photokina: (Wie) geht es weiter?
Nach der photokina ist vor der photokina, und die nächste Messe ist diesmal nur siebeneinhalb Monate entfernt. Aber hat die photokina überhaupt noch eine Zukunft?
Wann hat eigentlich der Niedergang der photokina begonnen, der einst stolzen Leitmesse der Fotografie? Für mich war es 2010, als ich wieder einmal über die Hohenzollernbrücke ging und die orangen Fahnen vermisste, die noch zwei Jahre zuvor jedem Kölner und Köln-Besucher signalisiert hatten, dass die Stadt wieder einmal für eine Woche der Nabel der fotografischen Welt sein würde. Vor zehn Jahren war diese Welt noch in Ordnung und die photokina hatte fast alle Hallen des weitläufigen neuen Messegeländes gefüllt.
Diesmal standen die Hallen 6, 7, 9 und 10 leer, die Hallen 8 und 11 sowieso, und das große Pressezentrum Nord war gleich ganz geschlossen. Die Messe beschränkte sich auf den Kernbereich der Hallen 1 bis 5. Aber selbst das stimmt nicht ganz, denn die Halle 4.1 blieb ungenutzt und Halle 5.1 war der Digility vorbehalten, einer separaten Messe für Virtual Reality, Augmented Reality und verwandte Themen, zu der man mit einem photokina-Ticket keinen Zugang hatte.
Die photokina 2018 war nicht nur kleiner, sondern auch zwei Tage kürzer; sie begann erst am Mittwoch und endete schon am Samstag. Immerhin ging die Zahl der Messebesucher dennoch nur leicht zurück, von 191.000 vor zwei Jahren auf 180.000 in diesem Jahr. Die hohen Eintrittspreise hatten offenbar nicht abschrecken können, aber über die Aussteller wurden viele Freikarten verteilt, so dass wohl jeder, der sich ein wenig bemüht hatte, kostenlos Einlass fand. Nur noch 529 Aussteller waren vertreten und manche namhafte Unternehmen der Branche fehlten; wohl deshalb führte die Messe diesmal auch noch die Unteraussteller auf und kam damit auf insgesamt 812 teilnehmende Unternehmen.
Es war etwas unglücklich, dass eine Großbaustelle zwischen dem Deutzer Bahnhof und dem Messegelände das sonst imposante Entree der Messe ruinierte. Sah man früher schon von weitem die große Treppe, die zum Südeingang führte, musste man nun erst das Containerdorf der Bauarbeiter umrunden und fand nach den Taschenkontrollen in einer Sicherheitsschleuse nur über eine provisorische Treppe Zugang zum eigentlichen Messegelände.
Lücken in der Belegung der Hallen, die sich da und dort zeigten, füllten meet and greet-Zonen mit durchaus willkommenen Sitzgelegenheiten sowie Stellwände, auf denen Fujifilm dafür warb, digitale Bilder doch auch zu Papier zu bringen. Von diesen Bildern hatte Fuji offenbar eine so reiche Auswahl, dass sich alle ungenutzten Bereiche damit füllen ließen.
Echte Fotoausstellungen gab es nur wenige. Die photokina war früher nicht nur eine Leistungsschau der Fototechnik, sondern auch eine Galerie, und ich hatte mir immer einen halben Tag allein dafür Zeit genommen, mir die verschiedenen Ausstellungen anzuschauen – das war nicht mehr nötig. Die Messe hatte sich zuletzt aus der Kuratierung zurückgezogen und diese Aufgabe Leica übertragen, die in der größeren Hälfte der Halle 1 jeweils mehrere Fotografen präsentierten. Aber auch damit war es nun vorbei; Leica beschränkte seine Präsenz auf einen gewöhnlichen Stand.
Die positive Ausnahme vom allgemeinen Abwärtstrend bildete Canon, die sich traditionell die Halle 3.2 mit Panasonic teilen. 2016 war der Canon-Stand erheblich geschrumpft, und da die Messe den so gewonnenen Raum nicht nutzen konnte, waren große Freiflächen entstanden. In diesem Jahr war der Stand wieder so groß wie gewohnt. Allerdings fiel es auf, dass es nun innerhalb dieser Fläche breite Schneisen gab. Fujifilm, wie üblich in Halle 4.2, schien sich vergrößert zu haben, wobei der allergrößte Teil der Standfläche nicht etwa der auf der photokina angekündigten Mittelformatkamera GFX 50R (zum Kampfpreis von rund 4500 Euro) oder der X-T3 gewidmet war, sondern den Sofortbildkameras der instax-Reihe. Diese tragen allerdings auch einen entsprechend großen Anteil zu Umsatz und Gewinn bei.
Die photokina war schon 2016 über den Themenkreis der klassischen Fotografie hinausgegangen, um auch Bereiche wie Smartphones – immerhin die meistgenutzten Geräte zu fotografischen Zwecken –, Action-Kameras und die Drohnenfotografie mit einzubeziehen. Dieses Imaging unlimited-Konzept wurde auch diesmal beibehalten, nur war wenig davon – seltsam wenig – zu sehen. Von den Drohnenherstellern war DJI vertreten (die, nachdem sie Hasselblad gekauft haben, Drohnen und Mittelformatkameras auf einem Stand präsentierten, was etwas kurios wirkte) und unter den Unternehmen der Smartphone-Branche war Huawei präsent, aber gegenüber 2016 fehlten viele bekannte Unternehmen aus diesen Randbereichen der Fotografie, die man doch gerade erst für diese Messe hatte gewinnen wollen. Dass die Bereiche VR und AR in die separate Digility-Messe ausgelagert worden waren, erscheint daher erst recht unglücklich.
Optimisten mögen hoffen, dass das gesunkene Interesse der Fotoindustrie an der photokina 2018 damit zu tun hatte, dass am 8. Mai nächsten Jahren schon die nächste photokina beginnt und die Budgets nicht für zwei Messepräsenzen innerhalb von acht Monaten reichten. Von einem starken Andrang zur photokina 2019 ist allerdings wenig zu spüren. Dagegen spricht auch der bereits veröffentlichte Hallenplan: Die Hallen 1 und 2 fallen aufgrund von Bauarbeiten weg und werden durch die größere Halle 11 ersetzt; die verfügbare Ausstellungsfläche wird damit insgesamt nicht größer als in diesem Jahr sein – eher noch kleiner, da Halle 2 zwei Ebenen hat, in Halle 11 aber nur eine Ebene genutzt werden soll.
Da die photokina vom zweijährigen Rhythmus auf eine jährlich stattfindende Messe umstellt und der Termin zudem von September auf Mai wechselt, hätte es nahegelegen, die nächste Messe auf den Mai 2020 zu terminieren, also in gut anderthalb Jahren. Eine weitere Messe in nur siebeneinhalb Monaten ist ein Vabanquespiel, das die photokina unnötig unter Druck setzt. Wenn sich bis zum Mai 2019 nicht wenigstens genau so viele Aussteller wie in diesem Jahr finden, stellt sich für die Messe die Existenzfrage. Zumindest wäre dann ein neues Konzept nötig.
Der Mai-Termin (die photokina 2019 ist vom 8. bis 11. Mai geöffnet) leidet ohnehin darunter, dass er allzu nah bei anderen – für Fotointeressierte und Fotoindustrie relevanten – Veranstaltungen liegt. Das Umweltfotofestival horizonte zingst beginnt am 25. Mai, die Photo+Adventure in Duisburg am 8. Juni und der Oberstdorfer Fotogipfel am 26. Juni. Die entspanntere Natur solcher Events lässt ohnehin viele am Sinn des klassischen Messekonzepts zweifeln, das sich im Zeitalter des Internets im Grunde überlebt hat. Ich werde zum Pressetag am 7. Mai 2019 wieder in Köln sein, aber ob es darüber hinaus mit der photokina noch lange weitergehen wird, vermag ich nicht vorauszusehen.