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Rauf und runter

Wer ständig den Preisverlauf verfolgt, kauft am Ende möglicherweise gar nicht.
Wer ständig den Preisverlauf verfolgt, kauft am Ende möglicherweise gar nicht.

Onlinehändler, die ihre Preise tagesaktuell anpassen, machen ihre Kunden damit noch ganz wuschig und vereiteln manche schon gefasste Kaufabsicht. Nicht nur eine Preiserhöhung ist ein Kaufhemmnis; auch eine Preissenkung kann davon abhalten, auf „Kaufen“ zu klicken. Warum ist das so?

In meiner Kinderzeit kamen zweimal pro Jahr die dicken Neckermann-, Otto- und Quelle-Kataloge ins Haus. In der schönen bunten Warenwelt dieser großen Versender gab es nur Festpreise; der im Katalog aufgerufene Preis galt für die gesamte Saison. Heutzutage sind wir daran gewöhnt, dass die Preise online angebotener Produkte regelmäßig angepasst werden, und theoretisch sollte das dem Kunden nutzen. Ein Händler, der lange gültige Festpreise kalkuliert, muss sich gegen Schwankungen beim Einkaufspreis absichern und daher eine Sicherheitsmarge aufschlagen. Wenn er seine Preise dagegen tagesaktuell neu kalkuliert, kann er günstige Einkaufspreise an den Kunden weitergeben – sobald seine Kosten wieder steigen, kann er den Preis auch wieder anheben, muss also nicht befürchten, mit Verlust zu verkaufen. Der Kunde, dem es mit dem Kauf nicht so eilig ist, kann seinen Vorteil daraus ziehen, indem er auf ein Tal in der Preiskurve wartet.

In der Praxis ist es noch ein bisschen komplizierter, denn die Preisfindung hängt von vielen, für den Kunden nicht immer sofort durchschaubaren Faktoren ab. Als ich mir meine aktuelle Kamera kaufen wollte, schaute ich auf die Website eines Händlers, bei dem ich schon mehrmals gekauft hatte. Der Preis war gut, nur war die Kamera nicht ab Lager lieferbar, und so wartete ich erst einmal ab. Eine Woche später war das Modell zwar lieferbar – aber auch 50 Euro teurer. Natürlich kaufte ich zu diesem Zeitpunkt nicht, sondern wartete, bis der Preis erneut nachgab – nur war die Kamera wiederum nicht lieferbar. Nach ein paar Wochen hatte ich das Spiel durchschaut: Wenn der Händler liefern konnte, verlangte er einen am Mitbewerb orientierten normalen Preis; nur wenn er keine Ware hatte, ging er mit dem Preis ’runter. Ich wartete also, bis der Händler wieder einmal auf Ware warten musste, und bestellte zum günstigen Preis. Zwar bekam ich die Kamera erst drei Wochen später, aber so eilig hatte ich es ja nicht.

Bei Kameras ist der grobe Preisverlauf noch relativ einfach zu beschreiben: In den ersten Monaten verlangen die Händler Preise, die nahe dem empfohlenen Verkaufspreis des Herstellers liegen. Erst wenn der größte Teil der insgesamt produzierten Stückzahl abgesetzt ist – ein Punkt, der bei Kompaktkameras durchweg schon nach drei Monaten erreicht wird –, beginnt der Preis langsam zu sinken, damit die Lager bis zum Ende des Produktzyklus geräumt sind. Wenn bereits das Nachfolgemodell auf dem Markt ist, zieht der Preis oft wieder an, was aber nicht bedeutet, dass die Kunden das alte Modell bevorzugen: Die günstigen Anbieter haben ihre Ware zu diesem Zeitpunkt längst verkauft; nur die teuren Anbieter verfügen noch über Restbestände, was den Preis in die Höhe treibt.

Anders sieht es bei Produkten wie Objektiven aus, die über viele Jahre angeboten werden und dabei keinem so einfach vorauszusehenden Preisverfall unterliegen. Preisfluktuationen gibt es aber auch hier. Ich verfolgte mal für längere Zeit den Preis, den ein Versender für ein Objektiv forderte, für das ich mich interessierte. Mal sank der Preis, mal stieg er, aber nie konnte ich mich entschließen, es endlich zu kaufen. Dass mich eine Preiserhöhung vom Kauf abhielt, ist leicht zu verstehen, aber warum konnte mich ein niedrigerer Preis nicht verführen? Hier zeigte sich im Kleinen, was bei einer Deflation im Großen passiert: Wenn die Preise fallen, vermutet der Konsument, dass sie noch weiter fallen werden, und wartet erst einmal die weitere Entwicklung ab. Wenn ein Preis aber wieder steigt, mag man erst recht nicht kaufen. Sobald ein Produkt nämlich einmal zu einem geringeren Preis verfügbar war, meint man, dass es auch nicht mehr wert sein könne – schließlich ist es immer noch dasselbe Produkt, für das nun ohne erkennbaren Grund ein höherer Preis gefordert wird. So kann es passieren, dass man bereit wäre, sich seinen Wunsch zu einem bestimmten aktuellen Preis zu erfüllen, aber da der Preis gerade fällt, wartet man ab. Wenn der Preis später steigt und erneut dasselbe Niveau erreicht, akzeptiert man den Preis dagegen nicht mehr. Die Intransparenz der Preisgestaltung trägt noch dazu bei, den Kunden zu verunsichern: Nicht nachvollziehbare Preisschwankungen vermitteln auf Dauer den Eindruck, dass man übers Ohr gehauen werden soll.

Mein Verhalten war zwar nicht rational, aber Konsumenten handeln nun mal nicht völlig rational. In diesem Fall hätte meine Unvernunft fast dazu geführt, dass mir das Objektiv ganz entgangen wäre, denn als ich mal wieder nach dem aktuellen Preisniveau schauen wollte, war es nicht mehr zu finden – weder auf der Website dieses Händlers noch auf denen aller anderen. Aus dem Handelskanal war das Objektiv verschwunden, aber glücklicherweise hatte der Hersteller noch eines.

Auch wenn ich meine Lektion gelernt habe, kann ich den Händlern nur raten, ihre Preise behutsamer anzupassen und nicht aus allzu vielen Faktoren täglich von neuem optimierte Preise zu berechnen, die prospektive Kunden bloß verwirren.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Tja, so läuft das Spiel.

    Wenn ich aus meiner Praxis als Kunde berichten darf:

    1. Wenn ich etwas BRAUCHE, kaufe ich es da, wo es am günstigsten (inklusive Versandkosten) ist und ich mir sicher bin, dass es sich um einen seriösen Händler handelt. Das bedeutet dann auch, dass ich eben erst beim bspw. drittbesten (vom Preis her) Händler kaufe.
    Aufgrund schlechter Erfahrungen kaufe ich nicht mehr im Laden ein: Ist ein Produkt defekt oder man hat andere Probleme damit, wird man ggf. vom „guten alten“ Offline-Laden böse vor den Kopf gestoßen: wochenlange Wartezeiten auf Reparaturen/Nachbesserungen.

    Wenn man ein paar Jahre „dabei“ ist, kann man schon recht genau vorausahnen, wann was wo und zu welchem Preis zu haben sein könnte. Finde ich zumindest.
    Ich würde – aus eigener Erfahrung – empfehlen, ein Produkt ggf. lieber zu 1099,- Euro zu kaufen, wenn es bereits zu 1053,-Euro zu haben war (war!), als darauf zu hoffen, dass eine bessere Zeit kommt. Ich habe mit der Hoffnung überwiegend schlechte Erfahrungen gemacht, abgesehen davon, dass – selbst wenn ich eine gewisse Zeit hatte – ich irgendwann kaufen MUSSTE, weil ich nicht mehr länger warten konnte (fies, wenn der Preis dann sehr hoch steht).
    Vergessen sollte man nicht den Trick mancher Händler, die genau auf jene Hoffnung der Kunden setzen: Sie schlagen teilweise unverschämte Summen in den Versandkosten drauf, nachdem sie vorher mit dem „günstigen“ Preis im Internet geworben und damit auch Suchmaschinen manipuliert haben.

    MfG – Frank

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