Peter Lindbergh: Untold Stories
Ausstellungseröffnungen sind in den Zeiten von COVID-19 auch nicht mehr, was sie einmal waren, aber immerhin werden jetzt wieder Ausstellungen eröffnet. So wie die Peter-Lindbergh-Retrospektive „Untold Stories“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, die schon seit Februar 2020 im Düsseldorfer Kunstpalast zu sehen ist.
Das heißt, Peter Lindbergh selbst hatte gar keine Retrospektive gewollt, weil er sich, wie Felix Krämer vom Düsseldorfer Kunstpalast erzählte, dafür noch nicht alt genug hielt. Aber eine „Best of“-Ausstellung, die könne er sich vorstellen. „Untold Stories“ ist die erste Ausstellung seiner Fotos, die Peter Lindbergh selbst kuratiert hat – und es ist auch die letzte, da er im September letzten Jahres überraschend starb, kurz nachdem er die Arbeit an der Ausstellung abgeschlossen hatte, die damit nun doch eine Rückschau auf sein Werk von den 80er Jahren bis 2018 geworden ist..
Im Kunstpalast Düsseldorf hatte „Untold Stories“ schon am 5. Februar eröffnet, musste dann aber während des Lockdown schließen; nun läuft die Ausstellung dort noch bis zum 27. September 2020. In Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) sind jetzt bis zum 1. November 2020 fast dieselben Bilder zu sehen.
Eine Führung durch die Ausstellung musste unter den gegebenen Umständen ausfallen. Tulga Beyerle, die Direktorin des MK&G, und Felix Krämer, Generaldirektor des Kunstpalast Düsseldorf, beschränkten sich auf eine Pressekonferenz, der wir Journalisten mit Nasen- und Mundschutz folgten, bevor wir die rund 140 ausgewählten Bilder selbst in Augenschein nehmen konnten.
Peter Lindbergh gilt als Fotograf der Supermodels, die er oft für Magazine wie Vogue und Vanity Fair abgelichtet hat, und Modefotos, fast ausschließlich in Schwarzweiß, dominieren auch die Ausstellung. Sie sollen offenbar für sich wirken, denn nähere Informationen zu seinen Bildern gibt Lindbergh als Kurator nicht preis – untold stories indeed. Nur das Jahr und die Namen der Abgebildeten nennen die Schilder, wobei deren Zuordnung zu den teils dicht an dicht gehängten Fotos ein vom Ausstellungsbesucher zu lösendes Rätsel bleibt. Andererseits ist es heute ja vielleicht wirklich nicht mehr relevant, für welchen Kunden Lindbergh die Models als Tarantino-Gangster inszenierte oder ihre Gesichter hinter Schweißermasken verbarg.
Glamour sucht man hier vergeblich. Viele der grobkörnigen Schwarzweißbilder ähneln eher Schnappschüssen. Qualitätsfanatiker könnten befremdet sein, denn auch wenn nichts im Bild scharf ist, der Kameragurt vor der Linse einen Schatten wirft, oder ein Passant ins Bild läuft und Eva Herzigová dahinter kaum auszumachen ist, bleibt das Foto dennoch ausstellungswürdig.
Das nicht entspiegelte Glas der Bilderrahmen lässt die Fotos in einen Dialog treten, denn in jedem Bild spiegeln sich andere, die an der gegenüberliegenden Wand des Ausstellungsraums hängen.
Eine Bildserie Lindberghs fällt aus dem Rahmen, und das nicht so sehr, weil er hier auf Farbe gesetzt hat. Unter dem Titel „Testament“ sind Standbilder aus einem 30-minütigen Film zu sehen. Durch einen halbdurchlässigen Spiegel hat Lindbergh einen Todeskandidaten in einem US-Gefängnis aufgenommen, der über die gesamte Länge des Films sein eigenes Gesicht anschaut und so seine Mimik kontrolliert. Diesem Projekt, mit dem sich Lindbergh mit der Todesstrafe auseinandergesetzt hat, sind allein zwei Räume gewidmet, in denen neben den Porträts auch der gesamte Film gezeigt wird.
Im Taschen Verlag ist ein Katalog zur Ausstellung erschienen. Die dafür verlangten 60 Euro sind allerdings trotz des großen Formats ein Ärgernis. Das saugfähige Papier lässt die Fotos wenig brillant wirken; zudem sind die Seiten so dünn, dass die Bilder von der Rückseite durchscheinen. Und auch der Katalog gibt keinen näheren Aufschluss zu den einzelnen Aufnahmen.
Hallo Herr Hußmann,
die Papier“qualität“ des Katalogs hat mich auch geärgert, ein besseres Papier hätte ich auch als eine Art „haptische Würdigung“ des Werks empfunden. Aber der Hang zu „Zeitungspapier“ scheint ein Trend zu werden, s. den Katalog zu „The Lives and Loves of Images“ zur Biennale für aktuelle Fotografie in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg.