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Urheber? Unwichtig!

 

15 Urheber
Foto und Montage: Doc Baumann | Gemälde: Leonardo da Vinci

Verlage von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen kämpfen – zu recht – vor Gerichten gegen Google & Co. um ihre Urheberrechte. Wenn es allerdings um die Rechte anderer geht, sehen sie das eher locker.

Um das Urheberrecht steht es nicht gut. So hat – nach einer entsprechenden Vorgabe des Europäischen Gerichtshofes – der Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 69/11) im April entschieden, dass Universitäten ihren Buchbestand digitalisieren und ihren Nutzern zum Download und Ausdruck zugänglich machen dürfen. Mit anderen Worten: Steht etwa unsere 22-bändige Photoshop-Enzyklopädie in einer Uni-Bibliothek, zu der Sie einen Leserausweis haben, können Sie sie dort nicht nur am Monitor-Arbeitsplatz anschauen, sondern auch auf einen Stick ziehen und bei Bedarf ausdrucken. Alles rechtens.

Ich nehme an, wenn ich auf den Parkplatz des Bundesgerichtshofs marschierte, dort den Wagen eines Richters mit einem Nachschlüssel öffnete und damit davonführe, weil ich gerade kein Geld habe, um die eben gekauften Getränkekisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu bringen, würde den Besitzer dieser Notstand nicht weiter interessieren. Aber wo ist der Unterschied? Ich habe – mit meinem Kollegen Christoph Künne – jahrelang daran gearbeitet, diese Lehrbücher zu verfassen und zu gestalten. Der Gegenwert für diese Arbeit kommt nach und nach durch den Verkauf wieder rein; ein Polster für mögliche künftige Produktionen oder Aktualisierungen durch einen kleinen Gewinn, der über dem Stundenlohn liegt.

Aber warum sollten wir uns überhaupt noch die Mühe machen, weitere Lehrbücher oder aktualisierte Nachauflagen zu verfassen, wenn Uni-Bibliotheken davon drei Stück erwerben und der Rest legal raubkopiert wird? Das absehbare Verlustgeschäft würde kein vernünftig denkender Autor oder Verlag mehr eingehen. Danke, Bundesgerichtshof!

Dieser Umgang mit dem Urheberrecht liegt im Trend. Auch in Brüssel bei der EU ist man dabei, Urheber quasi zu enteignen und ihnen so die Lust auf die Produktion weiterer Werke zu nehmen. Ausgerechnet eine Vertreterin der Piraten-Partei ist in diesem Bereich als Berichterstatterin zuständig. (Nun wird’s wieder schwierig mit der politischen Korrektheit: Würde ich schreiben, damit habe man den Bock zum Gärtner gemacht, würden sich die Feministinnen aufregen, da es ja um eine Frau geht. Schriebe ich daher einsichtig, also die Ziege zur Gärtnerin, wäre das sicherlich auch wieder nicht richtig. Also lasse ich es lieber ganz mit dieser Redewendung.)

Was dort als Anpassung an modernes Nutzerverhalten und Web-Freiheit ausgegeben wird, ist unterm Strich nichts anderes als der Einsatz für die Freiheit der Web-Konzerne, sich gratis unserer Inhalte zu bedienen und sie großzügig unters Volk zu streuen.

Der konkrete Anlass meines Textes ist aber weder das Urteil noch Brüssel, sondern das immer wiederkehrende, tief frustrierende Erlebnis, wie in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern mit den Urhebern von Bildern umgegangen wird. Ganz gleich, ob meine Tageszeitung eine ganzseitige Reproduktion eines alten Gemäldes als Illustration eines Textes benutzt oder ein Buchverlag ein solches Bild auf die Titelseite des Umschlages setzt – als Bildunterschrift oder im Impressum findet man nur noch in Ausnahmefällen den Namen des Malers. Dafür steht dort: Bildagentur XYZ·24.

Und das von denselben Leuten, die sich an anderer Stelle als die großen Vorkämpfer der Kultur darstellen! Wie würden die sich – zu Recht – aufregen, zitierte man einen ihrer Artikel nicht unter Angabe der entsprechenden Publikation, sondern als Link auf Google, wo man vielleicht bei der Recherche darauf gestoßen ist.

Es ist mir ein Rätsel, wie Menschen, die im weiteren Sinne im Kultur-Sektor tätig sind, derart ignorant vorgehen können. Es spricht ja nichts dagegen, auch den Namen einer Bildagentur zu nennen – aber in erster Linie dürfte den Betrachter doch wohl interessieren, ob das Gemälde von Dürer, Holbein oder Cranach stammt. Und was hat die Agentur überhaupt Großartiges geleistet, um diese Ehre des Genanntwerdens zu verdienen?

Aber mal ehrlich: Wen interessiert das schon? Die Maler sind lange tot, und falls sie nicht wider Erwarten doch auf einer Wolke sitzen und von dort oben Urheberrechtsvermerke lesen, die ihnen die Harfe aus der Hand fallen lassen, dürfte ihnen das alles ziemlich egal sein.

Doch vielleicht interessiert es Sie! Denn wenn es mit der Beschneidung unserer Rechte als Urheber so weitergeht wie oben aufgezeigt, wird das bald nicht mehr nur längst verstorbene Maler betreffen, sondern auch quicklebendige Fotografen oder Bildmonteure. Nun ja, so ganz quicklebendig dann vielleicht doch nicht mehr, wenn sie ihr Leben darauf eingerichtet hatten, von ihrer Arbeit zu leben, in der traurigen Realität dafür aber weder honoriert noch wenigstens namentlich genannt werden.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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