PDF: Karte und Gebiet
Wie groß kann ein PDF-Dokument werden? Genauer gesagt: Wie groß kann die Fläche einer Seite des Dokuments sein? Rund 381 Kilometer im Quadrat oder 40 Prozent der Fläche Deutschlands, ist häufig zu lesen, aber tatsächlich kann es auch noch viel größer werden – größer als das sichtbare Universum.

Wenn Journalisten große Flächen anschaulich beschreiben wollen, beziehen sie sich gerne auf Fußballfelder (rund 7100 Quadratmeter) oder, wenn es um noch größere Flächen geht, auf das Saarland (rund 2570 Quadratkilometer). Bei der maximalen Seitengröße eines PDF reicht das nicht mehr aus, und so wird üblicherweise mit der Fläche Deutschlands verglichen – 381 Kilometer zum Quadrat entsprechen gut 40 Prozent der Fläche Deutschlands (oder 56 mal dem Saarland).
Zugegeben: Für die allermeisten praktischen Zwecke dürfte man sich mit diesem Maximum gut einrichten können. Die logistischen Herausforderungen, um ein so großes Dokument zu drucken, wären beträchtlich. Aber nehmen wir einmal an, wir bräuchten eine extrem präzise Landkarte, die das Land im Maßstab 1:1 abbildet, dann würde das PDF-Format nicht einmal für eine Deutschlandkarte reichen, und schon gar nicht für die ganze Welt.
Die Idee einer Landkarte, die so groß ist wie das kartierte Gebiet, wurde von Jorge Luis Borges (1899–1986) popularisiert, der so eine Karte 1946 in Über die Strenge der Wissenschaft beschrieb: „die kartografischen Institute erstellten eine Reichskarte, die die Größe des Reichs hatte und Punkt für Punkt damit übereinstimmte. Die nachfolgenden Generationen waren weniger begeistert vom Studium der Kartografie, hielten diese erweiterte Karte für nutzlos und überließen sie schnöde dem Einfluss von Hitze und Frost. In den westlichen Wüsten sind noch Ruinen der Karte erhalten, bewohnt nur von Tieren und Bettlern.“ Tatsächlich ist dieses Konzept jedoch noch älter und geht auf Lewis Carroll zurück. Im zweiten Band von Sylvie and Bruno (Sylvie and Bruno Concluded, 1893) tritt ein mysteriöser Gelehrter auf, der Mein Herr genannt wird, Englisch mit deutschem Akzent spricht und möglicherweise ein Außerirdischer ist. Auf seiner Welt gab es bereits eine Karte im Maßstab 1:1: „And then came the grandest idea of all! We actually made a map of the country, on the scale of a mile to the mile! (…) It has never been spread out, yet; … the farmers objected: they said it would cover the whole country, and shut out the sunlight! So we now use the country itself, as its own map, and I assure you it does nearly as well.“
Die Landwirte seines Planeten hatten natürlich einen Punkt: Es wäre nicht sehr praktisch, unter einer Landkarte leben zu müssen, und so ließ man die Karte besser zusammengefaltet. Die Älteren unter uns werden sich noch an die patentgefalteten Karten aus dem Falk-Verlag erinnern, und wie groß müsste wohl eine so gefaltete Deutschlandkarte im Maßstab 1:1 sein? Heutzutage bräuchten wir eine solche Karte aber gar nicht mehr zu drucken, sondern könnten sie auf dem Bildschirm betrachten – Stück für Stück. Zum Beispiel als PDF-Dokument, womit sich wiederum die Frage nach dessen maximaler Seitengröße stellt.
Genau genommen gibt es in der PDF-Spezifikation keine absolute Grenze; nur Adobe Acrobat ist auf die erwähnten 381 Kilometer in der Breite und Höhe beschränkt. Aber stimmt das überhaupt? Die britische Softwareentwicklerin Alex Chan wollte es genau wissen („Making a PDF that’s larger than Germany“), rechnete nach und probierte ein paar Tricks aus. PDF ist ja eigentlich eine Programmiersprache und man kann Code in dieser Sprache auch per Hand schreiben, wodurch man einige Optionen gewinnt, die es in Acrobat nicht gibt. Auf diese Weise fand sie heraus, dass der größte von Acrobat akzeptierte Zahlenwert für die Breite und Höhe 14.400 ist, und welcher Länge das entspricht, hängt von der verwendeten Einheit ab – normalerweise 1/72 Zoll, was eine Kantenlänge von 5,1 Meter ergibt. Man kann die Einheit aber bis auf das 75.000-fache vergrößern, womit man auf die üblicherweise kolportierten 381 Kilometer kommt.
Jedenfalls gilt diese Grenze für Adobe Acrobat in dessen aktueller Version. Apples Vorschau-App dagegen ignoriert die in einem PDF definierte Einheit und geht immer von 1/72 Zoll aus, erlaubt dafür aber größere Zahlenwerte. Alex Chan gelang es, eine PDF-Datei zu erzeugen, die laut Auskunft der Vorschau-App größer als das beobachtbare Universum ist (352.777.777.777.777.750.000.000.000 Kilometer × 352.777.777.777.777.750.000.000.000 Kilometer), was auch für die ambitioniertesten Kartografie-Projekte ausreichen dürfte. Wer es überprüfen will, kann das PDF von ihrer Website herunterladen (es sind nur wenig mehr als ein halbes Kilobyte), aber auf einen Ausdruck sollte man besser verzichten.
Und wenn es einem auf eine präzise Karte ankommt, könnte man die Idee erwägen, auf die schon die Bewohner von Mein Herrs Welt verfallen waren: Man verwendet einfach die Welt selbst als ihre eigene Karte. Damit wäre man nicht länger willkürlichen Beschränkungen in Adobes Software ausgeliefert und müsste auch nicht den Zorn der Bauern fürchten, die um das Sonnenlicht für ihre Felder bangen.