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Systemkameras: Canon sagt, es geht abwärts!

Canons CEO Fujio Mitarai verriet in einem am letzten Freitag erschienenen Interview mit dem Wirtschaftsblatt Nikon Keizai Shimbun, dass der Absatz von Canons Systemkameras seit 2010 in jedem Jahr um rund 10% zurückgegangen sei. Bis 2020 würde sich der Markt, wie er hofft, auf niedrigem Niveau stabilisieren. Wie die aktuellen Zahlen des Industrieverbandes CIPA zeigen, spiegelt das die allgemeine Entwicklung im Kameramarkt wider und ist kein spezifisches Problem dieses Herstellers. Haben Systemkameras eine Zukunft?

Laut Fujio Mitarai gibt es aktuell noch einen Markt für 10 Millionen Systemkameras (mit oder ohne Spiegel) – weltweit. 2020 wird man seiner Einschätzung nach nur noch 5 bis 6 Millionen Kameras für anspruchsvollere Fotografen absetzen können. Nachdem der Markt für Kompaktkameras schon vor Jahren eingebrochen ist und sich nur noch Superzoom-Modelle und Edelkompakte – meist mit Festbrennweite und großem Sensor – gegenüber Smartphones behaupten können, hätten die Systemkameras, also Kameras mit Wechselobjektiven, den Kameramarkt retten sollen. Aber nichts weist darauf hin, dass dies gelingen könnte.

Systemkameras
Von 2016 (blau) über 2017 (schwarz) bis 2018 (rot) gingen die jährlichen Absatzzahlen von Systemkameras stetig zurück. Quelle: CIPA

Obwohl DSLRs immer erschwinglicher geworden sind und die Hersteller spiegelloser Systemkameras damit eigentlich die Strategie verfolgten, unzufriedene Besitzer von Kompaktkameras für die Fotografie mit Wechselobjektiven zu gewinnen und den Markt so zu erweitern, ist der Markt tatsächlich geschrumpft. Spiegellose Systemkameras verkaufen sich zwar zunehmend besser, aber die Zuwachsrate ist niedrig und geht auf Kosten der DSLRs, deren Absatz stärker sinkt als der der spiegellosen Modelle wächst.

Schreibt man die Marktentwicklung der letzten Jahre fort, dürften die spiegellosen Kameras die DSLRs bis 2020 überrundet haben, aber es ist nicht anzunehmen, dass diese Modelle jemals die Verkaufszahlen erreichen werden, mit denen DSLRs einst für Rekorde gesorgt hatten. Mitarais Prognose einer Stabilisierung des Absatzes auf niedrigem Niveau erscheint realistisch. Für Canon als etabliertem DSLR-Hersteller ist die Lage besonders schwierig, denn sie müssen den Ausbau des im letzten Jahr eingeführten spiegellosen EOS-R-Systems forcieren, haben also hohe F&E-Kosten, während die Einnahmen aus dem DSLR-Geschäft, die diese finanzieren müssten, gleichzeitig weiter einbrechen. Canon kann das spiegellose Segment als einzigen, wenn auch zaghaften Wachstumsmarkt aber auch nicht ignorieren. Nikon ist ähnlich aufgestellt und daher in derselben Situation.

Wer nur noch auf die spiegellose Bauweise setzt, also Fuji, Olympus, Panasonic, Sigma und Sony, steht vermeintlich besser da, aber die Frage ist, ob ein prognostizierter Absatzmarkt von nur noch 5 Millionen Kameras weltweit – abzüglich der verbliebenen DSLRs – ausreichen wird, so vielen Herstellern das Überleben zu sichern – oder jedenfalls das Überleben ihrer Kamerasparte. Canon will sein Engagement im Bereich der Kameramodule für industrielle Anwendungen ausbauen – hier liegen die wahren Wachstumsmärkte, in denen die Fotospezialisten ihr Know-how zur Geltung bringen können, etwa im Automobilbau, der Medizin oder für Überwachungsaufgaben. Vermutlich werden alle Hersteller versuchen, sich in dieser Weise breiter aufzustellen – sofern sie es nicht bereits tun.

Und was bedeutet das für uns als Fotografen, die nicht nur auf den Auslöser drücken und auf das Beste hoffen, sondern Bilder gezielt gestalten wollen? Zwar hat die Fotografie jüngst einen beispiellosen Boom erlebt; es wird heute mehr fotografiert als jemals zuvor. Aber diesen Trend treibt die Smartphone-Fotografie, und dabei geht es gar nicht darum, Bilder zu erschaffen, die für sich bestehen können. Fotografie ist heute (und war, wenn man es genau bedenkt, zum größten Teil schon immer) ein Medium der alltäglichen Kommunikation. Der Verbreitungsweg über die sozialen Netze, den dasselbe Smartphone öffnet, mit dem man auch fotografiert, kommt diesem Bedürfnis weit mehr entgegen, als es früher das herumgezeigte Fotoalbum oder der Diavortrag tat. Die Menschen fotografieren, um ihr tägliches Leben zu dokumentieren und andere daran teilhaben zu lassen. Dazu brauchen sie keine Systemkamera, und dank immer ausgefeilterer KI-Funktionen und der außer im Funkloch stets verfügbaren Internet-Anbindung sind Smartphones dafür sogar besser geeignet.

Sicher werden wir auch 2020 nicht ohne Kameras und Objektive dastehen und die just in jenes Jahr fallenden Olympischen Sommerspiele in Tokyo dürften die japanische Fotoindustrie noch einmal zu Höchstleistungen anspornen. Aber der Wettbewerb wird härter werden, während alle ihren Anteil am immer kleineren Kuchen zu ergattern versuchen.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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5 Kommentare

  1. Seit es Digitalkameras gibt, waren hochwertige, also professionelle oder semiprofessionelle Vollformatkameras die Spitze eines Eisbergs mit sehr großer Grundfläche. Ich erinnere mich an die damals ziemlich einfältigen kleinen Kameras von hunderten und tausenden Zuschauern in einem Sportstadion am Abend, die bei einer Totalen der TV-Kamera reihenweise aufgeblitzt haben. Jeder Blitz hat mich erfreut, denn das waren die Leute, die mit ihren Käufen überhaupt einen erschwinglichen Preis für meine 5D ermöglichten.
    Wie mühsam es ist, eine einigermaßen komplette Ausrüstung im Urlaub mitzuschleppen, haben wohl viele erfahren.
    Die Bildqualität wurde immer besser, die Ausrüstung notwendigerweise immer schwerer, der Massenmarkt wurde mit kleinen Kameras zu recht niedrigen Preisen und gerade mal noch mit Superzooms abgedeckt. Das waren eben die Geldbringer für die traditionellen Hersteller von Digitalkameras.
    Nun haben seit einigen Jahren Smartphones eine Bildqualität und Features, die die Bedürfnisse der großen Masse abdecken. Da die Unzahl der Aufnahmen ohnehin kaum eine Archivierung benötigen, fällt damit ein guter Teil des Bedarfs von Fotografierenden für diese Hersteller weg, denn mit Smartphones haben sie bestenfalls am Rande zu tun.
    Ich finde es eigentlich ziemlich erstaunlich, dass es immer wieder neue Hersteller von Vollformatkameras gibt. Denn immerhin müssen die, wenn sie Kunden dafür interessieren wollen, doch ein breites Spektrum an Objektiven anbieten können. Mit vielem anderen Zubehör, das interessierte Fotografen auch benötigen, ein umfangreiches Sortiment, das nicht nur qualitativ sondern auch preislich konkurrenzfähig muss.
    Wie schwierig das ist, zeigen ja Vollformatspätstarter Nikon und das immer noch eher bescheidene Angebot von Sonys E-Mount.

    1. »Ich finde es eigentlich ziemlich erstaunlich, dass es immer wieder neue Hersteller von Vollformatkameras gibt.«

      Das ist die logische Konsequenz der Marktentwicklung. Im Canon Geschäftsbericht wird nicht nur gesagt, dass der Markt für Kameras mit Wechselobjektiven (im Artikel „Systemkameras“ genannt, bei CIPA „ILC“ – interchangeable lens cameras) stetig schrumpft, sondern dass dieses Schrumpfen besonders das Einstiegssegment betrifft, während der Vollformat-Markt noch wächst. Es läuft also auf entweder Smartphone oder „was G’scheites“ hinaus.
      Canon und Nikon können – via Adapter – auf ihr großes Portfolio an EF- bzw. F-Objektiven zurückgreifen, und Panasonic rechnet mit der Synergie des gemeinsamen L-Bajonetts von Leica, Sigma und Panasonic.
      Außer Olympus haben alle Hersteller große Sensoren im Programm. Canon, Nikon, Panasonic und Sony haben Kleinbild-Sensoren, Sigma hat zumindest angekündigt, und Fuji und Hasselblad bieten Mittelformat-DSLMs an. Pentax hat zumindest DSLR-Kleinbild.

    2. Je größer das Format, desto kleiner der Markt. Ein Hersteller könnte seinen Absatz von Kleinbildkameras steigern und stünde am Ende des Jahres trotzdem insgesamt schlechter da, weil es die kleineren Formate sind, mit denen am meisten Geld verdient wird. Gewachsen ist in letzter Zeit aber nur der Mittelformatmarkt, vor allem durch Fujis Einstieg in diesem Segment. Absolut gesehen sind die Absatzzahlen dort aber Peanuts.

  2. „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.“

    Es gab schon einmal die große Trauerstunde und Verbeuger um Verbeuger von Canon-Vorstand und Anhängern, denn als es vor einigen Jahren schon einmal hieß, dass Canons Kamerasparte würde mit Verlusten von ca. 20% klarkommen müssen, was damals dem größer werdenden Smartphone-Markt geschuldet sein sollte. Interessant war, dass Sony etwa zur gleichen Zeit berichten konnte, dass es einen Zuwachs in ebendieser Höhe gegeben hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    Canon verfolgt seit Jahren eine strikte „Friss oder stirb!“-Doktrin, die zu Abwanderung vieler ehemaliger Fans und Nutzer führt. Benutzer beschweren sich? Fuji bessert nach. Benutzer reklamieren? Auch Sony bessert nach — und zwar gewaltig! Nikon hat dies ebenfalls besser im Griff, und soweit mir bekannt, hat Canon im Nachgang noch nie eine Feature-Erweiterung für Kameras bereitgestellt, immer nur winzige Bugs behoben, wenn irgendwas mit dem FTP-Transfer nicht klappte, oder ein Zeitstempel in einer anderen Sprache zu Problemen führt. Das nervt, das ist unklug und da kann Canon sich das noch so schönreden, ohne Anpassungen ihrerseits wird sich das Geschäft nicht bis 2020 einpendeln, sondern weiter absinken. Das ist meine Meinung dazu.

    1. Nicht nur Canon, sondern alle Kamerahersteller verkaufen immer weniger Kameras. Der Markt der Kompaktkameras ist praktisch tot, wofür in der Tat vor allem der Siegeszug der Smartphones verantwortlich ist. Diese Entwicklung hat auch Sony getroffen. Vor zehn Jahren brachten allein die großen Markenhersteller noch in jedem Jahr mehr als 50 neue Kompaktkameramodelle auf den Markt; heute ist es noch eine Handvoll – vor allem Superzooms, Edelkompakte mit Festbrennweite und Action Cams. Für alles andere greift man heutzutage zum Smartphone.
      Die Hoffnung, die Systemkameras könnte den Einbruch im Kompaktsegment ausgleichen, hat sich leider nicht erfüllt.

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