Wenn im Pixel wenig los ist
Die jüngst auf der CES angekündigte Nikon D5 macht mit fabelhaften Empfindlichkeitswerten von sich reden: Im erweiterten Modus soll sie ISO 3.280.000 erreichen, also 3,28 Millionen. Damit könnte man noch in dunkler Nacht fotografieren, aber kann es dabei überhaupt mit rechten Dingen zugehen?
Aufgrund ihrer moderaten Auflösung von 20,8 Megapixeln sind die Sensorpixel des Vollformatmodells D5 gar nicht so klein. Ihre Kantenlänge beträgt 6,4 µm, aber selbst die Sony Alpha 7S II mit 8,4 µm großen Pixeln erreicht „nur“ ISO 409.600. Wenn die Kamera gemäß ISO 3.280.000 belichtet, trifft auf jedes einzelne Pixel extrem wenig Licht, und da Licht aus einzelnen Lichtteilchen, den sogenannten Photonen besteht, heißt das, dass in jedem Sensorpixel nur sehr wenige Photonen aufschlagen. Man wird die Zahl der Photonen an den Fingern einer oder beider Hände abzählen können. Werden so erzeugte Bilder nicht fürchterlich rauschen? Natürlich werden sie das. Aber interessanterweise ist es gerade das Rauschen, aufgrund dessen aus so wenigen Photonen überhaupt noch (in engen Grenzen) verwendbare Bilder entstehen.
Bildrauschen stammt aus verschiedenen Quellen; es entsteht im Sensor, beim Auslesen und auch noch bei der Quantisierung der Signale, also der Umsetzung elektrischer Spannungen in Zahlenwerte. Diese Arten des Rauschens kann man mit verschiedenen technischen Maßnahmen verringern, aber es gibt noch eine Art des Rauschens, die sich weder reduzieren noch beseitigen lässt: das Photonenrauschen. Schon das einfallende Licht ist verrauscht, denn die Zahl der Photonen, die bei einer bestimmten Lichtstärke auf ein Pixel fällt, ist nicht konstant, sondern zeigt zufällige Variationen. Im englischen Sprachraum nennt man das „shot noise“, also „Schrotrauschen“, denn wie die Schrotkugeln fliegen auch die Photonen nicht in einer regelmäßigen Formation durch den Raum. Das Photonenrauschen lässt sich mathematisch exakt angeben: Das Verhältnis des Signals zum Rauschen entspricht der Quadratwurzel der Photonenzahl. Die einzige Möglichkeit, das Signal gegenüber dem Photonenrauschen zu verstärken, bestünde darin, mehr Licht und damit mehr Photonen zu sammeln, aber bei der Fotografie mit hohen ISO-Werte geht es ja gerade darum, mit wenig Photonen auszukommen.
Das Hauptproblem mit einer geringen Zahl von Photonen ist gar nicht so sehr, dass die so erzeugten schwachen Signale im Sensorrrauschen untergehen könnten. Dagegen gibt es, wie erwähnt, durchaus Mittel. Aus wenigen Photonen kann man aber keine feine Tonwertdifferenzierung zaubern. Wenn beispielsweise bis zu 8 Photonen von einem Pixel registriert werden (ein durchaus realistisches Szenario bei ISO-Werten im Millionenbereich), gibt es von 0 bis 8 auch nur 9 Tonwertstufen, von denen allein 4 auf die oberste Blendenstufe des Tonwertumfangs entfallen. Insgesamt ist die Differenzierung extrem grob und Tonwertabrisse wären die eigentlich unvermeidbare Folge. Daran kann auch keine Verstärkung etwas ändern, denn die Zahl unterschiedlicher Werte bliebe ja gleich.
Nun aber kommt das Photonenrauschen ins Spiel. Nehmen wir an, der präzise Tonwert entspräche nicht genau 4 oder 5, sondern 4,5 Photonen. Da sich Photonen nicht teilen lassen, bleibt das Theorie; ein Pixel kann von 4 oder 5, aber nicht noch von einem halben Photon getroffen werden. Da die tatsächliche Trefferzahl aber aufgrund des Photonenrauschens statistischen Schwankungen unterliegt, werden einige Pixel 4, andere 5 Photonen registrieren. Bei einem Tonwert entsprechend 4,5 Photonen wird jeweils ungefähr die Hälfte der Pixel von 4 beziehungsweise 5 Photonen getroffen werden. Bei einem Tonwert entsprechend 4,6 Photonen würde die Zahl der Pixel mit 5 Treffern dagegen etwas größer sein und sich dieses Ungleichgewicht bei 4,7 noch weiter verstärken. Das Photonenrauschen erzeugt also ein rauschartiges Dithermuster, das wie jedes Dithermuster die Tonwertdifferenzierung vergrößert – in diesem Fall auf Zwischenwerte, die sich mit den stets ganzen Zahlen von Photonen eigentlich gar nicht darstellen lassen. Selbst im Bereich zwischen 0 und 1 Photonen könnten so noch Abstufungen sichtbar gemacht werden – vorausgesetzt, dass das übrige Rauschen das Signal nicht gänzlich überdeckt.
Natürlich funktioniert das nur, wenn man den Tonwert auf Basis einer größeren Zahl von Pixeln bestimmt; den Zugewinn an Tonwertdifferenzierung müssen wir also mit einem Verlust an Detailauflösung bezahlen. Ganz ähnlich druckt ein Tintendrucker zwar Tausende von Farbpunkten pro Zoll (dpi) auf das Papier, braucht aber eine größere Zahl solcher Punkte, um Farbe und Helligkeit eines Bildpixels fein abgestuft darstellen zu können. Die sinnvoll druckbare Bildauflösung liegt daher eher bei 300 ppi. Die fabelhaften ISO-Werte der Nikon D5 sind also tatsächlich mehr als eine bloße Spielerei, auch wenn man in der bildmäßigen Fotografie kaum Gebrauch von diesen Extremen machen wird.