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Studie zur KI-Revolution: Neue Realitäten für visuelle Freelancer

Digitale Bildgestaltung und visuelle Kreation stehen vor einem Umbruch, der durch Künstliche Intelligenz maßgeblich befeuert ist. Der aktuelle Freelancer-Kompass 2025, die umfassendste Studie zu Selbstständigen im deutschsprachigen Raum, liefert hierzu aufschlussreiche Erkenntnisse. Mit Daten von über 3.200 Freelancern zeichnet die Untersuchung ein differenziertes Bild der Branche – und enthüllt dabei, wie fundamental gerade visuelle Kreativschaffende ihre Arbeitsweise anpassen müssen, um im KI-Zeitalter erfolgreich zu bleiben.

Revolutionäre Werkzeuge: KI im Bildschaffungsprozess

Die Ergebnisse des Freelancer-Kompass 2025 sprechen eine deutliche Sprache: 77 Prozent aller befragten Freelancer nutzen bereits KI-Tools in ihrem Arbeitsalltag. Besonders bemerkenswert ist dabei die hohe Adaptionsrate im visuellen Bereich, wo die Bildgenerierung mit 33 Prozent zu den häufigsten Anwendungsfällen zählt. Fotografen und Bildbearbeiter stehen somit an einer entscheidenden Weggabelung – während einfachere Bildbearbeitungstasks zunehmend automatisiert werden, müssen sie ihre Expertise auf konzeptioneller und kreativer Ebene neu positionieren.

Die Zahlen belegen einen weiteren interessanten Trend: Während KI-Werkzeuge massiv an Bedeutung gewinnen, gehen nur 18 Prozent der Befragten extrem transparent mit deren Einsatz um und informieren ihre Kunden proaktiv darüber. Im Bereich der visuellen Medien, wo Authentizitätsfragen besonders sensibel sind, könnte hier ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für Kreative liegen, die offen mit ihren Arbeitsmethoden umgehen und dadurch Vertrauen schaffen.

„Anfangs hatte ich Angst, dass KI unsere Arbeit ersetzt. Doch dann habe ich verstanden, dass wir lernen müssen, mit ihr zu arbeiten, anstatt sie als Bedrohung zu sehen“, wird Maria Murnikov, die KI aktiv in ihrer Content-Agentur einsetzt, in der Studie zitiert. Diese pragmatische Haltung spiegelt die Realität vieler Bildbearbeiter wider, die KI inzwischen nicht mehr als Konkurrenz, sondern als Werkzeug betrachten.

Die Ökonomie des visuellen Schaffens

Besonders aufschlussreich sind die wirtschaftlichen Rahmendaten für Kreative im Bereich Grafik, Content und Medien. Mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 82 Euro liegen sie merklich unter dem Gesamtdurchschnitt aller Freelancer (104 Euro). Diese unterdurchschnittliche Vergütung erklärt möglicherweise auch, warum nur 32 Prozent der Kreativen mit ihrem Einkommen zufrieden sind – im Vergleich zu 66 Prozent in der Gesamtbetrachtung.

Für Fotografen und professionelle Bildbearbeiter bedeutet dies, dass eine klare Positionierung und Spezialisierung unerlässlich wird. Der Preisdruck durch demokratisierte KI-Bildgenerierungstools macht es notwendig, den eigenen Mehrwert deutlicher zu kommunizieren. 77 Prozent der Befragten lehnen Projekte aufgrund zu niedriger Stundensätze ab – ein Indiz dafür, dass auch in der Kreativbranche ein Umdenken stattfindet, weg von der Selbstausbeutung hin zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen.

Interessanterweise liegt das monatliche Einkommen aus Projektarbeit bei kreativen Freelancern bei durchschnittlich 5.869 Euro – deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt von 8.022 Euro. Der Freelancer-Kompass zeigt jedoch auch, dass 74 Prozent der befragten Experten dazu raten, von Beginn an angemessene Stundensätze zu verlangen. Eine Lektion, die visuelle Profis beherzigen sollten.

Zukunftskompetenzen für Bildschaffende

Bemerkenswert ist die Einschätzung zukünftiger Technologien: Künstliche Intelligenz (66 Prozent) und Automatisierungstools (35 Prozent) werden von den Befragten als besonders wichtig für die zukünftige Arbeit eingestuft. Unmittelbar dahinter folgen Virtuelle Realität (VR) und Augmented Reality (AR) mit 14 Prozent – Technologien, die für Fotografen und Bildgestalter besonders relevant sind.

Selma Kuyas, LinkedIn-Expertin und in der Studie zitierte Fachfrau für Personal Branding, betont: „Wer erfolgreich bleiben will, muss sich natürlich fragen: Was kann ich besser als eine Maschine?“ Sie rät Kreativschaffenden, sich nicht als verlängerte Werkbank zu verstehen, sondern originelle, ganzheitliche Lösungen anzubieten. „Ich bin der Diamant und die KI hilft mir, meine Kanten glänzend zu schleifen. Wenn der Diamant ein Stein ist, dann kann die KI noch so lange daran feilen, es wird ein Stein bleiben.“

Die Zukunftsprognose des Freelancer-Kompass ist eindeutig: 43 Prozent der befragten Freelancer planen, ihre KI-Fähigkeiten in naher Zukunft zu verbessern, weitere 34 Prozent ziehen dies bei Bedarf in Betracht. Für Bildgestalter bedeutet dies, dass der sichere Umgang mit KI-Tools zur Grundausstattung werden wird – allerdings nicht als Ersatz für die eigene Kreativität, sondern als deren Verstärker.

Das neue Selbstverständnis visueller Kreativschaffender

In der Kreativbranche zeigt sich eine interessante Entwicklung: Die grundlegenden Werte der Selbstständigkeit – Flexibilität und Selbstbestimmung – bleiben auch in Zeiten technologischer Umwälzungen bestehen. 86 Prozent der Freelancer würden sich wieder selbstständig machen, 81 Prozent sind mit ihrer Rolle als Freelancer (sehr) zufrieden. Diese hohe Zufriedenheit ist bemerkenswert, gerade angesichts der unterdurchschnittlichen Vergütung in visuellen Berufen.

Cathi Bruns, Expertin für Markenentwicklung, sieht in der Studie großes Potenzial für freie Kreativarbeit: „Freie Arbeit und Selbstständigkeit haben definitiv das Potenzial, eine tragende Rolle in der Arbeitswelt von morgen zu spielen.“ Für Fotografen und Bildbearbeiter bedeute dies, den Kern ihrer Arbeit neu zu definieren – weg vom reinen technischen Handwerk, hin zur Schaffung visueller Konzepte und emotionaler Erlebnisse, die von KI (noch) nicht repliziert werden können.

Die Daten des Freelancer-Kompass geben Anlass zur Hoffnung: 48 Prozent der Befragten sehen Freelancing als Wegbereiter für die Zukunft der Arbeit, weitere 35 Prozent halten diese Arbeitsform für teilweise zukunftsweisend. Gerade für Bildgestalter im DOCMA-Umfeld, die stets an der Schnittstelle zwischen Technologie und Kreativität arbeiten, eröffnen sich dadurch neue Perspektiven.

Die Studie macht deutlich: Der Erfolg visueller Kreativschaffender in der KI-Ära wird nicht allein von technischen Fähigkeiten abhängen, sondern von der Fähigkeit, menschliche Kreativität mit maschineller Intelligenz zu einem überzeugenden Gesamtkonzept zu verbinden. Wer diesen Spagat meistert, wird auch in der sich wandelnden Kreativlandschaft erfolgreich bestehen.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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