Posen: Wie man Frauen den Kopf verdreht
Fotografen und bildende Künstler lassen ihre Modelle schon einmal unnatürlich erscheinende Posen einnehmen. Eine gerade in der populären Kunst gerne verwendete Pose fiel mir jüngst wieder auf, als Doc Baumann an dieser Stelle den EC-Comics-Band des Taschen Verlags vorstellte.
Seltsam verdrehte Posen haben in der Kunst eine lange Tradition. In meiner Miniserie zur Bildgestaltung nach dem Vorbild der alten Meister hatte ich in DOCMA 93 beispielsweise jene Pose beschrieben, die man von der Mona Lisa kennt: Die porträtierte Person sitzt oder steht zur Seite gewandt, dreht aber Kopf und Oberkörper zum Betrachter hin.
Diese verdrehte Körperhaltung, die man in Porträts aus der Renaissance oft findet, und zwar bei Männern wie bei Frauen, verleiht der statuarischen Porträtsituation Dynamik: Es hat den Anschein, als wäre die Person gerade eines anderen Menschen gewahr geworden und würde sich ihm daraufhin zuwenden. In der Realität nähme man diese Haltung höchstens für wenige Sekunden ein, um sich dem Anderen dann vollständig, mit dem ganzen Körper zuzuwenden. Die Pose signalisiert das Interesse des Porträtierten, das der Betrachter des Bildes unwillkürlich und unbewusst auf sich bezieht.
In der populären Kunst der letzten Jahrzehnte, in Comics beispielsweise, findet man manchmal eine ähnlich verdrehte Pose – aber ausschließlich in der Darstellung von Frauen. Zum Beispiel auf dem Cover von Grant Geissmans „The History of EC Comics“ aus dem Taschen Verlag, das Doc Baumann hier jüngst vorgestellt hat: Die Astronautin steht eigentlich dem Betrachter zugewandt; ihre Hüfte ist fast parallel zur Bildebene ausgerichtet. Mit Kopf und Oberkörper dreht sie sich allerdings, um ein außerirdisches Ungeheuer hinter ihr ins Visier zu nehmen. Im Gegensatz zur Pose der Mona Lisa erscheint das völlig unnatürlich, denn jeder vernünftige Mensch würde sich einem gefährlichen Monster frontal zuwenden. Der Zweck dieser Pose liegt offenbar darin, die erotischen Reize des weiblichen Körpers optimal zur Geltung zu bringen. Manche Zeichner haben die Verdrehung des Oberkörpers noch weiter getrieben, so dass die Vorder- und Rückseite des Körpers und damit „tits and ass“ aus derselben Perspektive sichtbar werden.
Nichts gegen attraktive weibliche Protagonisten in Comics, aber ich fände sie ja noch attraktiver, wenn sie die Sache etwas ernster nehmen und sich voll und ganz den aggressiven Außerirdischen widmen würden, statt vor allem für den unsichtbaren Betrachter zu posieren.
Es gibt eben unterschiedliche Schwerpunkte, um eine Aussage in der Momentaufnahme eines Bilds gewichtet zu vermitteln. Die Porträts der Ägypter zeigen bekanntlich eine Profillastigkeit, die Art der Perspektive in manch alten Gemälden hat nichts mit der heute üblichen perspektivischen Darstellung zu tun. Und gegen. Picassos Malerei ist die kritisierte Comiczeichnung fotorealistisch,
Ich hätte weniger mit frei assoziierten Bedeutungen von Posen ein Problem als mehr damit, daß die Anatomie ziemlich Banane ist. Der (jeweils von uns aus gesehen) linke Oberarm ist zu kurz, die Krümmung des Ärmels zu gering für eine steile Neigung in unsere Richtung um das als perspektivische Verkürzung abzutun, die Hand dazu deutlich zu klein, auch in Relation zur anderen Hand. Der Daumen rechts gut gemeint, der Griff der Waffe in Kombi mit dem Handballen fragwürdig, der linke Oberschenkel zu kurz, das Knie dazu diffus und eher hilflos gezeichnet, der Faltenwurf …na, lassen wir mal gut sein. Auch wenn „Tarzan“ rechts von Frazetta geliehen aussieht… wir wissen halt nichts über die Umstände des Bildes. Ich könnte mir vorstellen, daß die Zeit zu kurz war- Comiczeichner werden ja traditionell sehr schlecht bezahlt um unter Zeitdruck dann gern mal Kompromisse einzugehen. Schreibt hier jemand, der zwanzig Jahre sehr viel für den Verlag mit Ente und Maus gezeichnet hat. Und Posen klauen ist halt gängig, gerade in Themen mit dicker Hose, Drama und Äcktschn.