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Wahrheitsmonopol: Fake News und Fake Images

Wahrheitsmonopol: Fake News und Fake Images
Wahrheitsmonopol: Fake News und Fake Images | Montage: Doc Baumann

 

Mit falschen oder verfälschten Bildern lässt sich die Vorstellung der Mediennutzer von der Wirklichkeit manipulieren, ebenso wie mit sprachlichen Lügen. Dass Falschmeldungen plötzlich so stark ins öffentliche Interesse rücken und als Fake News und scheinbar neue Erscheinung Aufmerksamkeit erregen, ist verwunderlich. Wir wollen Lügen in den Medien nicht hinnehmen, das ist klar – ob aber ein Gesetz gegen Fake News mit dem Bundespresseamt als Kontrollinstanz der richtige Weg ist, wagt Doc Baumann zu bezweifeln.

Über wirklichkeitsverfälschende Bildmontagen habe ich hier und vor allem in DOCMA schon viel geschrieben. Wobei, genau genommen, die Montagen selbst die Wirklichkeit ja nicht (ver)fälschen, sondern nur Bilder sind, denen nichts Reales zugrundeliegt. Das ist an sich nicht bedenklich, denn nahezu jeder Film und jedes Kunstwerk tut etwas Ähnliches. Auch Werbung arbeitet mit diesen Mitteln, zum Teil ironisch oder humorvoll übertreibend – zum Teil Übertreibungen als Tatsachen ausgebend. Verfälschende Bildmontagen wollen aber keine Kunst oder Fiktion sein, sondern uns weismachen, das Gezeigte habe so oder ähnlich tatsächlich existiert. Unser Vorstellung der Wirklichkeit wird durch solche Bilder also verzerrt und wir machen uns ein „Bild“ der Realität, das dieser nicht angemessen ist. Stattdessen entwickeln wir Vorstellungen, die den Absichten der Fälscher folgen und oft ihre Interessen bedienen.

Das gilt für Bilder, es gilt aber ebenso für Sprache und Geschriebenes. Aus Platzgründen kann ich hier nicht darauf eingehen, warum ich es für grundlegend falsch halte, in Bezug auf Bilder von „Lügen“ zu sprechen. Auch wenn das immer wieder so zu lesen ist: Bilder können nicht lügen.


Fake News und Fake Images: Falschmeldungen gibt es, seit es Texte gibt


Falschmeldungen gibt es, seit es Texte gibt. Teils sind es bloße Irrtümer, dann glaubt auch der Urheber, es sei tatsächlich so gewesen – dennoch ist das keineswegs harmlos, denn auch ungeprüft weitergegebene und aufgeblasene Fehlinformationen können erhebliches Unheil anrichten. Glaubt der Urheber den Inhalt der Nachricht selbst nicht, lügt er. Und das gilt allgemein als verwerflich. In der Regel werden damit Absichten verfolgt, die im Interesse des Urhebers liegen und nicht selten anderen schaden.

Vor allem die Boulevard-Presse ist voller Meldungen, deren Wahrheitsgehalt aus guten Gründen bezweifelt werden darf. Dennoch sind es nicht solche Nachrichten, die das aktuelle Schimpfwort „Lügenpresse“ begründet haben, sondern politisch unliebsame Meldungen und Analysen, die nicht zum Weltbild bestimmter, rechter Gruppen passen. Als moralisches Urteil kann dieser Kampfbegriff aber kaum gemeint sein, denn ein Großteil der nun Fake News genannten Meldungen stammt aus eben dieser Ecke.

Die traditionellen Medien haben dank professioneller Mitarbeiter/innen eine gewisse Filterfunktion, welche die Gefahr reduziert, dass Falschmeldungen verbreitet werden. Diese Struktur schließt weder Irrtümer noch Lügen aus, sie macht sie lediglich weniger wahrscheinlich. Hinter den im Web verbreiteten Nachrichten steckt dagegen oft nur eine Person, selten mit professionellem Hintergrund bezüglich Recherche und Prüfung von Fakten. Die an der Tastatur zusammenfantasierten Sätze sind oft bloße Behauptungen, die sich den Anschein von Wahrheit geben, Wiedergaben vom Hörensagen oder Meinungsäußerungen.

Fake News und Fake Images – Falschmeldungen sind gefährlich. Diesen Satz wird letztlich jede/r unterschreiben; man muss als Beispiel nur den eigenen Namen nehmen und ihn in die Textnachricht setzen: „X.Y. auf frischer Tat bei der Vergewaltigung eines Kindergartenkindes ertappt“. Als Sahnehäubchen: „X.Y. gibt zu: Ja, ich habe das getan, aber nur ein paar Mal.“ Und als Bildbearbeiter steuern wir dazu mühelos das entsprechende „Beweisfoto“ bei. Das fände wohl niemand nett oder angemessen.

Ob wir sie nun Fake News nennen oder schlicht traditionell Falschmeldungen: Der Wunsch, ihnen entgegenzutreten und das Behauptete richtigzustellen, ist angemessen und richtig. Die viel wichtigere Frage ist die nach dem „wie“, aber auch die nach dem „was“. Denn es wäre kaum einsichtig, fürs Web – insbesondere für soziale Netze – ein schnell und einfach zu handhabendes Instrument für Löschungen oder Richtigstellungen zu schaffen, herkömmliche Medien oder andere Nachrichtenkanäle aber davon auszunehmen.

Facebook etwa hat angekündigt, Nutzer könnten künftig eine Meldung als „umstritten“ kennzeichnen; sie bleibt online, wird aber mit diesem Siegel versehen. Seit es einfach zu realisierende digitale Bildmanipulationen gibt, wird diskutiert, wie man bearbeitete Bilder in den Medien kenntlich machen könnte, ohne dass bisher etwas passiert ist. Und nun soll das plötzlich klappen?

Nehmen wir ein Beispiel. Ein Medium meldet: „Der Autohersteller X hat die Software für Dieselfahrzeuge so manipuliert, dass falsche Messergebnisse entstehen und die Umwelt weit stärker geschädigt wird.“ Einem Nutzer, etwa einem X-Ingenieur, passt die Meldung nicht und er setzt das entsprechende Häkchen. Schon wird eine seriös recherchierte und wahre Aussage als „umstritten“ in Zweifel gezogen, und das würde für alle Nachrichten so funktionieren. Schlimmer noch: Die Meldung ließe sich unter Umständen sogar als definitiv falsch kennzeichnen, weil offen bleibt, welcher Bestandteil davon in Zweifel bezogen wird. Hat etwa X die Dienstleistungsfirma Y für die Manipulation beauftragt, ist er selbst im strengen Sinne tatsächlich nicht der Verursacher, obwohl die Behauptung insgesamt stimmt.

Facebook geht nun einen Schritt weiter und plant, als „umstritten“ gekennzeichnete Meldungen von Fact-Checkern überprüfen zu lassen und einen Link zu deren Gutachten zu setzen. Das klingt ganz vernünftig – sofern diese Checker zu Recht allgemeines Vertrauen verdienen und garantiert unabhängig sind.


Fake News und Fake Images: Die Idee mit den Fact-Checkern weist in eine sinnvolle Richtung.


Bemerkenswerterweise gehen jedoch die Überlegungen der Bundesregierung in eine andere Richtung; sie will gegebenenfalls Fake News von anderen Fact-Checkern überprüfen lassen – nicht von unabhängigen, sondern vom Bundespresseamt.

Wie ich oben schon erwähnte: Wenn Web-Nutzer vor Falschmeldungen geschützt werden sollen, haben Zeitungsleser und TV-Zuschauer das gleiche Recht. Das bedeutet, dass auch solche Meldungen mit guten Gründen bezweifelt werden dürften, und das betrifft dann nicht bloß die Medien, die sie weitergeben, sondern auch die Pressesprecher von Unternehmen, Institutionen, Behörden, Parteien oder der Regierung, von denen sie ursprünglich stammen.

Würden die aktuellen Regierungspläne realisiert, könnten unter den genannten Bedingungen also zum Beispiel Tatsachen aufgeführt werden, die offizielle Verlautbarungen als unwahrscheinlich oder fragwürdig erscheinen lassen. Die sollten dann von Fact-Checkern überprüft werden, die naturgemäß eine höhere Kompetenz haben müssten als professionelle Rechercheure. Nehmen wir einmal an, das sei möglich. Fälle, in denen Regierungen mit Dementis gelogen haben, gibt es zur Genüge. Sollte also wirklich das Wahrheitsmonopol bei der Regierung selbst liegen, die damit definiert, was eine wahre oder falsche Aussage ist (und noch stärker als ohnehin unliebsame Behauptungen etwa als Verschwörungstheorien diskreditieren könnte)?

Die Idee mit den Fact-Checkern weist in eine sinnvolle Richtung. (Bemerkenswerterweise waren es ja eben diese Fact Checks, die sich Donald Trump bei seinen TV-Duellen mit Hillary Clinton vehement verbeten hatte. Als Präsident wird er da kaum umschwenken.) Aber die Idee hat nur dann eine Zukunft und demokratische Legitimation, wenn die völlige Unabhängigkeit der Prüfer garantiert ist. Angesichts der Menge von Meldungen auf allen Kanälen, die mit guten Gründen als „umstritten“ gewertet werden können, kann der Bund schon mal ein paar tausend Planstellen vorsehen, damit die Antragsteller nicht – ähnlich wie bei Gerichten – ein paar Jahre warten müssen, bis ihre Beschwerde bearbeitet ist.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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