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Praxistest: Sigma 50 Millimeter Brennweite (50mm f/1,4 DG HSM Art)

Sigma 50 Millimeter Brennweite
Praxistest: Sigma 50 Millimeter Brennweite (50mm f/1,4 DG HSM Art)
Revolutioniert Sigma die Gattung Normalobjektiv mit dem Sigma 50 Millimeter Brennweite (50mm f/1,4 DG HSM Art)? DOCMA Chefredakteur Christoph Künne hat als 50-Millimeter-Nerd sofort eine dieser Zauberlinsen gekauft und ist damit zum Praxistest mit dem Sigma 50mm zum Fotofestival 2016 nach Zingst gefahren.
Normalobjektive gibt es wie Sand am Meer, die meisten Kamerahersteller haben gleich mehrere im Programm: ein günstiges, ein etwas bessers, ein noch viel besseres und eins mit Makrofunktion.
Was aber für fast alle Normalobjektive (genauso wie für fast alle anderen Objektive auch) gilt, ist ihre Unfähigkeit, der Auflösung heutiger Bildsensoren zu entsprechen. Nochmal und ganz deutlich: 95% der derzeit erhältlichen Objektive schaffen es nicht, den möglichen Detailreichtum von 20 oder mehr Megapixeln aktueller Vollformatsensoren auszunutzen. Wer sich selbst ein Bild von diesem Drama machen möchte, kann unter www.dxomark.com die „Sharpness“-Werte von Objektiv-Kamera-Kombinationen vergleichen.
Nikon und Canon scheinen seit Jahren auf diesem Auge halbblind zu sein. Sie bringen zwar regelmäßig neue Objektivrechnungen heraus, doch schöpfen selbst diese die aktuellen Sensor-Auflösungen nicht aus.
Anfang des Jahres hat sich nun die Firma Zeiss ein Herz genommen und mit dem Otus eine 55-Millimeter Brennweite auf den Markt gebracht, die seither als die Mutter aller Normal-Objektive für Vollformat-DSLRs gilt. Das Otus zeigt jedoch gravierende Nachteile im alltäglichen Gebrauch: Es ist etwa ein Kilo schwer und über 14 Zentimeter lang, kostet 3.500 Euro und kommt ohne Autofokus daher. Dafür kann es an einer Canon 5D Mark III volle 21 Megapixel auflösen und an einer Nikon D800E sogar 33 (der 36 mögichen).
Sigma hat sich an den Abbildungsleistungen des Otus orientiert und zu einem Preis von immer noch stolzen 1.000 Euro ein Objektiv gebaut, das zwar ziemlich groß und schwer ist, dafür aber gerade noch bezahlbar, und – ganz wichtig – eine Autofokus-Funktion besitzt. Laut einschlägiger Messwert-Tests ist der Anspruch, den Otus-Leistungen nahezukommen (zumindest an Canon-Kameras) verwirklicht worden.
Aber was bedeutet das nun in der Praxis? Wir haben das Sigma-Objektiv vor eine Canon 5D Mark III geschraubt und waren schlicht und ergreifend beindruckt. Hier scheint das Versprechen eingelöst worden zu sein, dass Canon den Kunden seines 1.500 Euro teuren 1.2 50mm-Objektivs macht: Die Ergebnisse sind – schon mit bloßem Auge erkennbar – signifikant detailreicher als die, die man mit den beiden günstigen 50ern (1.8 und 1.4) des Canon-Programms zustande bringt. Solches gelingt mit dem 1.2, das wir jetzt seit drei Jahren im Einsatz haben, definitiv nicht. Das dürfte übrigens auch für das Versprechen gelten, das Nikon den Kunden seines neuen, teuren 58-Millimeter-Objektivs macht.
Abgesehen von seinem Gewicht zeigt das Sigma 50 Millimeter Brennweite (Art) keine Schwächen. Der Autofokus ist fix, das Bokeh ohne störendes Eigenleben, die Abbildungsqualität selbst bei Offenblende unglaublich und die Verarbeitung solide. Inwieweit in Sachen Abbildungsqualität noch Reserven in der Konstruktion schlummern, werden spätestens die DXO-Messungen mit der Nikon D800E und der Sony A7r zeigen, sobald die entsprechenden Versionen des Objektivs verfügbar sind.
Auffällig war für uns die hohe Zahl an Nachfragen, als wir die ersten mit dem 50-mm Art aufgenommenen Zingst-Bilder auf docma.info (1 | 2) und auf Facebook veröffentlich haben: Sie bezogen sich fast alle auf einen Aspekt: Welches Objektiv kam denn da zum Einsatz?
Angeregt von den eindrucksvollen Ergebnissen verfielen wir auf die Idee, Äpfel und Birnen zu vergleichen: Wir liehen uns von einem befreundeten Fotografen eine Leica S2 Überformat-Kamera mit 70-mm-Brennweite und machten eine Reihe von Vergleichsbildern unter Praxisbedingungen. Das Ergebnis war erschreckend: Erhebliche Qualitätsunterschiede konnten wir (nach einer etwas forcierten Raw-Entwicklung mit gleichen Parametern im Hinblick auf die Kontrasteinstellungen) nicht entdecken. Unterschiede gab es nur noch in der Pixelmenge. Für alle, die mit den Preisen der deutschen Edelkameraschmiede nicht vertraut sind: Die 37,5-Megapixel-Leica  kostet rund 18.000 Euro, das Objektive 4.000. Die Kombination von Canon und Sigma-Objektiv etwa 3.500 Euro, also etwas weniger als des Leica-Objektiv allein.
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Da das Sigma augenscheinlich alle „normalen“ Standardbrennweiten aus dem Feld schlägt, drängt sich die Frage auf: Woran soll man es messen? Eine sehr spannende Messwert-Untersuchung hat die amerikanische Firma Lens Rentals vorgenommen, bei der sie Leica-, Zeiss- und Voigtländer-Objektive, die zumeist aus der Welt der Messsucher-Kameras stammen, mit dem neuen Sigma vergleicht. Das Ergebnis spricht eine recht klare Sprache: diese oftmals viel teureren Linsen können hier und da einiges besser, aber der klare Preis-Leistungs-Sieger ist das Sigma.
1000 Euro für ein Standardobjektiv sind sicherlich kein Pappenstil, aber wem es darum geht, aus seiner ohnehin schon hochauflösenden Kamera die maximale Bildqualität zu kitzeln, ist hier vergleichsweise günstig bedient. Schade nur, dass das Objektiv keine Bildstabilisierung hat, mit dem sich die Maximalauflösungen auch ohne Stativ oder eine Verschlusszeit jenseits einer 1/500 Sekunde realisieren ließen.

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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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