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DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen

DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen
DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen

Aschenputtel, Froschkönig, Rapunzel und Schneewittchen begleiten uns seit Kindertagen. Laura Zalenga, die gerade Platz 54 der Weltrangliste der einflussreichsten Internet-Fotografen belegt, zeigt an den vier bekannten Märchen, wie man komplexe Geschichten in einem einzigen Bild erzählt und was man dabei beachten sollte. 

In meinen Fotografien versuche ich, Erinnerungen, Emotionen und Geschichten aus meinem Leben einzubauen und weiterleben zu lassen. Normalerweise sieht der unbeteiligte Betrachter dabei aber viel mehr die Stimmung als die Details der Begebenheit, die verarbeitet wird. Und so soll es auch sein. Jeder darf sich eine eigene Geschichte ausdenken. Das macht das Betrachten von Bildern Fremder schließlich so spannend.

Anders stellt sich der Zusammenhang dar, wenn man mit einem Bild – wie beim DOCMA-Award zum Thema Story-Telling – eine zuvor definierte Geschichte erzählen möchte. Hier kennt der Betrachter die Geschichte und erwartet etwas Nachvollziehbares. Als Bildautor muss ich diese Erwartung mit Bildelementen füllen. Natürlich nicht buchstäblich, sondern mit Motiven und Interpretationen aus meinem eigenen Erleben.

Vom visuellen Geschichten-Erzählen: Die Story sprachlich verdichten

Für meine Märchenserie ging es um Geschichten, die die meisten kennen. Man hat schon so oft visuelle Umsetzungen dieser Texte gesehen; wie will man das noch einmal neu – anderes – machen?
Zunächst einmal braucht man eine knappe Textvorlage, an der sich das Bild orientieren kann. Märchen sind eher lange Texte, ich muss also versuchen, sie zunächst in Form einer Zusammenfassung auf ein paar hundert Zeichen herunterzubrechen, oder besser noch, ein Zitat zu finden, in dem sich ein zentrales Element der Geschichte wiederfindet.

Vom visuellen Geschichten-Erzählen: Reduktion der Bildinhalte

Mein Ansatz war die Reduktion auf die notwendigsten Details und auf die wenigen Objekte, die uns das Märchen erkennen lassen. Ich stellte mir vor, es wäre ein Film und ich würde in einer der Kernszenen ganz nah ins Geschehen zoomen. Denn was, wenn nicht die goldene Kugel oder der lange blonde Zopf, lassen uns diese Geschichten wiedererkennen? Also habe ich mir überlegt, was man in der Szene, die ich darstellen will, unbedingt erkennen muss.

Insgesamt liegt der Charme dieser Bilder meiner Meinung nach in der Beständigkeit des Konzeptes, das sich durch die ganze Serie zieht. Eigentlich gibt es ja immer nur einen ruhigen Hintergrund, vor dem ein Objekt und der Teil eines Menschen zu sehen sind.
Schlicht und kompakt. Ganz nebenbei ist mir erst bei dieser Serie richtig aufgefallen, wie viel man allein durch Handhaltungen aussagen kann.

Selbstverständlich steht man am Ende immer vor den Bildern und denkt sich: „Hätte ich es noch mehr reduzieren müssen oder eine andere Szene aus dem jeweiligen Märchen wählen sollen?“ Aber an diese Zweifel habe ich mich schon gewöhnt. Und am Ende geht es mir doch um die Liebe zu Märchen.

 

DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen
„Schneewittchen beäugte den schönen Apfel, und als es sah, dass die Bäuerin davon aß, so konnte es nicht länger widerstehen. Kaum hatte es einen Bissen davon im Mund, so fiel es tot zur Erde nieder.“
Schneewittchen

Mein erstes Märchenbild war das „Schneewittchen“. Ein Zitat im Text, das die zentrale Szene beschreibt, war schnell gefunden. Selbstverständlich durften im Bild das Ebenholz-Haar und ein Stückchen schneeweiße Haut nicht fehlen. Außerdem der berühmte vergiftete Apfel – angebissen natürlich. Beim Requisitenbauen habe ich gelernt, wie schwierig es ist, einen Apfel „schön“ anzubeißen. Und dann muss man sich auch noch sehr beeilen mit dem Fotografieren, sonst wird die Bissstelle braun. An dieser Stelle gestehe ich vielleicht auch einfach, dass es der zweite Apfel war, den man jetzt auf dem Foto sieht. Jedenfalls habe ich das Bild als Selbstporträt im Wohnzimmer realisiert. Gerade bei diesem ersten Motiv habe ich viel ausprobiert, was auf dem Foto zu sehen sein muss und was nicht. Am Ende haben mir zum Beispiel die Augen vom Gesicht ausgereicht. In der Nachbearbeitung musste ich den Parkettboden durch Abdunkeln und Entsättigen etwas altern lassen, weil ein nagelneues Parkett einfach nicht zu einer Waldhütte passt. Ansonsten habe ich an diesem Bild nur ein wenig den Kontrast erhöht. Eine reine Lightroom-Bearbeitung also.

 

DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen
„Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter.“ Alsbald fielen die Haare herab, und der Königssohn stieg hinauf.
Rapunzel

Die liebe „Rapunzel“ war entgegen meiner Erwartungen eines der schwierigsten Bilder. Denn man muss erst einmal eine Mauer finden, auf die sich das Model (hier: meine Schwester) so hinlegen kann, dass der Zopf schön gerade (!) herunterhängt. Fälschlich war ich bei der Planung davon ausgegangen, ich könnte meine Hand als die eines starken Prinzen ausgeben. Wir haben dann in der Not einen netten Passanten gefragt, ob er uns seine Hand für ein Foto leihen würde. Trotz des großen Einsatzes wollte das mit der Handhaltung aber einfach nicht gelingen. Ist wohl doch schwerer als gedacht, diese Prinzenhandgeste. Am Ende wurde es dann doch meine eigene Hand, die ich mit Hilfe des Verflüssigen-Filters einfach etwas kräftiger gemacht habe. Dann habe ich noch schnell ein ein paar Adern und Armhaare des netten jungen Mannes eingebaut und voilà: fertig war die Prinzenhand.

 

DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen
„Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen: da war, als es hinabsprang, der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben.“
Aschenputtel

Für das „Aschenputtel“ war es ganz klar, dass ein fallender Schuh und eine Treppe zu sehen sein müssen – ein schmutziger Fuß und das Stück eines schönen Kleides komplettierten für mich die Szene.

Auch hier ließ sich schnell eine passende Textstelle finden. Natürlich geht es mir bei der visuellen Umsetzung immer auch um die Ästhetik des Gesamtbildes, also konnte ich nicht einfach irgendeine Treppe mit Linoleum-Belag im Treppenhaus um die Ecke als Location wählen.

Eine alte Stadtmauer im Stadtpark macht da schon mehr her, auch wenn ich hier auf das Einstreichen mit Pech (wo bekommt man so etwas heute eigentlich her?) verzichten musste. Als Kleid musste ein  alter Vorhang herhalten. Ich bin ja leider kein Tim Walker dem die Märchenkleider für jedes Set maßgeschneidert werden. Und sowieso macht es Spaß, Alltagsgegenstände umzufunktionieren. Dann kommt auch nie die Ausrede auf, das könne man nicht realisieren, weil die Mittel dazu fehlen.

Bei der Nachbearbeitung habe ich auf meine Photoshop-Lieblingsfunktion, die »Selektive Farbkorrektur«, zurückgegriffen und alle Grüntöne etwas mehr ins Rotbraune ­gebracht. Das hat für mich einfach viel besser zur Bildstimmung gepasst. Auch hier gab es ansonsten wieder nur ­Anpassungen des Kontrasts.

 

DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-ErzählenDer Froschkönig

Für das Märchen vom „Froschkönig“ war natürlich die goldene Kugel besonders wichtig. Die Textpassage „Nun trug es sich einmal zu, dass die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihr Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte.“ passte. Allerdings wollte ich die Kugel ins Becken platschen lassen, so dass der nächste Teil des Originaltextes „sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hineinrollte“ wegfallen musste. Eine alte silberne Kugel aus den Deko-Beständen meiner Mutter habe ich bei uns im Gartenhaus gefunden. Im elterlichen Garten gibt es auch einen kleinen Fluss, der es einfach machte, die Andeutung eines Brunnens ins Bild zu bringen. Bis die Kugel dann wirklich so ins Wasser gefallen ist, dass die Spritzer und die Reflexionen in der Kugel-Oberfläche toll aussahen, hat es eine Weile gedauert. Handhaltung und Kleiderfalten mussten gleichzeitig auch noch passen, da kann die Produktion eines einfach aussehenden Bildes schon mal zwanzig Minuten in Anspruch nehmen. Auch färbte ich nachträglich die silberne Kugel in Photoshop golden um und änderte die Farbe des Kleides, bei dem es sich um den gleichen Vorhang wie beim Schneewittchen-Bild handelt. Der Brunnenrand stammt aus einem meiner Reisebilder.

 


Vom visuellen Geschichten-Erzählen: Die wichtigsten Fakten zum DOCMA Award


 

Die Aufgabe

Schreiben Sie eine superkurze Geschichte auf. Wenn Ihnen aus dem Stand nichts einfällt, können Sie zum Beispiel ein Zitat, einen Liedtext, der Sie schon lange begleitet, oder eine Passage aus einem tollen Buch verwenden. Oder einen Dialog aus einem Film, den Sie ganz anders inszenieren würden. Und dann machen Sie das Bild, das Ihre persönliche Vision dieser Story erzählt: Ein Foto, eine Fotomontage, ein Zeichnung, eine 3D-Visualisierung – ganz gleich, Hauptsache das Bild liegt am Ende ­digital vor.

Hilfestellung

Denken Sie sich also eine kurze Geschichte aus, schreiben Sie sie auf und gestalten Sie anschließend daraus ein Bild. Eines, das die Geschichte zeigt und sie illustriert – im Idealfall in einer klaren visuellen Sprache. Wenn Sie Ihre Sache gut machen, zeigt das Bild den entscheidenden Moment. Der ­Betrachter fragt sich dann unweigerlich: Wie ist es zu der gezeigten Situation gekommen und wie wird es wohl weitergehen?

Die Kategorien

Der DOCMA Award 2017 thematisiert die Kunst, Geschichten mit Bildern zu erzählen. Sie können bis zu fünf Stories einreichen und entscheiden durch die Selbsteinschätzung Ihres Anspruchs, welcher Gruppe Sie sich zuordnen, ob Sie also „Meister“, „Geselle“ oder „Lehrling“ sind.

Die Bewertung

Jede eingereichte Story besteht aus zwei Teilen: Einer maximal 300 Zeichen langen Geschichte und ihrer Umsetzung als Bild. Durch diese Kombination lässt sich gewährleisten, dass die Jury auch in jedem Fall nachvollziehen kann, ob und wie gut die erzählte Geschichte hinter dem Bild umgesetzt wurde.

Einsendeschluss ist der 8. Mai 2017. Weitere Infos zum Award 2017 und ­Details zu den Preisen finden Sie hier.

 


Unsere Sponsoren


Ohne unsere Sponsoren wäre der DOCMA Award nicht möglich. Deshalb möchten wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Firmen bedanken, die uns tatkräftig zur Seite stehen. Hauptsponsor des DOCMA Awards 2017 sind Fujifilm und Sigma; den Sonderpreis vergibt Nopar International. Als weitere Sponsoren sind ­bisher dabei: Adobe, Eizo, Epson, Datacolor, JuicyWalls, Nopar International, Wacom, Horizonte Zingst und das Museum für ­Kommu­nikation Frankfurt.

DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen

 


Gewinne im Wert von über 20 000 Euro


 DOCMA Award 2017: Vom visuellen Geschichten-Erzählen

 


Diesen Artikel zum Thema Vom visuellen Geschichten-Erzählen finden Sie auch in der neuen DOCMA 75 (Ausgabe 2/2016).


 

Das DOCMA-Heft bekommen Sie im gut sortierten Zeitschriftenhandel, an Bahnhöfen und Flughäfen sowie bei uns im DOCMA-Shop. Dort (und nur dort) können Sie zwischen der ePaper-Ausgabe und dem gedruckten Heft wählen. Jetzt gibt es auch beides zusammen im Kombi-Abo.

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Christoph Künne

Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.

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Kommentar

  1. Die resultierenden Bilder erzählen per se zwar keine Geschichte und stellen eigentlich auch keine Schlüsselszenen dar, sondern wecken mit wesentlichen Elementen aus den jeweiligen Geschichten (Zopf, Wolf, Apfel, Aschenputtel‘s Schuh) unsere Erinnerungen; aber genau das war ja die Zielsetzung der Autorin. Das setzt dann halt voraus, das man die Geschichte dazu kennt (. . . kennen die Kids von heute die alten Märchen noch?).

    Die Autorin gewährt uns einen ehrlichen und detaillierten Einblick in Ihre Arbeit; sie zeigt auf, dass man – Kreativität vorausgesetzt – auch mit einfachen und schnell verfügbaren Mitteln (der alte Vorhang, die Kugel aus Mutters Gartenhäuschen, die Hand eines netten Passanten, etc.) ein super Ergebnis erzielen kann! Alles in allem ein lehrreicher, interessanter und deshalb lesenswerter Artikel – nicht nur in Hinblick auf den «Docma Award» 2017!

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