In diesem Zeichen wirst du verlieren – Montagemängel
Angesichts der Montagemängel, die wir im DOCMA-Heft in der Rubrik Bildkritik immer wieder vorstellen müssen, könnte man denken, es stecke eine böse Absicht dahinter, dass wir die finanzstarke Automobil-Industrie regelmäßig mit abschreckenden Beispielen präsentieren. Aber wir haben auch keine Erklärung dafür, warum sich die Fehler ausgerechnet in diesem Werbe-Segment häufen.
Ohne mir etwas Böses zu denken, schlage ich den SPIEGEL der letzten Juni-Woche 2016 auf. Gleich auf der ersten Doppelseite sehe ich eine Anzeige von Jaguar mit dem Text „Excite your senses“. Nun würde ich ja meine Sinne durchaus gern anregen lassen – aber die drängende Frage, die mir bei diesem Anblick (oben) in eben jenen Sinn kommt, ist: Warum stehen die Autos auf einem Dach?
Beim zweiten Blick zweifle ich ein wenig: Eigentlich stehen die Fahrzeuge nicht auf einer typischen Dacheindeckung, eher sieht der Boden nach Betonpflaster aus. Aber dass sich dieser Untergrund stark zum Betrachter hin neigt, das sieht man ja nun auf den ersten Blick. Was stimmt da nicht?
Ich greife mir also zwei andere Hefte und lege ihre Kanten an zwei Fugen dieser Steinreihen. Und siehe da: Wie erwartet schneiden sich die beiden Fluchtlinien weit oben am Himmel. Klarer Fall also, die Fläche samt darauf stehenden Autos kippt deutlich nach vorn. Ist das Absicht? Wohl kaum. Eher, so ist zu befürchten, waren hier mal wieder Bildbearbeiter am Werk, die keine Ahnung von Perspektive und den Gesetzen der Montage haben. Die Folge: Montagemängel!
Warum ist eine Firma wie Jaguar nicht bereit,
eine Agentur und einen kompetenten
Bildbearbeiter angemessen zu honorieren?
Und, so ist gleich hinzuzufügen: Auch niemand anders hat diesen eigentlich ins Auge springenden, visuellen Widerspruch bemerkt: Niemand von den hochbezahlten Leuten in der Agentur, niemand beim Auftraggeber. Wie immer in solchen Fällen stellt sich unvermeidlich die Frage: Warum zahlt eine Firma wie Jaguar circa 180000 Euro für eine prominent platzierte Doppelseite im SPIEGEL und ist gleichzeitig nicht bereit, eine Agentur und einen kompetenten Bildbearbeiter angemessen zu honorieren, der (oder die) wirklich etwas von seinem Beruf versteht und nicht Autos auf ein Dach versetzt, von dem sie bei nicht angezogener Handbremse schnell in die Tiefe stürzen würden.
Ich habe in der Abbildung oben an die Stelle, an der sich die Fluchtlinien der (Dach-)Fläche schneiden, ein Kreuz angebracht, damit Sie besser erkennen, wie stark diese Ebene geneigt ist. Ein am Himmel erscheinendes Kreuzeszeichen mag an die Vision des römischen Kaisers Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke 312 erinnern. Er behauptete, zugleich von oben eine Stimme vernommen zu haben: „In diesem Zeichen wirst du siegen!“ Das Kreuz in der Anzeige ist eher eine Warnung an Jaguar und seine Agentur: „In diesem Zeichen werdet ihr verlieren“. So excited man jedenfalls keine senses. Wie es richtig aussehen müsste, zeigt meine unten stehende Montage; hier konvergieren die Fluchtlinien brav auf dem Horizont.
Weitere Montage-Unfälle untersucht Doc Baumann in der DOCMA 72 (Ausgabe 5/2016).
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Ich sehe kein Problem, Werbung stellt nicht die Realität dar, sondern eine Inszenierung. Persönlich finde ich eine geneigte Fläche sogar besser. So habe ich auch mein voriges Auto für den Verkauf fotografiert (ohne Fotomontage).
Schliesse mich meinen Vorschreiber @Sonnemeyer an: Platt kann jeder 😉
Der m.E. bewusst eingesetzte Fluchtpunkt des Bodens, verleiht dem Ganzen mehr Dynamik. Obwohl die Autos parken, kommen sie auf den Leser formlich zu.
Peter Paul ZEHNER slowfoto.wordpress.com
Es ist wie im Leben oder beim Make-Up, der Einen gefällt es, dem Anderen nicht 🙂 Doc Baumann hat Recht, der Seitenpreis steht im vermutlich krassen Missverhältnis zum Montage-Layout-Preis, aber frage mal den allgemeinen Betrachter, der keine 5sec benötigt, um zu be-ver-urteilen: Kunst kommt zwar von Können aber Können alleine macht halt keine Kunst – was ist Kunst? Jedenfalls ist die Dachparade eher lustig als Kunst und damit nur zum Weiterblättern, wie so oft. Frauenaugen bestätigen dies 🙂 nur beim eigenen Make-Up klappt es auch nicht immer, vielleicht ist der nur zweidimensionale Spiegel dran Schuld?