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Verschollenes Barock-Gemälde? April, April!

Am 1. April hatte ich stolz darüber berichtet, wie ich dazu beigetragen habe, dass ein über 300 Jahre altes Porträt des Landgrafen Carl von Hessen-Kassel identifiziert und nun als Leihgabe im Kasseler Museum zu sehen ist. Nun muss ich zugeben – nicht alles, was ich da geschrieben habe, stimmt. Das Bild gibt es tatsächlich, und ebenso hat die Pressekonferenz stattgefunden, bei der es vom Leiter der Alte-Meister-Abteilung, Dr. Justus Lange, den Medien und der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der einzige kleine Haken an der Sache: Das „Gemälde“ habe ich mit KI und Photoshop geschaffen, und es ist ebenso ein Fake wie der von mir nachempfundene Belegtext aus dem Reisetagebuch von 1700.

Die Idee zu diesem Aprilscherz entstand im Rahmen einer Kooperation, bei der ich verschiedene KI-Projekte mit den Museen von Hessen Kassel Heritage realisiert habe. Dazu demnächst mehr. Anfang des Jahres schlug ich der Museumsleitung ergänzend vor, als Aprilscherz ein Gemälde in der Alte-Meister-Abteilung gegen ein KI-generiertes auszutauschen. Der Leiter dieses Bereichs, Dr. Justus Lange, fand die Idee nicht nur gut, sondern erweiterte sie gleich noch mit einem weitergehenden und öffentlichkeitswirksameren Vorschlag: Er würde das „Gemälde“ in einer Pressekonferenz als Neuerwerbung präsentieren.

Auch mein Vorschlag, als Motiv ein Porträt des Landgrafen Carl herzustellen, wurde aufgenommen. Zunächst erhielt ich die Maße eines zeitlich passenden, derzeit ungenutzten Barockrahmens, dann vermischte ich mehrere echte Porträts von Carl mit verschiedenen Bild-KIs. Ich muss gestehen, dass ich Zwischenversionen so oft hin- und herkopierte, dass ich nicht mehr sagen kann, welche KI jeweils zum Einsatz kam. Eine Kombination von Pantheon und Porträt erwies sich als auf diesem Wege (noch) nicht realisierbar, dafür setzte ich ebenso wie für die weitere Feinarbeit Photoshop ein. Auch die Übertragung der Risse und Beschädigungen von einem anderen Gemälde der HKH-Sammlung erledigte ich mit dieser Software.

Von diesem Gemälde aus der Sammlung von Hessen Kassel Heritage
übernahm ich die Fehlstellen und Beschädigungen.

Allerdings war ich weder mit der Ähnlichkeit des Porträts völlig zufrieden noch mit der Darstellung des Pantheons: Da fehlte eine der acht Säulen des Portikus. Diese Probleme löste ich nicht per KI, sondern über den gefälschten Barock-Text. Ich ließ Carl feststellen, die Anzahl der Säulen stimme nicht und das Porträt sei nicht hinreichend ähnlich – was der (erfundene) Giovanni Evanescente – auf Deutsch: einer, der sich flüchtig Auflösende – damit entschuldigte, der Landgraf habe ihm ja kaum Zeit gelassen, ihn sorgsam zu porträtieren und sei eilig wieder aufgebrochen.

Zum Schluss wurde die Datei gedruckt und unter Glas in den alten Rahmen montiert. Den angeblichen Text auf dem auf die Rückseite des Gemäldes geklebten Zettel klaute ich von einem Kupferstich-Porträt des Landgrafen. Deutlich mehr Arbeit bereitete die Formulierung des Fake-Textes aus Klautes Reisetagebuch „Diarium Italicum“. Dazu las ich zunächst viele Seiten des Buches, um mich in den Text einzufühlen, entwarf dann unter Berücksichtigung von Stil und Orthographie sowie Fremdwortgebrauch die „zitierte“ Version und ließ sie zum Schluss noch einmal von einer KI überarbeiten.

Die Präsentation des „verschollenen Gemäldes“ durch Dr. Justus Lange machte allen Beteiligten viel Spaß. Allerdings gab es dabei ein kleines organisatorisches Problem: Hätte diese Vorstellung tatsächlich am 1. April stattgefunden, hätten die Medien erst am 2. April darüber berichten können, was nicht zu einem Aprilscherz passt. Um also an diesen Tag bekannt gemacht zu werden, musste die Pressekonferenz vorgezogen werden, und damit mussten unvermeidlich auch die Medienvertreter darüber informiert werden, dass es sich um einen Fake handelt.

Leider wurde ein Vorschlag von mir nicht umgesetzt: Ich hatte angeregt, bei der Präsentation zu erwähnen, das Gemälde sei von HKH für 1,3 Millionen Euro erworben worden, was die Kasseler Stadtgesellschaft sicherlich in helle Aufregung versetzt hätte. Allerdings hatte es kurz zuvor bereits Anlass für genügend echte Aufregung gegeben, als der hessische Wissenschaftsminister den HKH-Direktor Prof. Eberle – mit einer höchst fragwürdigen Vorgeschichte und Begründung – entlassen hatte. Da wollte man – nachvollziehbar – nicht für noch mehr Aufregung sorgen.

Das KI-„Gemälde“ des Landgrafen ist noch für eine Woche in Schloss Wilhelmshöhe in Kassel zu bewundern.

Faszinierend, wie schnell es die Restaurierungs-Abteilung des Museums geschafft hat,
das Gemälde wieder in einen ansehnlichen Zustand zu versetzen … 🙂

 

Hier noch zwei Ausrisse aus der „Hessischen Allgemeinen“ vom 1. und 2. April, verfasst vom (eingeweihten) Kulturredakteur Mark-Christian von Busse.

 

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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