Trickfilmhelden in Menschengestalt
Während es bereits Apps gibt, die auf der Basis von Porträtfotos Comicfiguren erzeugen, geht der brasilianische Künstler Hidreley Leli Dião den umgekehrten Weg und produziert mit Photoshop und KI-Unterstützung realistisch wirkende Porträts, deren Gesichtszüge den Charakteren aus Animationsfilmen gleichen.
Es gibt bereits ein KI-System, das mit einem neuronalen Netz fotorealistische Porträts generiert – man würde glauben, das Foto eines realen Menschen zu sehen, aber wie schon der Name der Website besagt: thispersondoesnotexist.com. Das Aussehen der künstlich generierten Personen ist rein zufällig und nicht beeinflussbar.
Hidreley Leli Dião schwebte etwas anderes vor; er wollte fotorealistische Porträts der Protagonisten aus Animationsfilmen erzeugen. Seine Vorgehensweise war, zunächst geeignete Menschen (oder vielmehr deren Porträtfotos) zu finden, die einer Filmfigur bereits grob ähnelten. Danach machte er sich daran, ihr Aussehen weiter in Richtung der Zielvorgabe anzupassen, soweit das die menschliche Anatomie erlaubte (und manchmal darüber hinaus). Dazu dienten ihm verschiedene Apps mit KI-Funktionen wie FaceApp, Gradient und Remini sowie natürlich Photoshop.
Neben den Animationsfilmen nahm er auch historische Figuren wie Echnaton, Nofretete, Julius Caesar, Vasco da Gama, Isaac Newton oder Ludwig van Beethoven als Vorbilder, die er auf diesem Wege als Menschen des 21. Jahrhunderts präsentiert. Für die Umwandlung der New Yorker Freiheitsstatue fand er im Internet kein passendes Ausgangsfoto und wählte daraufhin eines seiner Freundin. In einem anderen Projekt versuchte er zu zeigen, wie Jimi Hendrix, Brian Jones, Marilyn Monroe, Sharon Tate und Elvis Presley heute aussehen würden, wenn sie nicht vor der Zeit gestorben wären. Diese und viele andere seiner Bilder sind auf Instagram zu sehen.
Aufgrund ihrer oft übertriebenen, karikierenden Darstellung waren die Figuren aus den Animationsfilmen wohl die größte Herausforderung, und sie sind auch nicht alle gleichermaßen gelungen. Sein Bart Simpson beispielsweise hat mich nicht überzeugt, aber an dieser Aufgabe kann man eigentlich nur scheitern. Manche Porträts greifen doch allzu tief in die Kiste rassistischer Klischees, so beispielsweise die von Joe Gardner aus „Soul“ oder dem indischen Händler Apu aus den „Simpsons“.
Was bei den grob überzeichneten Simpsons noch angehen mag, wirkt in ein fotorealistisches Porträt übersetzt dann doch unangenehm.
Aber wie auch immer: Die Bilder von Hidreley Leli Dião illustrieren, wie man die Mittel der KI gezielt und kreativ einsetzen kann. In DOCMA 101 (das Magazin erscheint am 2. März 2022) werde ich übrigens auf die Nutzung von KI-Anwendungen eingehen, mit denen man aus Skizzen oder englischsprachigen Beschreibungen vielfältige Landschaftsbilder und andere Szenen generieren kann.