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Schon wieder neue Kameramodelle – muss das sein?

Das neue Jahr hat gerade erst begonnen, aber nach der Verschnaufpause im Dezember haben die Kamerahersteller schon wieder neue Modelle angekündigt oder auf den Markt gebracht, von der Leica M10 Monochrom bis zur gestern vorgestellten Fuji X100V. Warum tun sie das, obwohl man doch auch mit den jeweiligen Vorgängermodellen noch immer ganz ansehnliche Bilder machen kann? Schon wieder neue Kameramodelle – muss das sein?

neue Kameramodelle
Seit 2017 wurden jedes Jahr weniger Kameras verkauft. (Quelle: CIPA)

Ich könnte an dieser Stelle ja auch über die jetzt verfügbaren CIPA-Zahlen des vergangenen Jahres berichten – in jedem Monat waren die Verkaufszahlen der Kameraindustrie schlechter als 12 Monate zuvor, und damals waren sie bereits schlechter als 24 Monate früher. Oder ich könnte über den Niedergang der photokina schreiben, die in diesem Jahr nur noch drei Hallen der Kölnmesse füllen kann. Die für die – letztendlich abgesagte – photokina 2019 eingeplante Halle 11.1 wird offenbar nicht mehr gebraucht. Wer daran erinnert, dass die photokina früher fast das ganze Messegelände bespielt hatte, klingt wie der Opa, der vom Krieg erzählt. Und wer will schon traurige Nachrichten lesen?

Aber die Kamerahersteller lassen sich nicht verdrießen und stellen tapfer immer neue Modelle vor – auch die Hersteller, die keinen Grund sehen, im Mai auf der photokina auszustellen. Das könnten gute Nachrichten sein, aber manchen ist das dann auch wieder nicht recht. Warum, heißt es, werden die Produktzyklen immer kürzer? (Werden sie gar nicht, aber egal.) Warum will uns die Industrie verführen, schon nach zwei Jahren eine neue Kamera zu kaufen, obwohl das Vorgängermodell, das man selbst besitzt, doch noch gut ist?

neue Kameramodelle
Schon wieder neue Kameramodelle – muss das sein? Unter den Neuvorstellungen dieses Jahres: Leica M10 Monochrom, Nikon D780, Canon EOS-1D X Mark III und Fuji X100V

Dabei geht es in Wirklichkeit gar nicht darum, die treuen Systemkunden mit jeder neuen Modellgeneration zum Kauf zu verleiten. Wenn ein Fotograf trotzdem immer das neueste Modell haben will, weist man ihn nicht ab, aber es ist nicht einmal so, dass das erstrebenswert wäre. Wenn jemand ein Modell aus dem oberen Segment besitzt und es nach, sagen wir, zwei Jahren bereits durch ein neues Modell ersetzt, wird die „alte“ Kamera durchweg auf dem Gebrauchtmarkt landen. An Gebrauchtkäufen verdient ein Hersteller aber nichts, und das gebrauchte ehemalige Spitzenmodell steht in Konkurrenz zu den aktuellen Einsteiger- und Mittelklassemodellen, die man eigentlich verkaufen will.

Der Grund, weshalb es immer neue Kameras gibt, ist ein ganz anderer. Jeden Tag fassen irgendwo auf der Welt Menschen den Entschluss, sich eine neue Kamera zuzulegen. Vielleicht besitzen sie bereits Kameras und Objektive eines Systems und wollen bei diesem System bleiben, vielleicht interessieren sie sich auch für mehrere Systeme, von denen sie gehört oder gelesen haben, oder die ihnen jemand empfohlen hat. Wenn sie nun nach einem geeigneten Modell eines ins Auge gefassten Herstellers suchen, sollte dieser über ein attraktives Portfolio verfügen, in dem jeder potentielle Kunde, egal mit welchen Wünschen und Bedürfnissen, ein attraktives Angebot findet.

Wenn es also nach ein bis drei Jahren ein Nachfolgemodell einer Kamera gibt, dann deshalb, weil der Hersteller sein Angebot aktuell halten muss. Wer schon zwei Jahre mit einer Kamera fotografiert, wird meist nicht das dringende Bedürfnis verspüren, schon wieder etwas Neues zu kaufen, aber ein Fotograf, der heute seine Kaufentscheidung trifft, wird nur ungern ein Modell wählen, das den technischen Stand von vor zwei Jahren repräsentiert. Dieser Fotograf ist aber gemeint, wenn die Modellpalette erneuert wird, und nicht der Besitzer einer Kamera der vorigen Generation.

Aber auch wer für seine Bedürfnisse gut ausgestattet ist und gar nicht beabsichtigt, die vorhandene und bewährte Kamera zu ersetzen, sollte die Ankündigung eines Nachfolgemodells als gute Nachricht registrieren. Schließlich bedeutet sie, dass sich der Hersteller des bevorzugten Systems nicht auf seinen Lorbeeren ausruht, sondern die Entwicklung weiter vorantreibt. Damit kann man sicher sein, dass dann, wenn man, vielleicht ein, zwei oder drei Jahre später, doch zu einem neuen Modell wechseln will, ein attraktives Angebot vorfinden wird. Man muss also weder einen Groll gegenüber dem Hersteller hegen, noch defensiv reagieren und trotzig vermeintliche Vorteile der eigenen, „alten“ Kamera gegenüber dem Nachfolger preisen. Man darf es nicht persönlich nehmen, wenn der Hersteller die Kamera, auf die man so stolz ist, schon wieder aus dem Programm nimmt, denn das heißt ja nicht, dass man damit keine tollen Fotos mehr machen könnte – wenn man es denn kann.

Nebenbei bemerkt: Ich fotografiere vorwiegend mit einer Pentax K-1 und einer Fuji X70, die beide nicht mehr ganz taufrisch sind. Die K-1 kam vor fast vier Jahren auf den Markt und wurde von Ricoh zwischenzeitlich durch die K-1 Mark II ersetzt; die Markteinführung der Fuji X70 liegt ebenfalls schon vier Jahre zurück. Beide Kameras habe ich gekauft, als sie eigentlich schon nicht mehr aktuell waren.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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3 Kommentare

  1. Dieses Verhalten der Hersteller kann ganz schnell nach hinten losgehen. Ich habe von 1972 bis 1978 neben dem Studium im Fotofachhandel gejobbt und dadurch die Ursachen des ersten Niedergangs der Fotoindustrie am POS miterlebt. Damals kamen, angestachelt durch jahrelang wachsende Verkaufserfolge, in immer kürzeren Abständen neue Modelle auf den Markt, in der Absicht, diesen Markthype maximal auszureizen – mit dem Effekt, dass ab ca. 1975 die Kameraverkäufe gewaltig einzubrechen begannen und das erste Tal der Tränen für die Hersteller eingeläutet wurde. Die Ursache konnte ich am Verkaufstresen täglich hautnah erfahren: Wenn Kunden mit Kaufabsichten kamen, hatten sie vorher natürlich die Fachzeitschriften gelesen und damit auch die Vorabtests der jeweils neuesten Modelle. Genau diese wollten sie kaufen – die gab es aber noch nicht im Handel. Die „Alten“ waren ja gerade erst drei, vier Monaten zuvor ausgeliefert worden. Aber in den Augen der Käufer waren das eben schon die „alten“ Modelle. Infolge der sinkenden Verkaufszahlen begannen die Hersteller immer panischer die Preise für die neuen „alten“ Kameragenerationen drastisch zu senken, so dass nun die Interessenten für diese „alten“ Modelle begannen, auf sinkende Preise der gerade in den Handel gekommenen Modelle zu warten. Hätte so ein Verhalten in den Jahren davor für die Kunden noch eine Wartezeit von einem Jahr bedeutet und damit die ihre Geduld überschritten, war nun eine Wartezeit von einem halben Jahr für die meisten Amateure erträglich – aber dieses Spiel wiederholte sich fatalerweise von Halbjahr zu Halbjahr, denn nach dem Warten war vor dem Warten. Mit dem Effekt, dass am Ende viele Interessenten den Kauf immer wieder hinausschoben, viele deutlich länger als ein Jahr. Man mag hier mit der Logik entgegenhalten (wie in diesem Artikel), aber die Menschen – gerade auch engagierte Amateure – reagieren nicht logisch, sondern emotional. Selbst echte Profis, die an und für sich rational investieren würden, sind oft von der Psychologie ihrer Kunden abhängig, die erwarten, dass gerade „ihr“ Profi nur mit dem neuesten Equipment arbeitet. Und am Ende zählt nur das reale Kaufverhalten für die Überlebensfähigkeit einer Industrie und keine Appelle an die Vernunft.

  2. Ein Profifotograf ist meist daran interessiert, das Werkzeug Kamera so lange wie möglich zu nutzen. Damit erspart man sich das unweigerlich nötige Umlernen und natürlich auch Investitionskosten. Es mag natürlich potentielle Kunden geben, die Wissen über neuere Modelle haben, sich über ältere Kameramodelle wundern, doch letztendlich zählt das Ergebnis, also die Qualität des Bilds. Viele Kunden sehen ja den Fotografen gar nicht bei der Arbeit, sondern nur das Ergebnis.
    Wenn früher in kurzen Abständen von manchen Herstellern neue Modelle kamen lag es auch daran, dass das alte technische Mängel, manchmal auch fertigungstechnische, hatte, und sich der Hersteller so aus der Affäre zog. Der Umstand, dass die vorhandenen Objektive einen Wechsel zu einer anderen Marke praktisch unmöglich macht, war da hilfreich. Es gibt allerdings auch Hersteller, die eine klare Linie verfolgten und tatsächlich nur alle paar Jahre ein Nachfolgemodell anboten. Das in einem Zyklus, der in etwa der Lebensdauer für einen verlässlichen Betrieb entsprach.
    Man muss bei diesem Thema allerdings auch berücksichtigen, dass z.B. Zeitschriften natürlich gerne über neue Modelle schreiben, begonnen mit Spekulationen bis dann zu den Tests des angebotenen Modells. Womit sollten sie denn sonst die Seiten füllen, mehr als 2 oder 3 Tests in unterschiedlicher Ausführlichkeit und dann noch Vergleichstests mit vergleichbaren Kameras anderer Hersteller gibt ja die beste Kamera nicht her. Also wird eben spekuliert und das Interesse potentieller Käufer angeregt. Da ist jedes angekündigte Modell stark gefragt.
    Dazu kommt noch der Pixelwahn, also die Vermehrung der Pixel auf der gleichen Sensorfläche, besonders im unteren und mittleren Segment oft ohne wirklich erkennbaren Qualitätsgewinn. Aber auch darüber lässt sich ausführlich berichten.
    Was bei vielen dabei übertüncht wird ist die Tatsache, dass eine Kamera samt Ausrüstung nur dafür da sind, dass ein Mensch im richtigen Moment den bestmöglichen Ausschnitt der Wirklichkeit einfängt.
    Dafür benötigt man Technik, mit der man umgehen kann. Und vor allem das Gefühl für den Moment und das Empfinden dafür, wann dieser kommen kann.

  3. Angefangen hat der schnelle Modellwechsel bei den Autos, die jedes Jahr ein neues Modell vorstellen. Ich habe deshalb meist ein Vorjahresmodell zu deutlich reduziertem Preis erstanden.
    Bei Sony habe ich nicht die erste 7R gekauft, deren Handhabung (Auslöser) unergonomisch war, sondern die 7R II und dann die IV. Ein bekannter japanischer Kollege meinte mal, wichtig sei es, seine Kamera zu mindestens 80 % zu beherrschen. Dafür muss man sie relativ lange im Einsatz haben.
    Sicher gibt es Spezialisten, die 20 B/s nutzen oder Bl. 1,8 bei einem Tele. Aber den meisten reichen Bl. 2,8 oder sogar Bl.4. Oft müssen die Hochlichtstarken etwas abgeblendet werden, um eine hohe Auflösung zu erhalten.
    Auch erkennen monatlich erscheinende Zeitschriften praktische Probleme aus Zeitgründen kaum. Ein Sigma „Sports“ Objektiv wurde mit dem Sigma-Adapter an Sony-Kameras getestet und hochgelobt. Dass jedoch AF-C nicht möglich ist, stand nirgends. Dabei ist das bei einem Tele für Sport-Aufnahmen sehr wichtig.
    Die meisten Menschen sind nicht logisch, sonst würde die Werbung nicht so gut funktionieren. „Mehr Pixel“ ist ein Argument, obwohl die winzigen Objektive der Handys diese nicht auflösen können und die meisten Fotografen keine 5 % der Möglichkeiten Ihrer Kameras nutzen und noch keines ihrer Bilder in A4 gesehen haben.
    Ich fürchte, dass herkömmliche Kameras bald nicht mehr produziert werden, weil Handys den meisten Anwendern mehr als genügen. Dann können gute Fotografen nur hoffen, dass ihre sauguten Kameras noch lange gewartet werden…

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