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Photokina 2020: Die Messe-Baustelle

Photokina 2020: Die Messe-Baustelle
Nicht nur auf dem Gelände wird gebaut, auch inhaltlich wird die Photokina 2020 neu erfunden.
Die Photokina 2019, die nur acht Monate nach der letzten Ausgabe dieser Messe stattfinden sollte, ist offiziell abgesagt worden. Damit ist die Photokina 2020 die nächste Ausgabe des internationalen Foto-Großevents. Aus der Entfernung betrachtet, erscheint die Absage kaum verwunderlich. Erstaunlich war eher, dass die Messeleitung sich für diesen mehr als sportlichen Zeitplan zur Neuaufstellung als künftig jährlich stattfindende Messe entschieden hatte.

Das Problem

Klassische Messekonzepte gelten in Zeiten sozialer Medien längst nicht mehr als der Weisheit letzter Schluss, um Industrie und Kunden zusammenzuführen. Wir konnten das langsame Sterben gerade bei der Computermesse Cebit beobachten. Deren Einstellung nach über 30 Jahren sorgte Ende November 2018 für Schlagzeilen. Und auch bei der Photokina ist es längst nicht mehr zum Besten bestellt: Seit die digitalisierte Kamerabranche sich mit Absatzproblemen herumschlägt, ist die Zahl der Aussteller kontinuierlich gesunken. Im  September 2017 ließen sich die Auswirkungen nicht mehr ignorieren: Eine auf vier Tage verkürzte Laufzeit, die radikal reduzierte Ausstellungsfläche, das Fernbleiben von Branchengrößen wie Adobe oder Zeiss und die im Vergleich zu den zu den Vorjahren bescheidenen Standgrößen von vielen Anbietern wie Leica, Hasselblad oder Phase One. Dennoch war die letzte Photokina 2018 ein großer Erfolg: Es gab ein Füllhorn an unerwarteten Neuerungen – vor allem im Vollformat-Segment –, und auch die Besucherzahlen bleiben mit rund 180.000 in der Dimension der Photokina 2016.

Photokina 2020: Der bisherige Plan

Um wieder rundum attraktiv zu werden, hatte sich das Photokina-Management 2017 ein neues Konzept für die Zukunft ausgedacht, das sich auf den Punkt gebracht so anhört: Kürzer, größer, vielseitiger und jährlich. Fangen wir mit der kritischen Betrachtung beim letzten Punkt an. Der Zeitaspekt ist wahrscheinlich das größte Problem. Als Messe mit Zwei-Jahres-Frequenz war die Photokina im Grunde gut aufgestellt, denn die Zahl der Neuerungen in der Fotobranche ist zuletzt immer übersichtlicher geworden. Außerdem orientieren sich die Hersteller bei der Vorstellung neuer Produkte zunehmend an ihrer eigenen Agenda und nicht mehr an Messeterminen. Daraus folgt: Auf Messen werden heute eher Produkte angekündigt, aber nicht mehr zum In-die-Hand-nehmen vorgestellt. Zwei Jahre sind auch für das mediale Interesse ein guter Abstand, weniger ist hier manchmal mehr. Für ausländische Besucher sowie für Aussteller, die aus der ganzen Welt anreisen, bleibt ein Aufenthalt in Köln alle zwei Jahre im vernünftigen Rahmen. Zudem hatte der Veranstaltungszeitpunkt im Herbst den Vorzug, dass er nicht mit der Fülle der deutschen Frühjahrs- und Sommerevents der Fotobranche kollidiert.
Arbeiten wir uns weiter durch den Plan: „Vielseitiger“ also nicht nur Fotografie, sondern auch angelagerte Themenfelder – wie Virtuelle Realität, Drohnen, Smartphones oder Video-Broadcasting – können so eine Messe bereichern. Aber es besteht auch die Gefahr, sie damit zu verwässern. „Größer“ ist sicherlich ein tolles Ziel, aber dazu muss man unbestritten relevant bleiben und vielleicht intensiv über die Preisgestaltung nachdenken. Und „kürzer“? Das spart zwar für die Aussteller Hotelkosten, aber wenn sie ihre (nicht eben billigen) Messestände nur für vier statt für sechs Tage bespielen können, ist das nicht unbedingt ein Attraktivitätsplus. Kurz gesagt: Das neue Konzept der Photokina 2020 ist kein Selbstläufer.
Photokina 2020: Die Messe-Baustelle
Horrorvorstellung für Messeveranstalter und Aussteller: Photokina-Hallen ohne Publikum

Was macht eigentlich eine Messe heute noch attraktiv?

Die Antwort auf so eine Frage ist, wenn sie von einem ausgewiesenen Nicht-Fachmann wie mir kommt, natürlich mit Vorsicht zu genießen. Dennoch habe ich in den letzten 20 Jahren so viel Zeit auf Messen und messe-ähnlichen Events verbracht, dass ich glaube, mir zumindest ein paar Anregungen erlauben zu können. Heute erhalten wir inzwischen fast alle wesentlichen Detail-Informationen zu Neuerungen im Internet. Und das oft schon lange, bevor die Hersteller sie freigeben. Vermutlich fahren nur noch ganz wenige Besucher zu Messen, um sich grundsätzlich zu informieren oder sich einen Überblick über den aktuellen Markt verschaffen. Die meisten, die ich dort treffe wollen:
  • die Produkte anfassen und am liebsten ausprobieren,
  • Protagonisten der Branche live erleben,
  • punktuell Wissen vertiefen,
  • Gleichgesinnte treffen,
  • zum Kaufen und/oder zum Machen angeregt werden.
Aus diesen Beobachtungen ergäbe sich ein völlig anderes Bild für eine Messe-Neuausrichtung. Hier müsste das Ausprobieren von Produkten im Fokus stehen. Olympus macht das übrigens schon seit Jahren mit seinen Playground-Veranstaltungen sehr erfolgreich vor und war 2018 damit auch Teil der Photokina.
Eine Shooting-Arena in ein, zwei oder drei Hallen mit vielfältigen Fotosets könnte die Attraktivität erheblich steigern. Vorausgesetzt Kameras, Objektive und Beleuchtungshilfen ließen sich ausleihen. Kompetente Foto-Berater an den unterschiedlichen Fotosets würden die Idee abrunden.
Um Protagonisten zu treffen und das eigene Wissen zu vertiefen, wäre ein zentral organisiertes (und vor allem von Experten kuratiertes) Vortragsprogramm mit den Branchen-Promis ein Reisegrund für viele ambitionierte Amateurfotografen. Berufsfotografen interessiert vielleicht weniger die Prominenz, dafür aber Wissen zu neuen Technologien und zu erfolgreichen Geschäftsmodellen – wenn es kurz und knackig gehalten ist.
Und es dürfen natürlich auch die Bilder nicht fehlen. Vielleicht weniger in der klassischen Bilderschau-Form, wie man sie von früheren Photokina-Messen kannte, sondern eher so angelegt, dass sie die Betrachter zum Austausch anregen und so die Grundlage fürs Netzwerken der Besucher bilden.

Fazit

All diese Ideen kosten natürlich viel Geld. Aber wenn man für den Preis der Eintrittskarten mehr bekommt als nur den Zugang zu einer großen Werbeveranstaltung, muss man auch nicht mehr so viele Karten verschenken, damit die Besucher strömen. Wahrscheinlich kämen weniger Besucher, aber dafür hätte dieses System für die Aussteller den Vorzug, dass sie ihre Produkte einer hoch interessierten und ausgewiesen zahlungsbereiten Kundschaft zeigen könnten. Oder es ist alles ganz anders. Aber das werden uns die Experten der Messe und die Verantwortlichen der Fotoindustrie auf der Photokina 2020 (im Mai) vorführen. Ich jedenfalls bin gespannt.
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Christoph Künne

Christoph Künne, von Haus aus Kulturwissenschaftler, forscht seit 1991 unabhängig zur Theorie und Praxis der Post-Photography. Er gründete 2002 das Kreativ-Magazin DOCMA zusammen mit Doc Baumann und hat neben unzähligen Artikeln in europäischen Fachmagazinen rund um die Themen Bildbearbeitung, Fotografie und Generative KI über 20 Bücher veröffentlicht.

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