Es ist mal wieder an der Zeit für eine Bildkritik. Wie wir aus vielen Jahren Erfahrung wissen, ist es ja insbesondere der notleidende Automobil-Sektor, der kein Geld für vernünftige Bildmontagen hat. Die Einsendung unseres Lesers Wolfgang Hinz bestätigt diesen Eindruck nun. Nicht nur die in einem Innenraum stehende Limousine mit gespiegelten und schattenwerfenden Ästen irritiert, auch der rüde Einsatz des Stempelwerkzeugs, der selbst Laien sofort ins Auge springt.
Im ersten Moment könnte man glauben, dem Bildmontierer sei gar nicht aufgefallen, dass das in einen Innenraum versetzte Auto im Freien fotografiert worden war, unter einem Blätterdach schattenwerfender Äste. Vielleicht hält er’s ja mit der uralten Weisheit des Hermetismus: Wie oben, so unten, oder variiert für Kfz-Monteure: Wie draußen, so drinnen.
Aber irgendwie sollte eine solche Neuplatzierung ja schon bemerkt werden, allein der Schatten wegen. Und ergänzend hat der Bildbearbeiter seine mangelnde Kompetenz ja auch noch dadurch unübersehbar demonstriert, dass er an verschiedenen Stellen das Stempel-Werkzeug so unbedacht einsetzte, dass Wiederholungsartefakte nicht zu übersehen sind. (Kleiner Tipp am Rande: Gestempeltes lässt sich über ein entsprechendes Fenster vielfältig beeinflussen; im Bedienfeld „Kopierquelle“ kann man skalieren, horizontal und vertikal spiegeln, einen beliebigen Rotationswinkel vorgeben und natürlich Deckkraft und Mischmodus definieren. So fällt Gestempeltes dann kaum noch auf.)
Ein weiterer Grund für die Annahme, dass auch Bildbearbeiter wissen, dass Bäume in der Regel nicht in Innenräumen wachsen, besteht darin, dass es auf der Webseite von AHAG weitere Fotos des Wagens gibt: Einige davon sind im Freien aufgenommen, und dort erkennt man dann auch die mitgeschleppte Vegetation.
Übrigens gibt es auf der Webseite noch ein weiteres merkwürdiges Foto, das mich zwar verwirrt, bei dem ich aber nicht behaupten will, dass es sich um eine mangelhafte Montage handelt. Bei dem schwarzen Auto beginnt der Schlagschatten der vorderen Stoßstange ungefähr dort, wo der Mann mit dem blauen Hemd steht. Also weit hinter dem Vorderreifen. Für einen solch flachen Einstrahlungswinkel müsste die Sonne recht tief stehen, was kaum zum Licht im Rest der Szene passt – allerdings zum Schlagschatten des erwähnten Mannes, während der des Autos sich nach links hin in Wohlgefallen auflöst. Das sieht zwar alles recht seltsam aus, aber eindeutig beweisen, dass es falsch ist, kann ich auch nicht.
Abgesehen vom Schatten des PKWs, der auf der linken Seite eine nicht erklärbare starke Delle aufweist, fällt mir aus fotografischer Sicht die extreme Unschärfe des Paars im Vordergrund auf. Die beiden befinden sich recht nahe am linken Radkasten, das blaue Auto ist knackscharf, die beiden sind jedoch sehr unscharf. Diese Unschärfe ist keine Bewegungsunschärfe, denn Bewegungsunschärfe ist je nach Geschwindigkeit des Körperteils stark unterschiedlich. Für mich sieht das nach Weichzeichner aus.
Die beiden im Vordergrund sind unschärfer als die Bäume im Hintergrund. So einen Schärfentiefenverlauf schafft kein Kamerasystem. Vorne starke Unschärfe, nicht mal einen Meter danach knackscharf, sehr scharf die nächsten zehn Meter bis zur Ecke des Schauraums, dann auch noch einigermaßen scharf die nächsten 15m bis zu den ersten PKWs, dann langsam zunehmende Unschärfe entlang des Zauns, der PKWs und dann in die Baumgruppe.
Das Paar vorne ist nach dem Lehrbuch der Fotografie zwar ein Objekt im Vordergrund das die Tiefenwirkung steigern soll, doch ich hätte den Bildaufbau so gestaltet, dass die wesentliche Aussage des Bilds zur Geltung kommt. Für mich sieht es so aus, als ob dem Gestalter des Werbefotos die beiden im Vordergrund in der fotografierten Schärfe zu aufdringlich erschieben, sie also freigestellt, weichgezeichnet eingefügt, und damit der Blick des Betrachters oder der Betrachterin auf das wichtige Objekt, das schwarze Auto mit dem gütigen Vater und dem lieblichen Kind, gelenkt wird. Nur der Hund auf dem Rücksitz fehlt noch zur Familienidylle.
Fachlich ist die Kritik in allen Belangen zu bestätigen, aber wer den Markt kennt, weiß das für solche Retuschen kein Geld ausgegeben wird. Die Autohäuser übertragen spezialisierten Autohändlern-Agenturen, eine der größten davon sitzt in Koblenz, die Aufgaben der Bildbearbeitung und Pflege Der Bilddaten für die eigene Websiten und den Datenbestand bei Mobile.de etc. Die rufen dabei Preise auf, für die es sich noch nicht einmal lohnt den Mac anzuschalten. Ästhetik zählt dabei nicht. Autos werden einzig über die technischen Daten und den Preis verkauft.