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Panoramafotografie

Von Sachbüchern erhofft sich der Leser Antworten auf konkrete Fragen, und in dieser Reihe befragt Michael J. Hußmann Fachbücher dazu, welche Antworten sie geben können. „Panoramafotografie“ ist ein Grundlagenwerk über Aufnahmen, die die Grenzen des Bildwinkels sprengen.

Alle Fotos: Thomas Bredenfeld. Panoramafotografie
Alle Fotos: Thomas Bredenfeld

Das Panorama ist eine lang bekannte Form, die Umwelt abzubilden. Schon vor Erfindung der Fotografie gab es panoramische Gemälde, die in speziellen Rotunden ausgestellt ihr Publikum fanden. Heute werden eine Vielzahl technischer Lösungen für die Panoramafotografie angeboten, von den Panoramamodi der Smartphones über dedizierte Kameras für sphärische Ansichten bis zu manuell oder automatisch gesteuerten Panoramaköpfen, um die Umgebung Stück für Stück abzufotografieren und die Einzelbilder per Software zu einem Panorama zu verrechnen.

In der von Grund auf aktualisierten neuen Ausgabe seiner Einführung in die Panoramafotografie behandelt Thomas Bredenfeld alle Aspekte dieses komplexen Themas. Er geht auf die Hardware wie Objektive, Panoramaköpfe und Zubehör ein und beschreibt die grundlegenden Aufnahmetechniken. Nach Kapiteln zur Pre- und Postproduktion und einer Vorstellung der wichtigsten Programme stellt der Autor konkrete Arbeitsbeispiele vor und zeigt Lösungen für häufig auftretende Probleme wie die Retusche des Stativs und seines Schattens. Die letzten Kapitel behandeln die Präsentation der Panoramen im Druck oder interaktiv im Web. Wir befragen das Buch zu diesen Themen, und es antwortet mit der Stimme seines Verfassers.

Gegenüber dem begrenzten 2:3-Ausschnitt (b) zeigt das Panoramabild eine komplette Rundumsicht des Zimmers (a). Panoramafotografie
Gegenüber dem begrenzten 2:3-Ausschnitt (b) zeigt das Panoramabild eine komplette Rundumsicht des Zimmers (a).

Welchen Vorteil haben Panoramafotos?

Normalerweise lebt die Fotografie vom Ausschnitt, in den wir bei der Aufnahme all das ins Format einpassen, was uns in diesem Moment wichtig erscheint. Dieser Rahmen ist es, den ein Panorama sprengt oder mindestens deutlich weitet. Der „entgrenzte“ Blick kommt unseren menschlichen Sehgewohnheiten entgegen. So haben wir bei der Foto­grafie in der Regel die klassischen Rahmenproportionen von 1:1, 3:2 oder 4:3, die unseren Blick auf einen Ausschnitt fokussieren. Bereits etwas breitere Formate wie 16:9 oder das Cinemascope-Format von 2,35:1 empfinden wir als angenehmer als diese Standardformate. Das hat seinen Grund im von Natur aus breitformatigen Gesichtsfeld des Menschen: Es wird meist mit etwa 180° horizontal angegeben, in der Vertikalen sind es etwa 60° nach oben und 70° nach unten. Zudem hat sich die senkrechte Drehachse der Halswirbelsäule in der Evolution für das Umherschauen entwickelt. Diese Rundumsicht ist eines der wichtigsten Merkmale unserer Wahrnehmung, und Pano­ramen kommen dem in ihrer Darstellung entgegen 1.

Was ist eine Projektion?

Eine Projektion beschreibt, wie sich die Geometrie einer fotografierten Szene zur Geometrie der Abbildung verhält. Verantwortlich dafür sind die Linsen des Objektivs. Eine rektilineare Projektion entspricht unserem normalen Sehen und bildet gleiche Streckenverhältnisse in der Natur auf proportional gleiche Strecken im Bild ab. Gerade Linien werden auch gerade abgebildet, und die Proportionen erscheinen uns bis auf die linken und rechten Bildränder realistisch 2. Die meisten Objektive sind so gerechnet, dass sie diese Projektion möglichst perfekt verwirklichen.

Eine rektilineare Projektion führt zu starken Verzerrungen am ­linken und rechten Rand 2. Die zylindrische Projektion vermeidet dies um den Preis bogenförmiger Verzerrungen 3. Panoramafotografie
Eine rektilineare Projektion führt zu starken Verzerrungen am ­linken und rechten Rand 2. Die zylindrische Projektion vermeidet dies um den Preis bogenförmiger Verzerrungen 3.

Für Panoramen, die ja einen möglichst großen Blickwinkel abbilden sollen, hat die rektilineare Projektion den Nachteil, dass dieser Winkel auf etwa 120° begrenzt ist. Um diese Grenze zu überwinden, brauchen Sie eine andere Projektion. Die zylindrische Projektion stellt einen Blickwinkel von 360° als Bildstreifen dar. Damit werden aber nicht mehr alle geraden Linien gerade dargestellt. Das ist nur noch bei den Senkrechten möglich, während Linien, die waagerecht oder schräg verlaufen, gebogen erscheinen. Die daraus resultie­rende Geometrie macht aber auch das Typische eines 360°-Panoramas aus 3. Eine Vedutismo- oder Panini-Projektion versucht, die Verzerrungsfreiheit der rektilinearen Projektion mit den großen Bildwinkeln zu verbinden, die die zylindrische Projektion erlaubt.

Warum ist die senkrechte Ausrichtung der Kamera so wichtig?

Wenn die vertikale Drehachse bei Panoramaaufnahmen nicht exakt senkrecht ist, erhält man nach dem Stitching meist einen Horizont, der wellig erscheint, was beispielsweise bei Landschaften stört und schwer in der Nachbearbeitung auszubessern ist. Bei Bauwerken und ähnlichen Motiven wirkt sich das entsprechend auf senkrechte Linien aus, die je nach dem Bildteil, in dem sie sich befinden, nach rechts oder links kippen 4. Eine Wasserwaage im Stativkopf hilft bei der richtigen Ausrichtung 5.

Panoramaaufnahmen mit um nur 3 Grad verstellter Hochachse 4 und mit exakt senkrecht ausgerichteter Drehachse 5. Panoramafotografie
Panoramaaufnahmen mit um nur 3 Grad verstellter Hochachse 4 und mit exakt senkrecht ausgerichteter Drehachse 5

Kann man für Panoramafotos einen Blitz verwenden?

Jein. Sofern ein Aufsteckblitz nicht sehr nahe am Objektiv angebracht ist, produziert er beim Drehen der Kamera unterschiedliche Schatten in benachbarten Bildern, die beim Stitchen dann nicht mehr zusammenpassen. Ein in Blickrichtung ausgerichteter Aufsteckblitz im Blitzschuh funktioniert also normalerweise nicht. Dagegen können Sie Blitze indirekt einsetzen und sollten sie dabei möglichst ver­stecken, so dass sie später nicht im fertigen Panorama erscheinen. Alternativ wäre ein Blitz senkrecht nach oben möglich, der an der Drehachse des Pano­ramakopfes aus­gerichtet ist. Er produziert indirektes Licht und konstante Schatten. Auch ein Ringblitz lässt sich in der Panoramafotografie nutzen.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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