Yashica – von der Legende zum Witz
Wochenlang hatte Yashica die Fotowelt auf die Folter gespannt: Sollte ein per Crowdfunding finanziertes Projekt tatsächlich eine neue, digitale Version der legendären Electro 35 aus den 60er Jahren bringen? Aber nein: Die geheimnisvolle Kamera hat sich als schlechter Witz entpuppt.
Yashica? Gibt es den 1949 im japanischen Nagano gegründeten Kamerahersteller denn überhaupt noch? 1983 war das Unternehmen von Kyocera geschluckt worden, die die Produktion zunächst fortführten und noch bis 2005 Digitalkameras unter den Markennamen Yashica und Contax herausbrachten. Dann war endgültig Schluss; 2008 wurde die Marke „Yashica“ an eine Unternehmensgruppe in Hong Kong verkauft. Die Firma, die hinter der Website yashica.com steht, hat also nichts mit dem Hersteller der Electro 35, der ersten Kleinbild-Messsucherkamera mit Zeitautomatik, oder der zusammen mit Zeiss entwickelten Spiegelreflexkamera Contax RTS zu tun.
Die gestern vorgestellte Yashica Y35 sieht zwar aus wie eine Electro 35, verwendet aber weder Kleinbildfilm noch ist sie, der äußeren Anmutung zum Trotz, eine Messsucherkamera. Es handelt sich um eine recht schlicht ausgestattete Digitalkamera mit einem winzigen 1/3,2-Zoll Sensor (noch kleiner als die 1/2,3-Zoll-Sensoren vieler Kompaktkameras), einem Objektiv mit einer Brennweite von umgerechnet 35 mm und einem optischen Sucher. Ein Display fehlt.
Um damit zu fotografieren, muss man zwei AA-Batterien und eine Pseudo-Filmpatrone einlegen, die weder einen Film noch ein digitales Speichermedium enthält – dazu ist noch eine Speicherkarte nötig. Die vermeintlichen Filmpatronen dienen vielmehr dazu, die Kamera zu konfigurieren, denn eine Menüsteuerung kann es ja mangels Display nicht geben. Je nach „Film“ fotografiert man mit ISO 200 oder 1600 in Farbe, mit ISO 400 in Schwarzweiß oder mit ISO 200 in einem quadratischen Format. Jede „Filmpatrone“ kostet extra; wer alle vier will, muss sich mit 150 US-Dollar an der Kickstarter-Kampagne beteiligen, die im November endet. Die Auslieferung ist allerdings erst für April 2018 geplant.
Folgt man dem Hersteller, so bringt die Y35 die Freude an der analogen Fotografie zurück, nur dass man keine Filme mehr entwickeln und vergrößern muss. Wie bei einer Filmkamera gibt es keine sofortige Kontrolle der Aufnahme auf einem Display. Die Y35 hat auch einen Schnellspannhebel, der zwar nicht dazu dient, einen Film zu transportieren und einen Verschluss zu spannen, aber gleichwohl gebraucht wird: Vor der ersten Aufnahme muss er mehrmals und dann vor jedem Foto einmal betätigt werden, um das begehrte analoge Feeling zu vermitteln.
Falls sich die Yashica Y35 im nächsten Jahr nicht doch als Aprilscherz entpuppt, ist sie das ultimative Hipster-Produkt: 100 Prozent Attitüde bei 0 Prozent Substanz. Aber das muss einem Erfolg ja nicht im Wege stehen.
Wenn das alles, wie geschildert, stimmt, ist das ein von und für Nerds, im ursprünglichen Sinn des Wortes, gebautes Stück.