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Eichenwald goes 3D

Wer schon einmal in die Verlegenheit kam, eine Cinema 4D-Szene durch den Einsatz von Pflanzen lebendiger zu gestalten, hat festgestellt: Die Einstelloptionen von Pflanzen-Software sind nicht gerade selbsterklärend, noch dazu wird aus der einfachen Frustration schnell eine doppelte, wenn der Renderer die bescheidene Qualität der Pflänzchen sichtbar macht – von der langen Renderzeit mal ganz zu schweigen. Geht das nicht besser? Dank der Firma Laubwerk ganz sicher.

Es gibt vor allem ein Genre in der 3D-Welt, das ohne Pflanzen schlicht nicht überzeugend darzustellen wäre: Die Rede ist von Architektur-Visualisierung. Erst das Einbetten eines Bauwerks in eine natürliche Umgebung verschafft die notwendige Realitätstiefe und zeigt so nicht nur das Objekt der Begierde selbst, sondern demonstriert auch die Wechselwirkung mit der umgebenden Landschaft. Das wissen Timm Dapper und Philip Paar schon lange. Die beiden haben 2010 die Firma „Laubwerk“ gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, digitale Versionen von Büschen und Bäumen nicht nur einfacher, sondern auch optisch überzeugender zu machen. Das Ganze funktioniert über ein intuitiv zu bedienendes Plug-in, als „Träger-Software“ dient Cinema 4D.
Viele Plug-ins sind entweder leicht zu bedienen, liefern aber eher mäßige Ergebnisse, oder sie versuchen mit Komplexität in der Bedienung zu punkten, was zwar ansprechende Ergebnisse ergibt, jedoch häufig tiefgehendes Wissen über die Software voraussetzt. Dass es auch anders geht, beweist Laubwerk eindrucksvoll. Sämtliche Parameter sind intuitiv bedienbar. Das beginnt schon mit der Darstellung des Icons: Dieses zeigt den ausgewählten Baum in einer von drei möglichen Varianten, einem Schattenwurf oder -riss und der Silhouette eines Fußgängers, denn so lässt sich die Größe gut abschätzen. Nach den Pflanzen werden Jahreszeit, Blattdichte und die Editor-Darstellungsart gewählt, und fertig ist das Laubwerk. Lediglich die Detailtreue sollte noch angepasst werden, denn weit entfernte Objekte kommen mit einfacherer Geometrie aus als Bäume im Vordergrund. So können Sie durch Entfernen dünner Äste und Vereinfachen der Verzweigung viel Renderzeit einsparen, ohne dass Form oder Dichte des Baumes an Qualität verlieren.
Woher kommt aber dieser hohe Realitätsgrad der Pflanzen? Das wird klar, wenn man sich den Produktionsprozess in vereinfachter Darstellung einmal näher anschaut. Das Produk­tionsteam, bestehend aus Biologen, Programmierern und 3D-Designern, baut nicht nur einfach Pflanzen nach, sondern denkt die polygonale Botanik ganz neu: Beispielsweise besteht jedes einzelne Blatt aus mehreren Polygonen. Zwar wäre ein einziges Polygon in Verbindung mit einem Alphakanal einfacher zu realisieren, die multipolygonale Lösung erlaubt jedoch ein Biegen des Blattes. Nur so gelingt es, Reflexionen einzufangen und die Sichtbarkeit des Blattes selbst bei seitlicher Ansicht zu garantieren. Die Texturen, sprich die Blätter und die Baumrinde, werden fotografiert. Dadurch ergänzen sich Fotografie und 3D-Technik, so dass auch Closeups sehr realistsich aussehen – selbst ohne den Einsatz von Unschärfebereichen durch den physikalischen Renderer.

Artenvielfalt
Die unterschiedlichen Baumarten machen den Workflow flexibel. Längst beinhalten architektonische Konzepte auch ganz bestimmte Pflanzengattungen, und selbstverständlich möchte der Bauherr diese bereits in der Visualisierung des Projektes wiederfinden. Doch nicht nur die Baumart ist wichtig, sondern auch die klimatische Zone, in der das Projekt realisiert werden soll. Laubwerk erweitert deshalb das Angebot an Arten, Sorten und Züchtungen ständig weiter, denn nur so kann das Unternehmen international mithalten. Auch sehr wichtig: Die Wahl der Jahreszeit. Die lässt sich über ein einfaches Auswahlmenü bestimmen und über die prozentuale Angabe der Blattdichte so genau wie gewünscht einstellen.

Variationen
Wer einfach mal unverbindlich Bäume pflanzen möchte, kann sich unter www.laubwerk.com ein Freebie herunterladen, das aus zwei Pflanzenspezies besteht. Klingt nach wenig, doch wenn man die drei Varianten der Baumarten jeweils mit jung, mittelalt und ausgewachsen multipliziert, sind es schon neun Varianten pro Pflanze. Die kann man in allen vier Jahreszeiten darstellen, so dass jede Spezies insgesamt 36 Variationen beinhaltet.
Die Einstellungen sind bequem im »Attribute«-Manager zu finden, und das Ganze funktioniert auch mit der Demo-Version von Cinema 4D. Und falls das noch nicht reichen sollte: Die beiden Pflanzenkits 1 und 2 beinhalten jeweils 10 unterschiedliche, hauptsächlich in unseren Breiten beheimatete Laubbäume.

Auch wenn die Pflanzen keinerlei Pflege bedürfen und schnell in die Szene gesetzt werden können: Damit sie ihre volle Wirkung entfalten, sollten sie effektvoll beleuchtet werden. Am natürlichsten wirkt seitlich einfallendes Licht, denn so lassen sich Form und Volumenwirkung des Baumes am besten herausarbeiten. Da die meisten Szenen Außenszenen sein dürften, lohnt sich eine hohe Strahltiefe der Global Illumination nicht besonders. Sie führt zu langen Renderzeiten,  ohne das Ergebnis entscheidend positiv zu beeinflussen. Dagegen ist eine Aufhellung durch helle Boden- oder Wandflächen effektiver, da sie schneller zu berechnen ist und außerdem oft besser zur Szene passt.

1. Waldbrowser
Nach der Installation erscheint »Laubwerk« als eigenständiger Menüpunkt mit vier Untermenüpunkten. Klicken Sie auf den »Laubwerk Browser«. Je nachdem, ob Sie nur das Freebie oder bereits eines der Kaufkits installiert haben, steht Ihnen eine unterschiedlich große Zahl an Bäumen zur Verfügung. Anhand der Silhouette des Fußgängers können Sie abschätzen, wie groß das Gewächs ist. Sollten Sie mit V-Ray arbeiten, legen Sie dies bereits hier fest, denn dann werden Materialien erzeugt, mit denen V-Ray etwas anfangen kann. Wenn Sie Cinemas Advanced Renderer einsetzen, kommen Sie aber ebenfalls bestens klar.

2. Darstellung im Viewport
Natürlich wäre es nett, wenn man den Baum bereits mit all seinen Blättern im Editor sehen könnte. Das würde das Beleuchten erleichtern, auch die Formvielfalt mit ihren vielen Details ließe sich leicht mit der Szene abgleichen. Das Schöne daran: Diese Detailfülle steht Ihnen tatsächlich zur Verfügung. Doch so viele Details nehmen den Arbeitsspeicher gehörig in Anspruch. Die konvexe Hülle und die Skelettdarstellung kommen mit einem Bruchteil an Arbeitsspeicherkapazität aus, weshalb sie schon bei einigen wenigen Pflanzen sinnvoller sind als die fette Darstellung der Rendergeometrie. Doch gerendert wird immer mit der höchsten Detailtreue.

3. Jahreszeiten
Meist wird man an der vollen, sommerlichen Baumkrone seine Freude haben. Doch gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Gelegenheiten, die eine andere Jahreszeit sinnvoller erscheinen lassen; etwa wenn bei einer Architekturvisualisierung das Laub der Bäume den Blick auf das Gebäude verdeckt oder eine eher melancholisch-herbstliche Stimmung gewünscht ist. Die Einstellung der Jahreszeiten passt sehr gut zur prozentualen Fest­legung der Blattdichte. Damit lässt sich alles von Indian Summer bis spätnovemberliche Melancholie erzeugen. Wenn Ihr Projekt aber einen Wintertag voraussetzt, dann wählen Sie einfach die blattlose Darstellung des winterlichen Baumes.

4. Materialverfremdung
Die meisten Projekte erfordern eine naturalistische Darstellung der Blätter und der Baumrinde. Die reduzierte, verfremdete Darstellung ist aber für das eine oder andere Projekt nach wie vor gefragt. Modelle mit monochromen Oberflächen, die nicht von der klaren Linie der Architektur ablenken sollen, benötigen oft farblich verfremdete Bäume. Da die Farb­informationen der Blätter sowie der Rinde aus fotografierten Bilddateien bestehen, können Sie diese entweder löschen oder aber die Mischstärke herabsetzen, um eigene Farben zu verwenden. Auch Effekte wie leuchtendes oder metallisches Blattwerk lassen sich so Cinema 4D-typisch im Handumdrehen herstellen.

5. Material total
Die Materialien der Blätter sind schreibgeschützt. Trotzdem kann es vorkommen, dass die Blattoberflächen einer Bearbeitung in Photoshop bedürfen, wenn zum Beispiel für eine wissenschaftliche Illustration Schädlingsbefall visualisiert werden soll. Klickt man im Farbkanal auf »Material bearbeiten«, so öffnet es sich in der Vorschau. Es lässt sich zwar nicht sichern, doch duplizieren. Dann können Sie es ohne Probleme speichern und in Photoshop bearbeiten. Nach dem Speichern der Kopie wechseln Sie zurück zu Cinema 4D und löschen das Originalmaterial. Laden Sie Ihr bearbeitetes Blatt als Textur in den Farbkanal – fertig.

6. Geäst reduzieren
Man glaubt ja kaum, wie viele Äste ein Baum haben kann. Das sieht man vor allem, wenn der Baum entblättert ist. Deshalb haben die Jungs von Laubwerk zwei Mechanismen eingebaut, die die Belastung des Arbeitsspeichers durch zu viel Geäst reduzieren. Geben Sie einen Mindestwert für die Verzweigungstiefe ein, so fallen die kleinen Verästelungen weg. Feiner abstimmen lässt sich das Aussehen des Baumes noch durch Vorgabe einer Mindest-Astdicke. Elegant gelöst ist neben diesen einfachen Mechanismen auch die Abfrage des Arbeitsspeichers: Im oberen Teil des Fensters können Sie ablesen, mit wievielen Polygonen der gestutzte Baum zu Buche schlägt.

7. Blattmenge anpassen
Die Blätter sind einfache Konstruktionen, die auch in Nahansicht realistisch wirken. Dadurch beanspruchen sie einen beachtlichen Platz im Arbeitsspeicher, was zu langen Renderzeiten führt. Doch das könnte bei Baumgruppen oder gar einem Wald schnell ausufern. Damit das nicht passiert, lässt sich für weit von der Kamera entfernte Bäume die Blattmenge reduzieren. Damit der Baum aber dennoch seine volle Krone behält, werden automatisch gleichzeitig die Blätter vergrößert. Da das Laub auf größere Distanz eher als Struktur denn als eine Ansammlung einzelner Blätter wahrgenommen wird, bleibt der Gesamteindruck erhalten – trotz stark verringerter Blattmenge.

8. GI? Aufhellung!
Ein voll belaubter Baum mit all seinen Blättern birgt hinsichtlich der Renderqualität ein kleines Problem: Die Zwischenräume dürfen dunkel, jedoch nicht schwarz erscheinen. Zu dunkle Bildpartien hellt man mit einer hohen Strahltiefe der Global Illumination auf. Werte von drei oder vier erreichen durch drei- bis vierfache Reflexion eines Lichtstrahls auch dunkelste Winkel. Doch das würde zu astronomisch langen Renderzeiten führen. Eine viel schnellere Lösung ist es, gegenüber der Lichtquelle und in manchen Fällen auch neben der Kamera einen Aufheller zu platzieren. Damit erhellen Sie dunkle Zwischenräume und kommen mit einer Strahltiefe von eins prima klar.

Diesen und weitere Artikel, Tipps, Tricks und Workshops finden Sie im DOCMA-Heft Nr 55 (6-2013). Mehr Infos zum Heft gibt es hier. Wer keine Lust hat zum Kiosk zu gehen, kann sich diese Ausgabe (und ältere) bequem bei uns im Webshop bestellen.

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