Mittelformatkameras mit Schrumpf-Mittelformat?
Das Mittelformat ist auch nicht mehr das, was es mal war. Jedenfalls könnte man auf diesen Gedanken kommen, wenn man manche Kommentare zu neuen Mittelformatkameras liest. Ab welchem Format kann man denn nun von „Mittelformat“ sprechen?
Kameras wie die Pentax 645Z, Leica S (Typ 007), Hasselblad X1D 50c und die jüngst angekündigte Fuji GFX 50c sind angeblich nur bessere Kleinbildkameras, messen ihre Sensoren doch nur 44 x 33 oder (bei der Leica S) 45 x 30 mm. Das Mittelformat, so heißt es, fange aber erst bei 6 x 4,5 an – und das sind Zentimeter, keine Millimeter.
Analoge Zeiten
Im analogen Zeitalter war das Mittelformat weitgehend durch das verwendete Filmmaterial definiert: den Rollfilm, meist vom Typ 120. Dieser Film hat eine Breite von 61,5 mm. Da er, anders als der Kleinbildfilm, keine Perforation besitzt, kann diese Breite bis auf einen wenige Millimeter breiten Rand genutzt werden. Die gängigsten Formate, in denen der Rollfilm belichtet wurde, waren 6 x 6 (tatsächlich 56 x 56 mm), 6 x 4,5 (42 x 56 mm), 6 x 7 (56 x 68 mm) und 6 x 9 (56 x 83 mm). Aus dem Rollfilm (auch dem des schmaleren Typs 127) konnte man aber auch „Super Slides“ im Format 40 x 40 mm schneiden. Der Name rührt daher, dass man Dias in diesem Format auch mit vielen Kleinbild-Diaprojektoren präsentieren konnte, während die größeren Formate einen teureren Mittelformat-Projektor erforderten.
Erste Digitalmodelle
Digitale Mittelformatkameras hatten früher durchweg Sensoren in den Formaten 48 x 36 mm oder 44 x 33 mm. Hasselblad begann 2006, das Format 48 x 36 mm als „Vollformat“ zu bezeichnen. Als Redakteur des Kundenmagazins „Victor by Hasselblad“ hatte ich damals noch davon abgeraten, aber der CEO bestand darauf. Später wurden dann auch größere Sensoren mit 53,4 x 40 mm verfügbar, die dem klassischen 6 x 4,5-Format von 56 x 42 mm zumindest nahe kommen, und die Phase One jetzt „Vollformat“ nennt. Auch das kleinere Format mit 44 x 33 mm wird weiterhin angeboten und ist das vermutlich populärste digitale Mittelformat.
Aktuelles Mittelformat
Neuere Mittelformatsysteme wie Leicas S-System sowie die spiegellosen Systeme von Hasselblad und Fuji setzen von vornherein auf 45 x 30 beziehungsweise 44 x 33 mm. Größere Formate sind nicht einmal mehr eine Option. Die Realität des Mittelformatmarktes ist, dass der Trend zu den kleineren Mittelformaten geht. Niemand bietet 6 x 6, 6 x 7 oder 6 x 9 an, und selbst das 6 x 4,5-Format wird nur annähernd erreicht. Das hat auch seinen Sinn, denn einerseits sind größere Sensoren sehr viel teurer, da die Ausschussquote mit der Sensorgröße überproportional steigt, während andererseits die typische Mittelformat-Bildqualität keine größeren Sensoren erfordert. Wenn es um die Auflösung geht, kann schon ein Kleinbildsensor einer analogen Mittelformatkamera Paroli bieten. Mit einem 44 x 33 mm-Sensor stellt man jede klassische Mittelformatkamera mit Rollfilm-Magazin in den Schatten.
Eine Definition des Mittelformats, die selbst die Kameras mit den aktuell größten Sensoren nur marginal dem Mittelformat zurechnet, wäre sinnlos. Faktisch gilt, was auch schon im analogen Zeitalter galt: Mittelformat ist alles, was größer als das Kleinbildformat ist. 44 x 33 oder 45 x 30 mm bieten gegenüber dem Kleinbild einen merklichen Vorteil bei allen Kenngrößen der Bildqualität, erfordern aber nicht so voluminöse und schwere Objektive wie die klassischen Mittelformatkameras, und daher scheint ihnen die Zukunft zu gehören.
Die Gegenwart und wohl auch die Zukunft bestimmen diejenigen, die alle Jahre wieder behaupten, die Welt neu erfinden zu wollen.
Da sie ja die Gesetzte der Physik durch brennweitenverlängernde Kleinsensoren brechen, kann mich die Verwendung von Standardbegriffen für minimal größere Sensoren nicht erschüttern. Das sind eben Leute die nicht wissen und auch nicht verstehen, dass man mit einer Mittel- oder gar Großformatkamera wegen der tollen Bildwinkel nicht nur, aber besonders, bei Fotos in Innenräumen mit viel längeren Brennweiten und damit mit wesentlich geringeren Weitwinkelverzerrungen besonders gute Fotos machen kann.
Dass Sport- und Tierfotografen eine echte Mittelformatkamera nicht nachfragen ist auch klar, denn ein 600mm-Äquivalentobjektiv wäre unbezahlbar und nur auf einem Lastwagen aufgebaut verwendbar.