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Hausbesuch des Farbendoktors

Ein gedrucktes Bild ist im fotografischem Prozess das erklärte Ziel aller Mühe. Wenn der Druck aber nicht so aussieht, wie man möchte, kann man dem Drucker auf die Sprünge helfen – mit spezieller Software und einem Spezialisten, der sie erklärt und einrichtet.

Vor einigen Jahren habe ich einen großen 24-Zoll-HP-Drucker gekauft, der mir damals wegen seiner FineArt-Fähigkeiten ans Herz gelegt worden war. Formal glänzten die Qualitäten: 11 Farben plus Gloss-Enhancer, die Möglichkeit, auch schwere Materialien von der Rolle zu drucken, Parallelbetrieb von Matt- und Fotoschwarz sowie ein eingebautes Messgerät, das mir die lästige manuelle Einmessung neuer Papiersorten abnehmen würde. Die Tester eigentlich seriöser Fachzeitschriften jubelten. So sollte die bestmögliche Druckqualität ohne Schweiß und Expertenwissen möglich sein – es erschien fast wie die Quadratur des ­Kreises. Ich war ­begeistert und blieb es recht lange.
Augenöffner
Genau genommen bis zu dem Tag, als mir bei der Produktion eines Artikels über FineArt-Printing ein Interviewpartner Tintenstrahl-Drucke seiner Bilder schickte. Keine perfekten Ausarbeitungen, sondern nur eine farbliche Maßgabe für den späteren Offsetdruck. Ich hatte gerade ein neues Papier entdeckt und machte mir den Spaß, einige der Dateien mit meinem System zum Vergleich auszudrucken. Ehrlich gesagt, wollte ich ihm die Bilder zeigen und erklären: „Guck mal, das kann mein Drucker aus dem Stand und du betreibst immer so einen Aufwand.“
Die Prints sahen gut aus. Na ja, zumindest solange ich sie nicht mit den mir zugeschickten Mustern verglich. Als ich das tat, wurde mir klar, dass hier etwas nicht stimmen konnte: Im Gegensatz zu den angelieferten Drucken fehlte es meinen Bildern an Tiefe, an Details und an Kontrasten – sie sahen aus wie ein schlechter Abklatsch des Originals. Um dem Problem auf die Spur zu kommen, begann ich zu experimentieren: andere Einstellungsparameter, neue Papiermessungen, andere Papiere und zusätzliche Bild-Schärfungen. Doch ganz gleich, was ich tat, ich kam nicht an die Vorgabe heran. Am Ende sah es so aus, als hätte ich bei der Kaufentscheidung schlicht auf den falschen Hersteller gesetzt.
Abhilfe
Es einfach auf die Technik zu schieben, erwies sich als Trugschluss. Doch das stellte sich erst heraus, als ich den „Farbendoktor“ Sebastian Schröder kennenlernte. Schröder, der in Hamburg ein Kontor für Colormangement betreibt, ist von Haus aus eigentlich ­Fotograf, hat sich aber schon vor 15 Jahren auf die Einrichtung von farbverbindlichen Workflows bei Werbeagenturen und Fotografen spezialisiert. „Es liegt nicht an deiner Hardware“, erklärte er mir, „Du musst sie nur richtig ansteuern, dann kann sie manches besser als die vermeintlich überlegene Konkurrenz“. Leider geht das aber nicht einfach so mit den mitgelieferten Bordmitteln des Druckers. Man braucht dazu eine Spezialsoftware, ein sogenanntes „RIP“ (Raster Image Processor). Mit ihm kann man den Druckertreiber umgehen und so direkter auf die Druckmaschine zugreifen. Aber warum kann man das nicht auch über den Druckertreiber direkt?

Technische Hintergründe
Druckertreiber werden von den Drucker-Herstellern gemacht, und die müssen sich zwischen den Polen „anwenderfreundlich“ und „technisch machbar“ spreizen. Die Aufgabe des Treibers besteht darin, die RGB-Daten aus der Anwendung möglichst perfekt auf die im Drucker genutzten Tinten umzurechnen. „Im Grunde passiert hier also etwas ähnliches wie bei einer RGB-CMYK Umwandlung – also einer Separierung der Bildkanäle von Lichtfarbe nach Druckfarbe. Doch es gibt zwei wesentliche Unterschiede: Erstens sind die Tinten nicht wie etwa die Druckfarben im Offsetdruck normiert, sondern jeder Hersteller kocht seine eigenen Farb-Süppchen. Zweitens gibt es Modelle mit bis zu 12 unterschiedlichen Farben, was eine sehr individuelle Umsetzung nötig macht. Die klassische Offset-Vierfarbseparation wurde über Jahre entwickelt, bis sie den heutigen Standard erreichte, Druckertreiber entstehen vergleichsweise eher zwischen Tür und Angel.“
Um als Drucker-Hersteller das fehlende Finetuning auszugleichen, müsste man dem Kunden mehr Eingriffsmöglichkeiten bieten, doch darunter leidet der Komfort und die Fehleranfälligkeit steigt. Am Ende gibt es meist eine „Gut-genug-Lösung“, und die Mehrheit der Kundschaft stört sich nicht daran. Schließlich ist das Marktsegment anspruchsvoller FineArt-Drucker im Vergleich zum Rest des Marktes winzig.
Wer präziser drucken will, misst seine eigenen Druck-Profile aus und versucht auf diesem Weg, Defizite der Treiber zu kompensieren. Messgeräte mit entsprechender Software gibt es schon ab rund 250 Euro. Die Komfort-Alternative besteht darin, das passende Papier zum Drucker zu verwenden und auf mitgelieferte Profile des Herstellers zurückzugreifen. Damit entstehen zumeist farblich halbwegs korrekte Drucke – aber leider keine sehr guten FineArt-Prints.

Der Testaufbau
Neugierig geworden, lud ich Sebastian Schröder in die Redaktion ein und bat ihn, den Beweis für seine Lösung der Qualitätsprobleme meines Druckers anzutreten. Im Vorfeld hatte ich eine ganze Reihe farb- und kontrastkritischer Bilder auf meinem Lieblingspapier „Tecco Baryth Ivory“, einer optisch und haptisch sehr schönen Adaption klassischen Barythpapiers, ausgedruckt und sozusagen als Nullpunkt an die Wände gehängt. Auch wenn Tecco eine ganze Reihe an Profilen mitliefert, gibt es auf deren Webseite keines für meine Maschine, und so musste ich zwangsweise auf ein Profil zurückgreifen, das mein Drucker in seiner Standardroutine selbst ausgemessen hatte. Schröder kam, installierte sein RIP, vertraute mir im Nebensatz noch an, dass ich mich dringend um eine farbverbindliche Beleuchtung meines Büros sowie einen neutralen Wandanstrich kümmern sollte, wollte ich hier jemals Drucke nach höchsten Maßstäben beurteilen, und begann mit der Einrichtung des Papierprofils.

Linearisierung
„Einfach Profile ausmessen reicht nicht, wenn man das Maximum des Möglichen erreichen will“, erläutert der Farbendoktor den technischen Ansatz, den er mithilfe der von ihm favorisierten RIP-Software „Print Production Server“ verfolgt. Normalerweise legt man den Grundstein der Abstimmung eines Papiers durch die ­Vorauswahl eines Materialprofils bei Einlegen des Papiers fest. Die Feinheiten der Papier- und der Farbabstimmung werden dann während des Messvorgangs zusammen ins ICC-Profil geschrieben.
Aus Schröders Sicht sind das jedoch zwei unterschiedliche Dinge, die man entsprechend getrennt behandeln sollte. „Je genauer ich das Material linearisiere, desto präziser wird die Farbwiedergabe. Mit „Print Production Server“ erstelle ich zunächst eine Linearisierung des Materials in vier Schritten. Das erste ausgedruckte Target ist ein Farbkeil, der zeigt, wie viel Tintenauftrag pro Farbkanal nötig ist, bis das Material die Farbe nach seinen Möglichkeiten optimal anzeigt. Der Keil wird mit einem handelsüblichen Spektral­fotometer ausgemessen, und wenn die Messdaten erfasst sind, folgt ein zweites Target, um die vorab ermittelten Werte noch feiner zu justieren. Das dritte Target rechnet die eingesetzten 6, 7, 8, 9, 10, oder 11 Farben des Druckers in klassisches CMYK um, wie man es aus der Druckvorstufe und von einfachen Tintendruckern kennt.
Sinn der Übung ist es, die Verläufe der vier Grundfarben, die sich aus den vielen Tinten des Druckers zusammensetzen, möglichst weich und ohne Tonwertabrisse umzusetzen. Im letzten Schritt wird der Gesamtfarbauftrag ausgemessen, um zu verhindern, dass im Zusammendruck der Grundfarben zuviel Tinte aufs Papier kommt, anschließend nicht trocknen kann und am Ende hässliche Bildstörungen oder Artefakte verursacht. Die danach abgeschlossene Linearisierung wird als Datensatz gespeichert, um später in den Workflow eingebunden zu werden. 
Profilierung
Der Lineariserung folgt die Profilierung. Das ist die Messung der farbmetrischen Daten, um die Mischung der Farben zu kontrollieren. Zur Wahl stehen in „Print Production Server“ das IT8-Target sowie das ECI2002-Target. Ersteres eignet sich für matte und das zweite für glänzende Medien. Wer andere Targets nutzen will oder muss, kann diese selbstverständlich ins System einbinden.
Was in diesem Schritt Zeit kostet, ist vor allem das Ausmessen der vielen hundert Farbfelder, die als Farbstandorte des Ziel-­Farbraums ausgedruckt und eingemessen werden. Auf Basis der Messung dieser Farben berechnet die Software nach der Messung ein ICC-Farbprofil.
Dieses Profil versetzt die Drucksoftware in die Lage, auch nicht erfasste Farbtöne rechnerisch zu ermitteln. „Nicht dass man jetzt glauben sollte, viel hilft hier viel“, stellt Schröder richtig. „Die Anzahl der Farbfelder ist noch kein Qualitätsmerkmal für sich, für bestimmte Materialien kann ein 500-Farben-Target besser oder gleich gut sein wie eins mit 2000 Farbfeldern.“
In unserem Test zeigte sich noch eine weitere Qualität der Target­drucke: Auch wenn beim Linearisieren die Ergebnisse überzeugen konnten, ergaben sich jetzt Probleme. Bei einigen wenigen Sekundär- und Tertiärfarben hatte sich nach dem Druck das gebildet, was Sebastian Schröder sehr plakativ als „Farbzellulite“ bezeichnet: Artefakte und Ungleichmäßigkeiten im Farbauftrag, die durch zuviel Farbeinsatz entstehen. Wir mussten daher die Linearisierung noch einmal mit geringfügig reduzierter Tintenbegrenzung pro Farbkanal wiederholen, bevor das Profilierungstarget den Anforderungen des Farbendoktors entsprach und ausgelesen werden konnte. 

Testdrucke
Bis wir zu ersten Testdrucken kamen, hatte sich vorweihnachtliche Dunkelheit über das Büro gelegt und die mäßige Beleuchtung tat ein Übriges, um die Beurteilung zu erschweren. Doch selbst in diesem farbstichigen Halbdunkel ließen sich schon große Unterschiede zwischen den Drucken mit und ohne RIP erkennen. Unter dem Normlichtkasten kam dann die ganze Dramatik ans Licht: Die Farben der Bilder hatten ihr (von mir bisher in dieser Heftigkeit gar nicht bemerktes) Übermaß an Sättigung verloren – besonders in den Hauttönen. Schwarzweißdrucke bestachen nun mit Kontrasten und zeigten eine Tiefe, die zuvor auf dieser Druck-Maschine unmöglich schien. Ich werde demnächst nochmal um Drucke und Daten meines FineArt-Experten bitten, und einen neuerlichen Vergleich starten, bin mir aber jetzt schon sicher, dass sich die Unterschiede in Grenzen halten.  
Allein oder mit Helfer?
Eine Software wie „Print Production Server“ nach der Einrichtung zu bedienen, ist relativ einfach, die technische Installation auch, aber für den Teil dazwischen sollte man einen Helfer wie Sebastian Schröder zu Rate ziehen. „Natürlich kriegt man die Software als geübter Computer-Nutzer auch allein zum Laufen“, beruhigt Schröder. „Doch es geht nicht einfach so, dafür ist ein RIP in der Funktionalität zu speziell. Man muss schon etwas Zeit und vor allem den Willen mitbringen, ein dickes Handbuch auch wirklich zu lesen.“
Wer als Profi oder „Edelamateur“ einen klaren Workflow mit ein oder zwei Druckern sowie zwei bis vier Papiersorten hat, tut gut daran, sich alles vor Ort einrichten und erklären zu lassen, damit er sich möglichst schnell auf das Bildermachen konzentrieren kann. Außerdem hilft ein Hausbesuch vom Farbendoktor oftmals bei der Klärung anderer Farbprobleme im Workflow, und man hat die Chance, sich die erzeugten Farbprofile anschließend kontrollieren und optimieren zu lassen.

Profil-Finetuning
Bei der Umrechnung der Messdaten in ICC-Profile kommt das iProfiling-Modul von BasICColor zum Einsatz, das sehr gute Ergebnisse liefert. Wer seine Messdaten nochmal feinschleifen will, bevor sie ins ICC-Profil gerechnet werden, kann sich zusätzlicher teurer Spezialsoftware bedienen oder es Experten wie Sebastian ­Schröder überlassen, die Messdaten zu prüfen und umzurechen. „Die Resultate der so optimierten ICC-Profile sind auf vielen Motiven auch mit geschultem Auge nicht sichtbar. Das ist ähnlich wie bei Hochleistungsobjektiven. Ihre Stärken spielen sie erst in Grenz­situationen aus, also wenn es bei der Druckumsetzung hart auf hart kommt.“

Vokabular Digitale Farbe

Raster Image Prozessor (RIP): RIPs steuern Druckmaschinen. Weil zum Beispiel Windows bis heute über seine Systemschnittstellen keine CMYK-­Daten ­direkt weitergeben kann, sind RIPs in der Druckvorstufe immer noch essenziell. Neben der Anwendung in diesem Bereich haben sich einige wenige dieser Programme auch als Druckhilfe für ­Fotografen etabliert. RIP-Lösungen kosten in der Regel je nach Ausbaustufe zwischen 500 und 8000 Euro. Decken sie Spezialbereiche ab, wie etwa die Umsetzung von Graustufenbildern mit vier oder sechs Schwarztinten speziell für ­Fotografen, gibt es sie auch günstiger.

ICC-Profil: ICC (International Color Consortium)-Profile sind das Herzstück aller Farbmanagement-Systeme. Sie gleichen die Unterschiede von Geräten im digitalen Farbworkflow aus.

Linearisierung: Bevor ein ICC-Profil erstellt wird, sollte der Drucker linearisiert werden, denn erst im Zusammenspiel von Linearisierung und Profilierung ist eine einwandfreie Profilerstellung gewährleistet. Eine lineares Verhalten liegt dann vor, wenn man einem Drucker bestimmte Eingabewerte vorgibt, die er ohne Verfälschung reproduziert.

Profilierung: Um verlässliche Farben zu drucken, muss man das farbliche Soll mit dem Ist des Druckers vergleichen und die Differenzen ausgleichen. Es wird eine Testform mit Farbfeldern gedruckt und anschließend vermessen. Das Ergebnis ist im Grund eine Korrekturtabelle, die geräte- und materialspezifische Eigenheiten ausgleicht.

Druckertreiber: Software, auf die Programme wie Photoshop zugreifen, wenn diese Daten zur Weiterverarbeitung an einen Drucker übergeben. Druckertreiber rechnen RGB-Monitorfarben in CMYK-Druckfarben um.

Offsetdruck: Traditionelles Vierfarb-Druckverfahren für hohe Auflagen, das vornehmlich im Buch- und Magazindruck zum Einsatz kommt.

Gloss-Enhancer: Transparente Drucklackschicht im Tintendruck, die zur Versiegelung von Drucken auf Hochglanzmedien genutzt wird.

Matt- und Fotoschwarz: Unterschiedliche Formen schwarzer Tinte, die je nach Papierqualität zum Schwarzdruck eingesetzt wird. Oft wird beim Wechsel von Papiersorten das ganze System durchgespült, wobei hohe Tinten-Kosten entstehen können.

Separation: Umrechnung von einem Farbraum in einen anderen, im Kontext der Druckthematik bevorzugt von RGB nach CMYK.

Target: Testdruck mit einer Vielzahl von Farbfeldern, die ausgedruckt werden, um sie anschließend mithilfe eines entsprechenden Farbmessgeräts als Farbwerte einzulesen.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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