Vom Wert der Fotografie: Wie 3D und KI meine Einstellung zum Fotografieren verändert haben
Bildbearbeitung hatte für mich immer einen höheren Stellenwert als die Fotografie. Fotografie zeigt nur das, was ist. Ich wollte immer etwas erschaffen, das es nicht gibt. Dafür benötigte ich Einzelteile, die ich mir zusammenfotografierte. Durch 3D und vor allem KI hat sich meine Perspektive nachhaltig verändert. Zugunsten der Fotografie!
Fotografie als Mittel zum Zweck
Wie oben erwähnt, war Fotografie für mich immer nur Mittel zum Zweck. Malen und zeichnen kann ich halbwegs, aber nie so gut, wie ich es gern gehabt hätte. Die analoge Fotografie war mir mit ihrem (technisch natürlich Spaß machenden) Prozessen immer zu umständlich, langatmig und teuer. Deshalb fotografierte ich erst, als Digitalkameras erschwinglich wurden. Und zwar alles, was ich später einmal als Versatzstück für eine Fotomontage gebrauchen könnte: Baumaschinen, Kabel, Leitungen, Oberflächen, Texturen, Hintergründe. Mit und ohne Licht. Aus verschiedenen Winkeln.
Aus fotografischer Sicht könnte man beim Durchblättern meines früheren Bildkatalogs die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Denn da ging es selten darum, ein fertiges Foto zu erhalten, sondern eben ein möglichst detailreiches Bild eines Versatzstückes in passenden Blickwinkeln für Fotomontagen.
Das Ende der Fotografie: 3D
Ein erstes Umdenken fand bei mir statt, als ich begann, mich mit 3D zu beschäftigen. Ich fotografierte dann eher Texturen. Einfach geformte Objekte fotografierte ich aber plötzlich gar nicht mehr. Die kann man ja in 3D-Software einfach basteln, texturieren und sogar passend beleuchten. Kabel, Kisten, Wände, Reifen … alles kein Problem.
Aber 3D wurde schnell zum großen Zeitfresser, wenn ich größere Projekte anging.
Von denen habe ich haufenweise angefangene, aber nie beendete Ideen und Dateien auf der Festplatte, bei denen ich immer wieder an eine Hürde stieß. Beispielsweise konnte mein Rechner oft nicht mehr die Anforderungen erfüllen, schon weil ich unbescholtenerweise viel zu polygon-reich modelliert hatte.
Dann die Durststrecke der Leistung bei Macs (PC wollte ich nicht). Anschließend, weil mein Programm der Wahl zwar an sich ganz toll war und ist (Foundry Modo; fast wie Photoshop), aber die Performance immer schlechter wurde (daran wird jetzt endlich gearbeitet; vielleicht kann ich noch einige Projekte fertigstellen – oder ich muss mal intensiver zu Blender hinüberschielen).
Jedenfalls ist bei 3D insbesondere Zeit und Technik der limitierende Faktor. Ansonsten eine tolle Geschichte – die mein Auge für Fotos, Licht und Schatten deutlich verändert hat.
Das Ende der Fotografie: KI
Seit inzwischen knapp über einem Jahr geht die generative KI durch die Decke. Allen voran im Hinblick auf Qualität: Midjourney, Stable Diffusion und – zumindest im Hinblick auf einfache Benutzung – Adobe Firefly.
Im Prinzip bräuchte ich jetzt – für Fotomontagen – gar nicht mehr fotografieren. Tatsächlich bräuchte ich nicht einmal mehr Fotomontagen erzeugen, weil die KI doch für mich komplette Bilder ausspucken kann, oder?
Das kann sie in der Tat. Jedoch wird das Ergebnis nie genau so, wie ich es mir vorstelle – manchmal besser, manchmal schlechter. Aber immer etwas daneben. Der Prozess ist ja, dass man einer KI erzählt, was man möchte. Sie generiert mehrere Bilder, von denen ausgehend man den Prompt immer weiter verfeinert und mit dem Erzeugen von Image-to-image-Variationen sich dem Gewünschten immer mehr annähert. Letztlich fühlt sich das für mich an, wie das Suchen in einem unendlich großen Stockfoto-Archiv. Das Tolle: Man kann in Minuten bis wenigen Stunden Ideen umsetzen, für die man früher erheblich länger gebraucht hätte – WENN man denn überhaupt dazu in der Lage ist. Das ist super.
Künstlerisch ist der Prozess aber wenig befriedigend. Ich nutze KI – in erster Linie Stable Diffusion – deshalb fast wieder so wie meine erste Digitalkamera: Ich erzeuge Versatzstücke, Texturen und Effekte für Fotomontagen und 3D, die ich anschließend in Photoshop zusammenfüge.
Mehr zur Story des Bildes finden Sie bei Interesse hier (die ganze Bilderserie werde ich auf meinem Behance-Profil veröffentlichen).
Entspannter fotografieren
Dank 3D und KI müsste ich jetzt eigentlich nicht mehr fotografieren, oder?
Das Gegenteil ist der Fall!
Erst die beiden neuen Technologien haben in mir wieder den Spaß am Fotografieren entfacht. Denn mit der Kamera in der Hand denke ich jetzt ganz anders:
- Ich muss nicht mehr alles fotografieren, was ich einmal später für eine Montage gebrauchen könnte.
- So kann ich ausschließlich nach wirklich interessanten Motiven schauen und versuchen, diese so zu fotografieren, dass ich in der Bearbeitung nicht mehr massiv nachbessern muss.
- Ich lebe im Moment des Fotografierens. Ich gehe also nicht mehr hunderte Bildideen und Erinnerungen im Kopf durch, um zu entscheiden, was ich mit einem fotografierten Objekt einmal anfangen KÖNNTE. Ich entscheide nur für den aktuellen Moment anhand des Motivs, ob es wert ist, den Auslöser zu drücken. Der Zufall ist dabei immer ein wunderbarer Freund.
- Ich habe wieder Lust auf on-location-Shootings mit echten Menschen-Modellen 😉 bekommen. Einfach für das Miteinander, die Interaktion und das Einfangen des Moments. Nur für meine eher „abgefahreneren“ Bildideen bräuchte ich dank 3D und KI keine Models mehr. Die sind inzwischen fotorealistisch.
Alles in allem hat die massive Flut an KI-Bildern meine Wertschätzung für echte Fotografie erhöht und vor allem meine persönliche Einstellung zum Fotografieren nachhaltig verändert.
Der Wert der Fotografie
Aber machen wir uns nichts vor: Die Wertschätzung von Bildern aller Art geht schon seit Jahren den Bach runter. Nicht nur, weil Videos immer noch wachsend das wichtigere Medium darstellen, sondern auch, weil es insbesondere durch den Siegeszug von Smartphones und Social-Media-Plattformen eine Fotoschwemme gibt, wie sie die Welt noch nie gesehen hat. KI setzt hier noch einmal eins drauf. Der Großteil an Gebrauchsgrafiken und -bildern wird durch KI übernommen. Nur hochwertigste, kreative Arbeiten können dagegen bestehen und anständig bezahlt werden.
Insofern zählt – gerade als Amateur – eigentlich nur noch, was SIE selbst vom Fotografieren erwarten, welchen Wert SIE ihm zumessen und wie viel Spaß IHNEN das Ganze macht. Dabei geht es nicht zwangsläufig um das Endergebnis allein. Deshalb gibt es beispielsweise immer noch Fotografen, die auf analoge Fotografie setzen. Ganz persönliche Vorlieben für Technik und Abläufe spielen hier eine Rolle.
Rein objektiv gesehen, kann die Fotografie NIE ersetzt werden, wenn es um das Einfangen eines entscheidenden Moments, das Abbilden einer echten Szene und das Festhalten eines Geschehens für die eigene (oder kollektive) Erinnerung geht (Dokumentation).
Das ist doch etwas – obwohl Videos für diese Zwecke doch bessere Dienste leisten dürften. Ein Foto ist insofern eine Entscheidung. Eine Entscheidung für EINEN Moment. Und genau das ist der Charme der Fotografie.
Keine KI der Welt kann den Moment ersetzen, wenn ein Hirschbock im eigenen Garten posiert, man einen kleinen Wildvogel mit Wurm im Schnabel erwischt, das Fotomodel echte Emotionen zeigt oder man die eigene Katze in einer süßen Pose ablichtet. Jedes dieser folgenden Fotos bedeutet für den einen vieles, für den anderen nichts.
So wie es bei allen Bildern ist.
Chapeau zu diesem foto-philosophischen Gedankengang. Genau diese Frage: – wozu noch fotografieren? – ist heute bei weitem wichtiger und interessanter als die endlosen Diskussionen über Fototechnik, KI, usw.
Vielen Dank und ja, die viele eindrucksvolle und teure Technik und alle neuen Möglichkeiten, die wir zur Verfügung haben, sind nur Mittel zum Zweck. Was der Zweck und Sinn von alledem ist, verliert man da schon einmal leicht aus den Augen. „Aus den Augen“ – das heißt vielleicht nicht umsonst so. 😉