mit der »Temperatur« und des Grünanteils über die »Tonung« führt zu klareren Farben.

Soll man sich am Goldenen Schnitt orientieren?

Der Goldene Schnitt genießt als Gestaltungsregel eine selten hinterfragte Verehrung und gilt als das harmonische Prinzip schlechthin. Zwar ist die Mathematik des Goldenen Schnitts bereits seit der griechischen Antike bekannt, zum Durchbruch im Zusammenhang mit der Gestaltung verhalf ihm aber erst Adolf Zeising mit seiner Schrift „Neue Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers“ (1854). Inwieweit schon in früheren Epochen nach dem Prinzip des Goldenen Schnitts gestaltet wurde, ist zumindest strittig, und in anderen Kulturkreisen werden hinsichtlich der Harmonie eines Bildes mitunter deutlich andere Auffassungen vertreten. Betrachten Sie die Regeln in erster Linie als Empfehlung zur Bildgestaltung mit Asymmetrien, falls Spannung gewünscht ist. Wer sich konsequent an den Goldenen Schnitt hält, wird zu schablonenhaften Lösungen verführt. Richten Sie sich bei der Gestaltung Ihres Bildes besser danach, welche Bedeutung Sie bestimmten Bildelementen zuweisen möchten [4].

4) Eine ansprechende Komposition – auch ohne den Goldenen Schnitt.

Hans-Peter Schaub:
Landschaftsfotografie
Die große Fotoschule
Rheinwerk Verlag, 2020
319 Seiten, gebunden
39,90 Euro
www.rheinwerk-verlag.de/4937

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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