Überraschung: Adobe kauft Allegorithmic
Als Adobe am Mittwoch die Übernahme der Firma Allegorithmic ankündigte (Pressemitteilung) fiel mir tatsächlich die Kinnlade herunter. Das hatte ich nicht kommen sehen. Für Nutzer der Creative Cloud könnten sich hier neue Möglichkeiten auftun. Der Aufruhr in der aktuellen User-Basis der Allegorithmic-Programme ist dagegen groß. Meine Gedanken zum Thema.
Die Firma Allegorithmic
Allegorithmic ist eine französische Firma, deren Software-Produkte (Substance-Designer und Substance-Painter) sich in den letzten Jahren (Geschichte von Allegorithmic) als Industriestandard im Hinblick auf das Erzeugen von 3D-Texturen und 3D-Materialien etabliert hat. In erster Linie in der Spiele-Entwicklung eingesetzt (Beispiele: Call of Duty, Assassins Creed, Forza …) kommen die Programme aber auch bei Kinoblockbustern wie Blade Runner 2049, Pacific Rim Uprising und Tomb Raider zum Einsatz.
Die Allegorithmic-Software
Mit *Substance-Designer* kann man prozedurale Materialien erzeugen und Materialscans für den Einsatz als 3D-Textur optimieren. Inzwischen gibt es eine riesige Materialdatenbank mit den verschiedensten fotorealistischen Texturen.
*Substance-Painter* dient dem Anwenden der mit Substance-Designer erzeugten Materialien und dem Bemalen von 3D-Objekten. Zwar kann man 3D-Modelle auch in Photoshop bemalen, aber zwischen den Möglichkeiten, Funktionen und der Performance liegen zwischen Photoshop und Substance-Painter Welten!
Mein Lieblingsfeature in Painter sind übrigens die Partikel-Pinsel. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine virtuelle Dusche, mit der Sie ein 3D-Objekte beregnen können, um Verwitterungseffekte zu erzeugen. Oder stellen Sie sich eine virtuelle Fackel vor, die Sie unter das 3D-Objekt halten können, um selektiv Brandschäden zu simulieren. Die Partikel umfließen das 3D-Model dabei auf natürliche Weise. Genauso funktioniert das in Substance-Painter!
Adobe und Allegorithmic
Nachdem die vor 12 Jahren eingeführte 3D-Funktion in Photoshop kaum noch Liebe von Adobe erhielt (und 2019 auch ziemlich buggy vor sich hindümpelt), dachte ich zunächst, dass das Thema 3D für Adobe wohl vorerst erledigt sei. Dann kaufte Adobe jedoch Mixamo, wo man online 3D-Characters anlegen, riggen und animieren kann. Dann kam Adobe Dimension CC für die einfache 3D-Produktivisualisierung. Leider konnte ich die Software nur einmal kurz testen (Fazit: okay, nett.), da sie inzwischen auf allen bisher von mir getesteten Macs sofort abstürzt.
Mit dem Kauf von Allegorithmic lässt sich nun doch eine Art Roadmap erkennen. Denn 3D-Visualisierung, Augmented Reality und Immersion (virtuelle Realität) sind DIE Themen der nahen Zukunft. Und für die braucht es leistungsfähige Werkzeuge, wie eben die von Allegorithmic.
Chancen
Zu dem Kauf von Allegorithmic kann man Adobe eigentlich nur gratulieren – da hat Adobe wirklich ein echtes Sahnestück an Bord gezogen. Das bietet ganz neue Möglichkeiten, und die zugrunde liegende Technologie ließe sich prima in die eigene CC Suite integrieren.
Zum einen natürlich durch das Zur-Verfügung-stellen zusätzlich zu den bisherigen Programmen im Rahmen des Cloud-Abos – was dieses noch weiter aufwerten würde.
Zum anderen ließen sich die Technologien aber auch auf die anderen Adobe-Programme übertragen: Partikelpinsel oder ein vereinfachter Texturen-Generator in Photoshop? Echtzeit-3D-Viewport-Technologie mit physikalisch korrekten Materialien in After Effects? Wow …
Denkbar ist also vieles. Es kommt jedoch darauf an, was Adobe daraus macht.
Risiken
„Es kommt jedoch darauf an, was Adobe daraus macht“: Genau hier setzen die Befürchtungen der aktuellen Anwender von Substance-Designer und -Painter ein. Zwei Aspekte stechen hier besonders hervor:
- Allegorithmic war eine kleine Firma mit beachtlichem Entwicklungstempo, die den Finger immer auf dem Puls ihrer User-Basis hatte. Laut dem Entwickler von Allegorithmic wird sich daran nichts ändern. Aber angesichts der traurigen Tatsache, dass das auf allen denkbaren Ebenen total „perfektionierte“ „Frei tansformieren“-Desaster von Photoshop CC 2019 fast ein halbes Jahr nach Erscheinen immer noch nicht wirklich gelöst ist, muss man die Daumen dafür schon wirklich seeeeehr feste drücken. 😉
- Allegorithmic hatte sehr faire Preismodelle für verschiedene Anwendergruppen vom Studenten, über den Freiberufler bis hin zu Großkonzernen. Und man konnte zum Beispiel ein Software-Abonnement in eine Kauflizenz umwandeln. Das wird früher oder später wohl die einschneidendste Änderung für die Substance-Anwender sein. Denn ich glaube nicht, dass Adobe es bei den aktuellen Preismodellen belassen wird. Auch hier: Wir müssen sehen, was Adobe daraus macht. Zumindest für Fotografen und Bildbearbeiter wurden Photoshop und Lightroom dank des Foto-Abos so erschwinglich wie nie zuvor. Für andere Anwendergruppen fehlt so ein Abo-Bundle bislang. Wer also nur zwei oder drei andere Adobe-Programme bräuchte – oder hier jetzt beispielsweise nur den Substance Painter –, muss direkt das mächtige, aber vergleichsweise teure Gesamt-Abo buchen.
Lassen Sie uns doch in – sagen wir – vier Jahren diesen Blogbeitrag noch einmal herauskramen und schauen, was Adobe aus diesem sehr guten Kauf gemacht hat, und ob und wie wir Kreativen dann davon profitieren. Vielleicht wird ja doch alles gut? 😉
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!