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Wie Verzicht auf mobiles Internet unsere visuelle Kreativität steigern kann

Die Vorstellung, zwei Wochen ohne mobiles Internet auszukommen, erscheint vielen wie ein Albtraum. Doch welche Auswirkungen hätte solch eine digitale Auszeit auf unsere kreative Arbeit als Fotografen und Bildbearbeiter? Eine aktuelle wissenschaftliche Studie liefert überraschende Erkenntnisse, die besonders für visuell arbeitende Kreative relevant sind.

Was die Forschung zeigt

Die von Forschern um Noah Castelo durchgeführte Studie mit dem Titel „Blocking mobile internet on smartphones improves sustained attention, mental health, and subjective well-being“ untersucht die Auswirkungen eines temporären Verzichts auf mobiles Internet. Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Die Teilnehmer zeigten eine signifikante Verbesserung ihrer Aufmerksamkeitsspanne, ihres psychischen Wohlbefindens und ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit.

Besonders die verbesserte Fähigkeit zur anhaltenden Konzentration ist für Bildeermacher von enormer Bedeutung. Die Studie, veröffentlicht im renommierten Journal PNAS Nexus, belegt, was viele Kreative intuitiv vermuten: Die ständige digitale Ablenkung beeinträchtigt unsere Fähigkeit, tief und fokussiert zu arbeiten.

Die Aufmerksamkeitskrise

Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne des Menschen ist in den letzten Jahren dramatisch gesunken – ein Phänomen, das oft mit der zunehmenden Smartphone-Nutzung in Verbindung gebracht wird. Für Kreativschaffende, die auf tiefe Konzentration und visuelle Achtsamkeit angewiesen sind, ist dies besonders problematisch.

Das endlose Scrollen durch Bildfeeds trainiert unser Gehirn auf oberflächliche Informationsverarbeitung. Dies beeinträchtigt langfristig die Fähigkeit, visuelle Details wahrzunehmen und fotografische Kompositionen tiefgründig zu entwickeln – Kernkompetenzen für jeden ernsthaften Fotografen.

Bewusster sehen durch digitale Auszeit

Obwohl die Studie nicht speziell die Auswirkungen auf fotografische Kreativität untersucht hat, lassen sich wichtige Parallelen ziehen. Die verbesserte Aufmerksamkeitsspanne könnte direkt mit einer geschärften visuellen Wahrnehmung zusammenhängen – für Fotografen ein unschätzbarer Vorteil.

Ohne die permanenten digitalen Ablenkungen haben wir die Chance, unsere Umgebung wieder bewusster wahrzunehmen. Lichtspiel, Farbkompositionen und visuelle Details, die wir im digitalen Dauerrauschen übersehen würden, treten wieder in den Vordergrund unserer Wahrnehmung.

Entschleunigung des kreativen Prozesses

Ein weiterer interessanter Aspekt der Forschungsergebnisse ist die veränderte Zeitwahrnehmung. Teilnehmer ohne mobiles Internet berichteten von einem entschleunigten Zeitgefühl – ein Zustand, der für tiefe kreative Arbeit förderlich ist.

Diese entschleunigte Wahrnehmung ermöglicht es Fotografen, sich intensiver mit einzelnen Motiven und Bildkompositionen auseinanderzusetzen, anstatt hastig von einem Shot zum nächsten zu eilen. Die Qualität der Bildkonzeption profitiert von dieser bewussteren Herangehensweise.

Balance zwischen digitaler Inspiration und Fokus

Die Lösung liegt nicht in einem kompletten Verzicht auf digitale Medien. Internet und soziale Netzwerke bieten wertvolle Inspirationsquellen und Austauschmöglichkeiten für Fotografen. Es geht vielmehr um eine bewusstere Balance – um strategische digitale Auszeiten, die den kreativen Prozess fördern.

Ein praktischer Ansatz: Definieren Sie bestimmte Tage oder Zeitfenster als „Offline-Zeit“ – besonders während wichtiger Projekte oder Fotoshootings. Auch das Deaktivieren von Push-Benachrichtigungen während kreativer Sessions kann die nötige Konzentration fördern, die für hochwertige fotografische Arbeit unerlässlich ist.

Fazit: Mentaler Raum für visuelle Kreativität

Die Studienergebnisse unterstreichen, was viele erfolgreiche Fotografen bereits praktizieren: Der Schlüssel zu mehr Kreativität und besseren Bildergebnissen liegt nicht unbedingt in weiteren digitalen Tools, sondern oft in bewussten Auszeiten von der permanenten Vernetzung.

Die wissenschaftlich nachgewiesene Verbesserung der Aufmerksamkeitsspanne durch den Verzicht auf mobiles Internet könnte sich direkt auf die Qualität fotografischer Arbeit auswirken.

Wagen auch Sie das Experiment: Eine zeitlich begrenzte Auszeit vom mobilen Internet, ausgestattet nur mit Ihrer Kamera und einem geschärften Blick für die Welt um Sie herum. Die Resultate könnten Ihre fotografische Arbeit auf ein neues Niveau heben.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

Kommentar

  1. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält…
    Offline ist das natürlichste was es gibt. Aber nicht ganz. Denn es gibt noch andere Arten des „Onlines“: Die Herstellung der Beziehung zur Natur und zum Kosmos allgemein waren immer relevanten Triebfedern der Menschen, wegen der Schönheit, wegen der Erkenntnisse und vor allem auch in Bezug für das Überleben. Wissenschaft ist schon was feines, nur warte ich nicht auf deren Erkenntnisse um etwas für richtig oder nicht richtig zu halten. Viel Aufwand für etwas, was man eigentilch auch so wissen sollte. Aber wenn es die Betreffenden weiterbringt und weniger am Display hängen pass es auch.

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