Stichwort „Äquivalenz“: Ist doch egal, wie groß der Sensor ist
Die Debatten um die optimale Sensorgröße scheinen kein Ende zu finden – ist es vielleicht egal, wie groß der Sensor ist? Ist das Vollformat (also Kleinbild) allein selig machend, oder kann man sich im Interesse kleinerer und leichterer Kameras auch für APS-C oder Micro FourThirds entscheiden? Ist vielleicht nicht doch das Mittelformat der heilige Gral der Fotografie? Oder kommt es gar nicht auf die Sensorgröße an, weil man ja nur ein Objektiv mit äquivalenter Brennweite und Lichtstärke braucht, um bei allen Sensorgrößen dieselben Bedingungen herzustellen?
Landläufig geht man davon aus, dass große Sensoren zwar größere, schwerere und oft auch teurere Kameras und Objektive erfordern, dafür aber rauschärmere Bilder mit höherem Dynamikumfang liefern. Doch stimmt das überhaupt so generell? Sind äquivalente Objektive nicht geeignet, die Qualitätsunterschiede aufzuheben?
Bei „Äquivalenz“ denkt man meist an die Brennweite. Wenn man mit einer APS-C-Kamera denselben Bildwinkel wie mit einer Kleinbildkamera erfassen will, muss man die Brennweite durch 1,5 (bei Canon 1,6) teilen. Bei Micro FourThirds liegt der Umrechnungsfaktor bei 2,0 und beim kleineren Mittelformat bei 0,8. Mit der Umrechnung der Brennweite ist es aber nicht getan. Für die vollständige Äquivalenz muss man auch die Lichtstärke durch den Umrechnungsfaktor teilen: Wenn wir mit einer Kleinbildkamera ein 50-mm-Objektiv mit Lichtstärke 2,0 verwenden, brauchen wir an einer APS-C-Kamera ein 1,3/33 mm, für MFT ein 1,0/25 mm und für Mittelformat ein 2,5/63 mm. Alle diese Objektive haben die gleiche Eintrittspupille; es gelangt also gleich viel Licht in das Objektiv und aufgrund der umgerechneten und daher äquivalenten Brennweite gleich viel Licht auf den Sensor. Wenn die Sensorauflösung gleich ist, bekommt auch jedes Sensorpixel gleich viel Licht.
Die Belichtung hängt allerdings nicht von der Eintrittspupille ab, sondern von der Blendenzahl, also der Brennweite, geteilt durch die Eintrittspupille. Da die äquivalenten Objektive für die kleineren Sensorformate eine höhere Lichtstärke haben, muss man zum Ausgleich einen niedrigeren ISO-Wert wählen – es gibt nicht nur äquivalente Brennweiten und Lichtstärken, sondern auch einen äquivalenten ISO-Wert. Gehen wir beim Kleinbild von ISO 200 aus, dann sind die äquivalenten Werte ISO 89 bei APS-C, ISO 50 bei MFT und ISO 313 beim (kleinen) Mittelformat. Bei einer äquivalenten ISO-Einstellung können die Pixel unterschiedlich großer Sensoren annähernd dieselbe Zahl von Photonen sammeln, bevor ihr Ladungsspeicher überläuft. Damit ist die Äquivalenz komplett und die Bildergebnisse sollten weitgehend dieselben sein – es spielt dann keine Rolle, wie groß der Sensor ist.
Das gilt allerdings nicht ganz uneingeschränkt, denn es gibt Fälle, in denen wir keine Äquivalenz herstellen können. Das gilt einmal für extreme Lichtstärken. Bei 1,0 wird die Objektivkonstruktion bereits aufwendig und teuer und bei 0,5 ist (für Linsenobjektive) eine physikalische Grenze erreicht. Das Äquivalent eines Leica Noctilux-M 0,95/50 mm für APS-C wäre ein recht unwahrscheinliches 0,63/33 mm und ein entsprechendes MFT-Objektiv gar physikalisch unmöglich. Bei gängigeren Lichtstärken ist die Äquivalenz dagegen herstellbar.
Eine weitere Beschränkung geht auf den Sensor zurück. Die kleineren Pixel kleinerer Sensoren können nicht so viele Elektronen speichern und daher auch nicht so viel Licht verkraften, bevor ihr Ladungsspeicher überläuft. Wenn wir bei einer Kleinbildkamera die Grundempfindlichkeit von beispielsweise ISO 200 einstellen, müssten wir bei einer MFT-Kamera ISO 50 wählen, um die Äquivalenz herzustellen, aber da deren Grundempfindlichkeit ebenfalls bei ISO 200 liegt, ist das nicht möglich. Bei höheren ISO-Werten bieten die Kameras mit kleineren Sensoren dagegen genug Spielraum für einen äquivalenten ISO-Wert. Tatsächlich sind diese Kameras dann sogar im Vorteil, weil ihr Ausleserauschen geringer ist. Größere Sensoren brauchen einen „Dual Conversion Gain“, um hier gleichzuziehen.
Die Sensorgröße spielt also nur dann eine Rolle, wenn man entweder eine sehr große Eintrittspupille braucht oder mit der Grundempfindlichkeit des Sensors fotografiert. Seit Mittelformatkameras mit modernen CMOS-Sensoren ausgestattet sind, liefern sie zwar auch im hohen ISO-Bereich rauscharme Bilder, aber die Stärken ihres großen Sensors können sie nur bei der Grundempfindlichkeit ausspielen. Wer ohnehin hohe ISO-Werte braucht, kann auch zu einer bequemer zu handelnden Kamera mit kleinerem Sensor greifen.
[Nachtrag: Beim Early-Morning-Blogging hatte ich mich bei den äquivalenten ISO-Werten verrechnet; jetzt stimmt’s aber. Danke an Wolfgang, der mich darauf aufmerksam gemacht hat!]
Und wieder eine gute Gelegenheit verpasst!
Die wundersame Brennweitenverlängerung durch Verkleinerung der Sensorgröße geistert nun schon viele Jahre durch die Fotowelt. Redakteure, die es eigentlich besser wissen sollten, fördern diese Volksverdummung erheblich. Auch dieser Artikel hätte eine gute Gelegenheit geboten, einen Beitrag zu Volksbildung zu leisten, doch wie man sieht, wieder einmal nichts:
>>Bei „Äquivalenz“ denkt man meist an die Brennweite<>Mit der Umrechnung der Brennweite ist es aber nicht getan<<
Alles absoluter Blödsinn, anders kann ich es nicht bezeichnen.
Ich frage mich, wann in einem Fachartikel zu lesen sein wird, dass jede Brennweite bei einer bestimmten Sensorgröße einen Bildwinkel hat.
Wann werde ich lesen, dass eine Kamera mit einem kleineren Sensor für den selben Bildausschnitt eine kleinere Brennweite benötigt?
Wann werde ich lesen können, dass bei Innenaufnahmen ein größeres Sensorformat den Einsatz längerer Brennweiten ermöglicht, diese wiederum den Vorteil der geringeren brennweitenbedingten optischen Verzerrungen hat?
Wohl nie, denn manchmal habe ich den Eindruck, dass Redakteure das gar nicht wissen, weil offensichtlich das Fachwissen fehlt.
Nun , Sie sprechen mir ein bisschen aus der Seele 🙂
Aber haben mich mit ihrem l“Innenaufnahmen“–Statement doch verunsichert.
Sie müssten mir bitte nochmal erklären, warum ein Objektiv, z.b. 10mm Brennweite an MFT Formatkamera
mehr verzerren soll als ein 20mm an einer „Vollformat“ KB Kamera.
Der aufgenommene Bildwinkel der Abbildung ist doch bei beiden Aufnahmeformaten jeweils derselbe, oder ?
Müsste also nach meinem Verständnis genau so verzerren oder eben nicht verzerren.
Bitte vielleicht liege ich ja falsch. Ich lasse mich gerne von Ihnen eines Besseren belehren.
vielen Dank im Voraus
Sie haben Recht. Bei gleichem Bildwinkel ist die projektive Verzeichnung immer gleich.
Aber wie kann es dann sein, dass wir mit einem Handbelichtungsmesser einen Belichtungswert ermitteln, diesen an unterschiedlichen Kammeras einstellen und die Bilder richtig belichtet werden?
Dann dürfen Handbelichtungsmesser nicht mehr funktionieren.
Meine Erfahrung sagt etwas Anderes
Grüsse Thomas
@sunrisemoon: wer lesen kann, ist klar im vorteil:
„Bei „Äquivalenz“ denkt man meist an die Brennweite. Wenn man mit einer APS-C-Kamera denselben Bildwinkel wie mit einer Kleinbildkamera erfassen will, muss man die Brennweite durch 1,5 (bei Canon 1,6) teilen. Bei Micro FourThirds liegt der Umrechnungsfaktor bei 2,0 und beim kleineren Mittelformat bei 0,8. Mit der Umrechnung der Brennweite ist es aber nicht getan. “
nochmal für sehschwache der kern, der bemängelt wird:
„Wenn man mit einer APS-C-Kamera denselben Bildwinkel wie mit einer Kleinbildkamera erfassen will, muss man die Brennweite durch 1,5 (bei Canon 1,6) teilen. “
hirnlose kritik finde ich schrecklich.
Also gibt es ihn nicht, den Crop-Faktor? Und eine „Verzerrung“ derselben Linse, vergleiche ich mein 50mm f/1.8 an meiner 6D mit einer Aufnahme an der 600D, habe ich mir eingebildet?
@thomas f:
wenn ich das richtig erinnere, werden an den objektiven und kameras nicht die physikalisch-technischen werte, sondern äquvalenzwerte angegeben, damit man als normalmensch eben nicht umrechnen muss.
die blende entspricht eben einem öffnungsverhältnis und ist deshalb vergleichbar bei unterschiedlichen objektiven nutzbar. und genau so ist es mit lichtempfindlichkeit: an den kameras werden die bekannten iso-werte eingestellt und intern dann der für dieses belichtungsäquivalent der entsprechend notwendige tatsächliche technisch-physikalische wert.
deshalb funktionieren handbelichtungsmesser auch in der digitalen welt genau so, wie in der film-ära.
Meines Erachtens liegt der Autor hier falsch:
„Für die vollständige Äquivalenz muss man auch die Lichtstärke durch den Umrechnungsfaktor teilen: Wenn wir mit einer Kleinbildkamera ein 50-mm-Objektiv mit Lichtstärke 2,0 verwenden, brauchen wir an einer APS-C-Kamera ein 1,3/33 mm, für MFT ein 1,0/25 mm und für Mittelformat ein 2,5/63 mm. Alle diese Objektive haben die gleiche Eintrittspupille; es gelangt also gleich viel Licht in das Objektiv und aufgrund der umgerechneten und daher äquivalenten Brennweite gleich viel Licht auf den Sensor.“
Richtig ist: Das Öffnungsverhältnis ist der Durchmesser der Blendenöffnung/Pupille durch die Brennweite und nicht der Blendenzahl durch die Brennweite! Die gleiche Lichtstärke bzw. gleiche Blendenzahl erreicht man bei unterschiedlichen Objektiven also durch unterschiedliche Blendendurchmesser/Pupillen. Wenn zwei Kameras mit unterschiedlichen Sensorgrößen, aber gleicher Blendeneinstellung – auch egal, bei welcher Brennweite – ein Bild erzeugen, wird jedes Sensorelement auf dem Chip immer mit der gleichen Intensität belichtet. Das muss so sein, damit (externe) Belichtungsmessgeräte für alle Kameras/Objektive identisch kalibriert werden können.
Das ist für mich ein interessantes Thema.
Gibt es auch Aussagen über das Thema Schärfentiefe? Warum haben kleine Sensoren sogar bei weit geöffneter Blende einen geradezu sensationellen Schärfenbereich?
Wie steht es mit der förderlichen Blende?
Was mit Beugungsunschärfe?
All dies hängt nicht von der Blendenzahl, sondern von der Eintrittspupille ab, und die ist bei äquivalenten Blenden gleich. Mit der äquivalenten Blende bekommt man die gleiche Schärfentiefe und die gleiche Beugungsunschärfe.
Ein klasse Artikel. Noch nie habe ich diese Kette so kompakt und einleuchtend erklärt gefunden. Einige obige Kritik ist eigentlich gegenstandslos, weil nicht verstanden wurde, was der Autor meinte. So jedenfalls meine Auffassung. Ja, der Artikel ist kompakt. Ja, dadurch könnten sich leicht gedankliche Nebenwege ergeben, die woanders hinführen, einfach weil man zwischendurch von anderen Prämissen ausgehen könnte. Aber ich finde diese Kompaktheit genial.
Vor der Entdeckung dieses Artikels habe ich gedacht, dass ein größerer Sensor vom Grundsatz her (bzw. tendenziell) das bessere Low-Light-Verhalten hat. Das stimmt zwar für dieselbe Blende in Kombination mit dem gleichem ISO-Wert auch (tendenziell), aber nicht bei äquivalenter Blende, bezogen auf die Lichtstärke (heißt: höhere Lichtstärke bei kleinerem Sensor). Dass sich die Effekte sogar aufheben, wenn man die verschiedenen dafür erforderlichen ISO-Einstellungen einbezieht, wurde mir erst durch diesen Artikel klar.
Anmerkung: Ich schreibe bewusst „tendenziell“, denn es gibt vermutlich stets noch technische Unterschiede bzw. Entwicklungsstände oder: Feinheiten, die die Unterschiede ein bisschen relativieren, mal in die eine, mal in die andere Richtung.
Sollte heißen:
… technische Feinheiten, Momentaufnahmen, die den Gleichstand ein bisschen relativieren, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Aber darum ging es ja nicht in dem Artikel. Es ging um Grundsätzliches, das zum größten Teil auch zutrifft.
Und klar, dennoch: In manchen Belangen ist dann doch das Mittelformat überlegen: Auflösung (z.B. der Fujifilm GFX 100 oder Hasselblad oder Phase One), wobei man vor allem bei Letztgenannten natürlich preislich in anderen Dimensionen landet. Wenn man dann noch in Basis-ISO fotografiert (fotografieren kann), ist der Unterschied zu kleineren Sensoren deutlich existent, aber das wurde in dem Artikel ja auch gesagt.