Kompaktkameras führen wieder die Verkaufscharts an, und Kodak ist der derzeit beliebteste Kamerahersteller – da stimmt doch etwas nicht. Oder?
Die Gerüchteküche sonyalpharumors.com meldete es zuerst: In der jüngsten Top-10 der in Japan verkauften Kameras jedweder Art dominieren Modelle von Kodak – oder jedenfalls einem der Unternehmen, die derzeit eine Lizenz für den Markennamen „Kodak“ haben –, und ganz oben steht die Kodak PixPro FZ55. Nie gehört? Ich auch nicht.
Dabei waren die Kompaktkameras doch immer – auch von mir – für tot erklärt worden. Wohlgemerkt: Die Verkaufszahlen im Kompaktkameramarkt gingen zwar seit vielen Jahren stetig zurück, aber in einigen Nischen dieses Marktes geht es weiterhin sehr lebendig zu. Da gibt es beispielsweise die Kategorie der Edelkompakten wie die jüngst angekündigte Leica D-Lux 8 – Kameras mit einem größeren Sensor im MFT-, APS-C- oder Kleinbildformat; selbst von einer von Fuji geplanten Mittelformat-Kompakten wird gemunkelt. Auch Reisezoomkameras mit 1/2,3-Zoll-Sensor und einem Zoomfaktor von 10 und mehr sind weiterhin populär. Insgesamt schienen die Kompaktkameras aber keine nennenswerte Rolle mehr zu spielen, da Smartphones mit Kameramodulen ihre einstige Aufgabe übernommen hatten.
Die zumindest in Japan derzeit populären Modelle wie die PixPro FZ55 und das Schwestermodell PixPro FZ45 sind dagegen generische Digitalkameras, in irgendeinem Niedriglohnland aus billigen Standardkomponenten zusammengekloppt. Mit einem lichtschwachen 5-fach-Zoom, einem 1/2,3-Zoll-Sensor mit 16 Megapixeln und einem fest verbauten 2,7-Zoll-Display weist die FZ55 keinerlei Besonderheiten auf. Nicht einmal eine WLAN- oder Bluetooth-Verbindung zum Smartphone ist vorgesehen, aber dafür liegen die Preise zwischen 100 und 200 Euro. (Wer schon etwas länger digital fotografiert, braucht natürlich gar kein Geld auszugeben. Wenn ich im Keller nachschaue, würde ich bestimmt zwei oder drei ältere, noch funktionsfähige Kompaktkameras finden, die bessere Bilder als die neuen Kodak-Modelle abliefern dürften.)
Warum also sind diese lieblos konstruierten und gebauten neuen Kompaktkameras auf einmal so populär? Der schon seit Jahren anhaltende Retrotrend soll etwas damit zu tun haben. Allerdings: Als Retrokameras galten bislang vor allem Modelle im Look der 1960er und 1970er Jahre, die statt der marktüblichen Rändelräder ein dediziertes Verschlusszeitenrad und einen Blendenring am Objektiv haben. Manche Fotografen greifen konsequenterweise wieder zu ihren alten Analogkameras, und Ricoh/Pentax hat sogar eine neuentwickelte analoge Kamera vorangekündigt, die auf Kleinbildfilm bis zu 72 Bilder im Halbformat (als Zugeständnis an den Zeitgeist hochkant) belichten kann.
Das Motto von Kodak scheint aber weit von „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ entfernt zu sein. Wenn ihre Top-10-Kameras an die Vergangenheit erinnern, dann an die Untergeschosse von photokina-Messehallen, wo früher immer Dutzende weithin unbekannter Kamerahersteller auf kleinen Ständen ihre Kompaktkameras ausstellten. Die sahen alle gleich aus und boten nichts Bemerkenswertes, weshalb man die Namen ihrer Hersteller schnell vergessen oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen hatte.
Ich hatte mich schon damals nicht für solche Billigkameras interessiert und tue es heute noch viel weniger – zumal sie ja immer noch Geld kosten, für das man sich auch etwas Schönes kaufen könnte. Aber vermutlich bin ich einfach zu alt, um bei den neuesten Trends noch mitreden zu können.
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