Wem gehören die Bilder?
„Die Bilder der Welt sind nun in Peking“, hieß es in der FAZ, so als wären wir noch in der Zeit, als die „Gelbe Gefahr“ beschworen wurde. Natürlich ist das Unsinn. Richtig ist allerdings, dass die Bilder von Corbis Images künftig dem Archiv des bisherigen Rivalen Getty Images eingegliedert werden und dass die Visual China Group über ihre Tochter Unity Glory dabei eine entscheidende Rolle gespielt hat. Was für Konsequenzen hat die Megafusion der großen Bildagenturen und was kann jeder von uns tun, um historische Bilder allgemein zugänglich zu machen?
Für rund 20 Jahre waren Getty Images und Corbis Images Rivalen um den Schwergewichtstitel der Bildagenturen und seit Ende Januar 2016 ist klar, dass Getty Images gewonnen hat. Bill Gates’ Corbis Images, das sich 1995 durch den Kauf des Bettmann-Archivs mit seinen 16 Millionen Bildern als wichtige Bildagentur etabliert hatte, setzte danach seine Einkaufstour fort und erwarb unter anderem die 40.000 Bilder aus dem Nachlass von Ansel Adams. Der 1995 gegründete Mitbewerber Getty Images hielt bislang die Rechte an rund 200 Millionen Bildern und wird künftig auch den Bestand von Corbis in sein Angebot integrieren. Dazu dient eine Partnerschaft mit der Visual China Group, die schon bisher den chinesischen Markt für Getty betreute und nun die Bildrechte von Corbis Images zu einem ungenannten Preis aufgekauft hat. Die Originale, die tief unter der Erde kühl und trocken gelagert sind, übernimmt Getty Images selbst; die Details sind noch nicht bekannt. Das kombinierte Getty-Corbis-Archiv wird künftig von Getty Images vermarktet – mit Ausnahme des chinesischen Marktes, für den die Visual China Group zuständig bleibt.
Durch die Fusion droht ein Monopol zu entstehen, was zu steigenden Lizenzgebühren für Stockfotos führen könnte. Da dieser Markt aber in jüngster Zeit einen schleichenden Preisverfall erlebt hat, dürfte das insbesondere für Fotografen nicht von Nachteil sein. Kritische Stimmen wie der oben zitierte FAZ-Autor sprechen allerdings noch ein anderes Problem an: Die großen Bildagenturen kontrollieren das fotografische Erbe der Menschheit, und was ist davon zu halten, wenn dieses nun den Verwertungsinteressen eines einzigen Unternehmens unterworfen ist? Die Verfügbarkeit der Bilder ist nicht bedroht, besteht doch Getty Images’ Geschäftsmodell an deren Vermarktung, aber ein ungutes Gefühl bleibt.
Die Frage ist natürlich, was denn die Alternative wäre. Professionelle Fotografen müssen mit ihren Bildern Geld verdienen, und das geschieht oft in der Weise, dass sie die Verwertungsrechte an den Fotos verkaufen. Das Geld, mit dem letztendlich Fotografen ihren Lebensunterhalt bestreiten, muss irgendwo her kommen. Man könnte sich idealerweise vorstellen, dass staatliche Museen im großen Stil Bildrechte aufkaufen und die Bilder der Allgemeinheit zugänglich machen würden, aber die dafür verfügbaren Mittel sind begrenzt. In meiner Heimatstadt Hamburg genießt die Fotografie eine hohe Wertschätzung, aber die Museen taten sich zunächst schwer, dieses Medium in ihre Sammlungen zu integrieren. Die Hamburger Kunsthalle besaß einst eine solche Sammlung, die nach dem Krieg an das Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) abgetreten wurde – zum nachträglichen Bedauern der heute Verantwortlichen. Das MKG sammelt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Fotografien und verfügt aktuell über mehr als 75.000 Bilder. Zum Aufbau dieser Sammlung reichte der durch Steuermittel finanzierte Etat des Museums aber nicht aus; hier halfen der Freundeskreis des Museums sowie Schenkungen, etwa von Prof. F. C. Gundlach. Das MKG treibt die Digitalisierung und Veröffentlichung seiner Bestände voran und der Vorreiter ist hier die Sammlung Fotografie und neue Medien. Viele der online recherchierbaren Bilder sind gemeinfrei und daher ohne Lizenz nutzbar.
Solche staatlichen Sammlungen leisten eine wichtige Arbeit, sind aber rein zahlenmäßig kein Konkurrent zu kommerziellen Bildagenturen, selbst wenn man nur die historischen Bilder betrachtet. Wenn wir das fotografische Erbe der Menschheit kapitalistischen Verwertungsinteressen entziehen wollen, müssen wir die Etats der Museen vergrößern, die sich in diesem Bereich engagieren, aber dafür scheint es keine bedeutende Lobby zu geben. Es genügt nicht, darüber zu jammern, dass Geld immer noch die Welt regiert; wir müssen uns politisch dafür engagieren, dass unsere Steuer-Euros für die Zwecke ausgegeben werden, die uns am Herzen liegen.
Daneben können wir uns auch direkt einbringen, etwa in einem Freundeskreis, wie ihn heute viele Museen haben, und die deren Arbeit finanzieren helfen. Ich bin selbst Mitglied des Freundeskreises des Speicherstadtmuseums. Auch diesem mit 64.000 Besuchern pro Jahr eher kleinen Museum liegt die Pflege von Bildarchiven am Herzen, konkret das Archiv der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), dessen analoge Schätze in mühevoller Kleinarbeit gesichtet, verschlagwortet und digitalisiert werden müssen (eine Auswahl zeigt jetzt der Bildband „Der Hafen. Fotografien des Hamburger Hafens 1930–1970“). Historische Bildbestände nicht nur zu erhalten, sondern auch der Allgemeinheit zugänglich zu machen, erfordert viel Engagement und läuft oft auf eine freiwillige Selbstausbeutung hinaus, wenn keine Institution die eigentlich nötigen Mittel bereitstellen will oder kann. Für jeden, dem Fotos als Kulturgut am Herzen liegen, gibt es viel zu tun.