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Praxistest Sony a7rII – Der Stabilisator (Teil 4)

Die Sony a7rII wurde mit einem internen 5-Achsen-Bildstabilisator ausgestattet, der dem aus der a7II ähnlich, aber technisch angeblich nicht identisch sein soll. Braucht man so etwas auch ohne Tremor-Erkrankung? Die Antwort ist ganz klar: Ja – und zwar, je höher der Sensor auflöst, desto dringender.

Bei einer 30 Sekunde wird der Unterschied mit und ohne Stabilisierung deutlich, wenn man mit einer 35-Millimeter Brennweite arbeitet.
Bei einer 30-stel Sekunde wird der Unterschied mit (links) und ohne (rechts) Stabilisierung deutlich, wenn man mit einer 35-Millimeter Brennweite arbeitet.

Hintergrund


Das Phänomen kennt jeder, der schon einmal mit einer sehr langen Brennweite gearbeitet hat: Je stärker man einen Bildausschnitt im Sucher vergrößert, desto wackeliger wird die Angelegenheit. Freunde kleinformatiger Bildsensoren und/oder weiter Bildwinkel sind von dem Problem eher am Rande betroffen. Wer aber großformatige Sensoren schätzt und fotografisch gerne jenseits der Normalbrennweite unterwegs ist oder in Umgebungen mit wenig Licht und damit einhergehend langen Verschlusszeiten arbeitet, weiß eine zusätzliche Stabilisierung uneingeschränkt zu würdigen.

Früher nutzte man dazu zwangsläufig ein Stativ, heute wird dessen Funktionalität weitgehend von Stabilisierungs-Systemen in Objektiven oder  – wie hier – von solchen direkt am Sensor geleistet. Das schafft Flexibilität, denn viele Fotografen lehnen die eher starre Arbeit mit Stativen ab, und nur wenige Umgebungen bieten von sich aus genügend Licht für sehr kurze Verschlusszeiten bei der Grundempfindlichkeit des Sensors.


Verhältnismäßigkeiten


In der analogen Fotografie gab es eine goldene Regel für die kürzeste Verschlusszeit, mit der man aus der Hand arbeiten kann. Sie lautet schlicht „1/Brennweite“. Hat man also ein 100-Millimeter-Objektiv im Einsatz, soll die minimale Verschlusszeit mindestens 1/100 Sekunde kurz sein. In der Welt digitaler Kameras mit hohen Auflösungen, ist man wegen der vergleichsweise feineren Abtastung dazu übergegangen, die Abstände jenseits von 12 Megapixel Auflösung um zumindest eine Blende zu verkürzen, will man – unstabilisiert – auf der sicheren Seite sein. Bei dem 100-Millimeter-Objektiv also 1/200 Sekunde.
Canon empfiehlt für seine über 50-Megapixel auflösenden 5Ds/r-Modelle sogar eine Verkürzung der Regel um drei Blendenstufen, wenn man ohne stabilisierte Objektive arbeitet. Das wäre bei unserem 100er-Objektiv dann 1/800 Sekunde. So kurze Verschlusszeiten sorgen sicherlich dafür, dass weder man selbst das Bild verwackelt, noch die meisten Motive in die Unschärfe gleiten. Doch gehen sie in der Regel mit unnötig hohen ISO-Werten einher.


Stabi-Tests


Stabiliserung ist also angesagt, je feiner ein Sensor das Bild auflöst. Die 42 Megapixel der Sony a7rII bewegen sich in einer Dimension, die bis vor ein paar Wochen nur von etwa 1,6 mal so großen Mittelformat-Sensoren erreicht wurde. Beim Bestreben mit meinem (nach der Adaptierung leider nur manuell fokussierenden) 85-Millimeter-Canon-Objektiv Testaufnahmen zu machen, fiel auf, dass man die Stabilisierung nur für die „echten“-FE-Systemlinsen abschalten kann. Adaptierte Objektive werden ergo automatisch stabilisiert. Verwedent man nun ein Sony „OSS“-Objektiv, also eines mit integrierter Objektiv-Stabilisierung, schaltet die a7rII automatisch den eigenen Ausgleich der beiden vom Objektiv selbst stabilisierten Achsen ab und kombiniert die Funktionen. Ob das bei stabilisierten Canon-Objektiven mit Adapter genauso gehandhabt wird, ist mir noch unklar, ich halte es aber für unwahrscheinlich. Wenn man mit adaptierten Objektiven in den Genuss der idealen Stabilisierung für die verwendete Brennweite kommen möchte, muss man diese manuell vorgeben.

Anschließend ergibt sich ein Faustregelwert von „1/(Brennweite/2)“. Bezogen auf unser 100-Millimeter-Objektiv kann man also eine 1/50 Sekunde als Minimalwert zugrunde legen. Kürzer ist natürlich besser, aber ich fand den Wert als Ausgangspunkt trotzdem recht eindrucksvoll – zumal ich mit meiner Canon 5D III mit Werten von mindestetens zwei Korrektur-Blenden gearbeitet hatte, also bezogen auf das Beispiel mit 1/400 Sekunde oder kürzer – wenn die Umstände es zuließen. Das entspricht in der Praxis also einem Zugewinn von drei Blenden.


Zwischen-Fazit: Bildstabilisator


Auch wenn die hier verbaute Bildstabilisierung Stativen nicht die Daseinsberechtigung raubt, ist sie ein höchst willkommenes Hilfsmittel bei der hoch auflösenden a7rII, da sie die minimalen Belichtungszeiten erheblich verlängert. Angenehm fällt (im Vergleich mit der unstabilisierten a7) auf, dass die Entwacklung sich bereits auf die Bilddarstellung im elektronischen Sucher auswirkt, was das manuelle Scharfstellen im Zoom-Modus erleichtert.


Mehr lesen:


Teil 1: Der Plan und erste Raw-Bilder
Teil 2: Das Handling
Teil 3: Fokussieren
Teil 4: Der Stabilisator
Teil 5: Die Bildqualität
T
eil 6: Das Fazit

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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