Techtalk: Die Macht des Equipements
Normalerweise gibt es unsere Techtalks nur im DOCMA-Heft auf der letzten Seite. Dieses Thema ist etwas umfassender und bildlastiger, und so erscheint der Techtalk ausnahmsweise online.
Hand aufs Herz – Fotografen lieben ihre Technik, und das gilt ganz besonders für die Amateurfotografen. Nicht wenige kaufen sich alle zwei Jahre ein neues Kameramodell und zwischendurch regelmäßig teure Objektive. Sie tun das, weil sie hoffen, mit dem neuen Equipement endlich die außergewöhnlichen Bilder zu machen, die ihnen bisher nicht so recht gelingen wollen. Die Fotoindustrie lebt seit Jahrzehnten bestens von diesem Glauben und pflegt ihrerseits den Mythos so gut es geht.
Man braucht für interessante Bilder nicht unbedingt die beste Technik. Wer sich intensiv mit der Fotografie beschäftigt, weiß das irgendwann. Im Grunde ist die Technikfixiertheit sogar ziemlicher Humbug. Jede Kamera macht kreative Bilder. Zumindest, wenn der Fotograf ihre Stärken nutzt und ihre Schwächen meidet. Können schlägt also Technik, da gibt es keinen Zweifel. Dank Photoshop lassen sich mit auch mittelprächtigem Geräten – technisch gesehen – professionelle Bilder produzieren. Belege dafür finden sich in den einschlägigen Internet-Communities zuhauf.
Nach dieser Erkenntnis kann der technophile Fotoliebhaber nun einen von zwei Wegen einschlagen: Er entwickelt sich entweder fotografisch weiter und sucht sich parallel dazu anderes Gebiet, um seine Begeisterung für technisches Spielzeug auszuleben. Oder er sucht sein Heil in einer technisch anspruchsvollen fotografischen Anwendung, bei der er von zusätzlicher Ausrüstung profitiert. Beliebte Spielfelder sind etwa die Panoramafotografie mit programmierbaren Stativköpfen, Luftbildfotografie mithilfe ferngesteuerter Okatakopter oder ein eigenes Studio, im dem man die Welt draußen bis ins Detail nachbaut und künstlich mit vielen Lampen und noch mehr Lichtformern ausleuchtet.
Wir sind als Redaktion für das Thema digitale Bilder in der komfortablen Situation, für ausgewählte Projekte Industriepartner ansprechen zu können, die uns mit Leihgeräten versorgen. Beim Fotofestival in Zingst hatten wir dieses Jahr als einen Programm-Beitrag ein Strandstudio installiert. Mit freundlicher Hilfe von Hasselblad, Hensel und California Sunbounce wurde es so ausgestattet, dass wir nur wenige Meter von der Ostsee entfernt mit Studiolicht, großen Diffuseren und digitalen Mittelformatkameras im Gesamtwert von rund 30.000 Euro die Festivalbesucher porträtieren konnten.
Das war zumindest der Plan. Am ersten Wochenende ging der bei schönem Wetter noch auf. Wir installierten einen Lichtaufbau mit fünf Studioblitzen, die sich um einen 7,5 Kubikmeter großes Lichtzelt verteilten. Dann kam der Wind. An den folgenden Tagen mussten wir die Zahl der Studioblitze zunächst von fünf auf drei verringerten, dann haben wir das großformatige Hauptlicht wegen Verwehungsgefahr durch einen großen Beauty-Dish ersetzt.
Als die Windstärken zum Ende der Woche in Richtung Sturm tendierten, trat Plan B ein: Erst wich die Hasselblad wegen Versandungsgefahr unserer redaktionseigenen Canon, dann blieb auch das Studiolicht im DOCMA-mobil und es kam ein kleiner, High-Speed-synchronisierender Canon-Systemblitz mit Aufsteck-Diffusor zum Einsatz.
Zum Schluss blieb auch von den drei weißen Wänden des Sunbounce-Cages nur noch das Sonnensegel im Einsatz, obgleich sich die Sonne kaum noch sehen ließ.
An allen sieben Tagen unseres Projekts blieb dagegen die Aufgabenstellung gleich: Leute am Strand porträtieren. Nur das Equipement reduzierte sich von Tag zu Tag.
Bild 1 California Sunbounce Cage, drei Seiten weiß bespannt, fünf Hensel Studiolampen, Hasselblad H4D 40 80mm, f4,0, 1/800 Sekunde, 100 ISO
Bild 2 California Sunbounce Cage, drei Seiten weiß bespannt, drei Hensel Studiolampen, Hasselblad H4D 40 80mm, f4,0, 1/800 Sekunde, 100 ISO
Bild 3 California Sunbounce Cage, drei Seiten weiß bespannt, drei Hensel Studiolampen, Hasselblad H3D 60 100mm, f4,0, 1/800 Sekunde, 100 ISO
Bild 4 California Sunbounce Cage, drei Seiten weiß bespannt, drei Hensel Studiolampen, Canon 5D Mark II, 24-105mm f4,0 bei 58mm, f10,0, 1/160 Sekunde, 100 ISO
Bild 5 California Sunbounce Cage, eine Seite weiß bespannt, Canon Speedlite 580 EX mit Diffusor, Canon 5D Mark II 50mm f1.2 bei f2,0, 1/2000 Sekunde, 100 ISO
In erster Linie hat sich mal wieder gezeigt, dass das Licht die Bilder ausmacht – und nicht unbedingt die Kamera. Je weiter wir die künstliche Zusatz-Beleuchtung einschränken mussten, desto gewöhnlicher wurden die Ergebnisse. Allerdings sieht man bei genauerer Betrachtung der Original-Daten einen deutlichen Unterschied zwischen einer 20-Megapixel Kleinbild- und einer 40-Megapixel Mittelformat-Aufnahme. Letztere ist etwas plastischer und vor allem enthält sie erheblich mehr Details. Bei der Präsentation im Web fällt das jedoch kaum ins Gewicht.
Die Vorzüge solcher Bilder zeigen sich vor allem bei der Bearbeitung in Photoshop und später im großformatigen Druck. Vor allem bei der Raw-Entwicklung erstaunt es den Kleinbildkamera-Besitzer jedes Mal aufs Neue, wenn er sieht, was in diesen Mittelformat-Aufnahmen an Tonwert-Reserven stecken und wie fein der Sensor die Abstufungen des Motivs erfasst.
Als weiterer Vorzug hat sich der – bei Hasselblad serienmäßige – Zentralverschluss erwiesen. Mit ihm kann man trotz Studiolicht mit einer 800stel-Sekunde belichten, was die Arbeit ohne Stativ erst möglich macht. Die Canon beherrscht solche Verschlusszeiten nur mit speziellen Canon-Systemblitzen, allerdings zum Preis von weit geringerer Licht-Leistung. Setzt man die Canon dagegen mit funkgesteuerten Studioblitzen ein, ist das höchste der Gefühle eine Verschlusszeit von einer 160stel-Sekunde. In der Praxis meist zu wenig für den Einsatz längerer Porträtbrennweiten. Hier schaffen nur bildstabilisierte Objektive etwas Freiraum.
Geld in die Ausrüstung zu investieren, verbessert die Rahmenbedingungen für Fotoproduktionen, aber nicht zwingend die Ergebnisse. Zudem reicht es nicht aus, einfach nur eine teure Kamera zu erwerben. Man muss ebenfalls erheblich in Licht und Beleuchtungshilfsmittel investieren, bevor sich wenigstens in technischer Hinsicht deutlich sichtbare Unterschiede zeigen. Nicht zu vergessen: Es ist ebenso wichtig, mit all den Techniken auch sicher umgehen zu können und Umgebungsparameter zu suchen, in denen sich alle Gerätschaften optimal einsetzen lassen. All das erspart später viel Arbeit und Zeit in Photoshop.
Wer allerdings nicht auf die Zeit achten muss, und sich damit zufrieden gibt, hin und wieder mit stundenlanger Nachbearbeitung ein einzelnes Werk zu schaffen, der investiert besser in seine Photoshop-Kompetenz. Munter bleiben!
SUBJETIVITÄTS-WARNUNG
Wie der geneigte Leser weiß, ist die DOCMA-Redaktion zu fast jeder Schandtat bereit, wenn es darum geht, die Welt der Pixel und ihre unendlichen Möglichkeiten zu erforschen. Nur eins meiden wir wie der Teufel das Weihwasser: Hardware-Tests mit Objektivitätsanspruch. Das können die Kollegen in den Redaktionen der Foto- und Computerzeitschriften viel besser als wir. Entsprechend erhebt dieser Techtalk keinen Anspruch auf Objektivität.