Nikkor Z 50 mm 1:1,8 S – besser als lichtstärkere Objektive?
Mit dem neuen, spiegellosen Z-System stellte Nikon auch drei neue Objektive vor und kündigte weitere an. Was aber ist von Nikons Aussage zu halten, Objektive wie das Nikkor Z 50 mm 1:1,8 S könnten lichtstärkere Rechnungen noch übertreffen?
Die beiden zunächst mit der Z6 und Z7 verfügbaren Festbrennweiten von 35 und 50 mm haben eine Lichtstärke von 1:1,8, was ebenso für die meisten Festbrennweiten auf Nikons Roadmap des Z-Systems gilt – abgesehen vom 58 mm 1:0,95 (geplant für 2019) und dem 50 mm 1:1,2 (geplant für 2020). Nun ist 1:1,8 eine respektable Lichtstärke, aber manche Nikon-Fans scheinen auf eine größere Auswahl von Objektiven mit 1:1,4 gehofft zu haben. Offenbar hatte Nikon das vorausgesehen und wirbt daher mit der verblüffenden Aussage, ein Objektiv wie das Nikkor Z 50 mm 1:1,8 S würde die bisher bekannten Festbrennweiten mit Lichtstärke 1:1,4 noch übertreffen:
Die herausragende Abbildungsleistung dieses NIKKOR-Z-Objektivs aus der S-Serie setzt neue Maßstäbe für 1,8er-Vollformatobjektive. Mit seine Detailschärfe und seiner Helligkeit bis in die Ecken lässt es sogar vorangegangene 1,4er-Festbrennweiten hinter sich.
Das ergibt freilich keinen Sinn. Die Herausforderung, ein lichtstärkeres Objektiv zu entwickeln, liegt ja nicht in der Vergrößerung der Lichtstärke selbst. Dazu würde es manchmal schon ausreichen, die Blendenöffnung zu vergrößern. Die eigentliche Schwierigkeit besteht darin, die Abbildungsfehler so gut zu korrigieren, dass das Objektiv auch bei offener Blende noch bis in die Ecken scharf und kontrastreich abbildet. Wenn das Objektiv aber so hoch korrigiert ist, wie Nikon behauptet – und die veröffentlichten MTF-Kurven scheinen es zu bestätigen –, warum hat es Nikon dann nicht mit Lichtstärke 1:1,4 konzipiert? Denn wenn man das nicht tut, hat man eben doch „nur“ ein Objektiv mit der Bildwirkung, der Schärfentiefe und dem Bokeh eines 50 mm 1:1,8, und das ist kein Ersatz für ein 1:1,4, wenn man das denn braucht.
Aber Nikon hat auch eine Erklärung für seine Behauptung, ein Objektiv mit 1:1,8 könnte eines mit 1:1,4 übertreffen – es liegt am neuen Z-Bajonett mit einem großen Durchmesser von 55 mm und einem kurzen Auflagemaß von 16 mm:
Der Z-Bajonettanschluss mit seinem außergewöhnlich großen Durchmesser ermöglicht es Ihren NIKKOR-Z-Objektiven, mehr Licht in jeden Winkel des Bildfelds zu lenken. Dies sorgt in Kombination mit dem geringen Auflagemaß, also dem Abstand zwischen Bajonettanschluss und Bildsensor, für eine sichtbare Minimierung des Lichtabfalls von der Bildmitte hin zu den Rändern.
Das Auflagemaß hat allerdings gar keinen Einfluss darauf, welchen Weg das Licht nimmt. Das Auflagemaß gibt lediglich an, wo das Objektiv mit der Kamera verbunden ist, und das könnte auch weiter vorne oder noch weiter hinten sein, ohne dass sich optisch irgendetwas ändern würde. Das Objektiv muss auch nicht beim Bajonett enden, denn die Hinterlinse könnte über das Bajonett hinaus und in die Kamera hinein ragen. Ein kurzes Auflagemaß führt nicht dazu, dass mehr Licht auf den Sensor gelangt. Optisch wäre allein die Schnittweite relevant, also der Abstand zwischen Hinterlinse und Sensor, die sowohl kürzer als auch länger als das Auflagemaß sein kann. Aber selbst die Schnittweite bestimmt nicht, wie viel Licht auf den Sensor trifft.
Wie viel Licht hinten aus dem Objektiv tritt, hängt zu allererst davon ab, wie viel Licht hinein geht, und das wird durch die Lichtstärke beschrieben. Da die Linsen einen Teil des Lichts verschlucken, kommt etwas weniger Licht heraus als hinein geht, aber umgekehrt lässt sich das Licht nicht vermehren, egal wie das Bajonett konstruiert ist. Mehr Licht gibt es nur mit einer höheren Lichtstärke.
Damit bleibt der zweite Punkt, den Nikon anführt: der große Durchmesser des Bajonetts. Dieser hat zwar keinen direkten Einfluss darauf, wie viel Licht hindurch dringt, aber er macht entsprechend große Hinterlinsen möglich. Aber auch eine große Hinterlinse lässt nicht mehr Licht hindurch als eine kleine. Es ist ja nicht so, als ob sich die Photonen in einer kleinen Hinterlinse stauen würden. Eine große Hinterlinse macht allerdings bildseitig (nahezu) telezentrische Objektive möglich, bei denen die Lichtbündel, die aus dem Objektiv auf den Sensor treffen, stets in einem steilen Winkel einfallen – nicht nur in der Mitte des Sensors, sondern auch noch am Rand und in den Ecken.
Solche steilen Winkel vermeiden, dass Lichtstrahlen, die für ein bestimmtes Pixel bestimmt sind, sich schräg durch die Schichten des Sensors ausbreitend am Ende ein Nachbarpixel treffen. In dicken Glasfilterschichten auf dem Sensorchip – die es bei Sonys Alpha-7-Modellen gibt und vielleicht auch bei der Nikon Z6 und Z7 – kann in einem flachen Winkel einfallendes Licht sogar mehrfach hin und her geworfen werden. Steile Einfallswinkel verringern auch den Randlichtabfall, und so ist die Annahme plausibel, dass beim Nikkor Z 50 mm 1:1,8 S tatsächlich mehr Licht in den Randbereichen einfällt. Das macht das Objektiv dennoch nicht lichtstärker, als es die nominelle Lichtstärke von 1:1,8 angibt, und es verleiht den damit aufgenommenen Bildern nicht die Anmutung, die Bilder eines Objektivs mit höherer Lichtstärke haben. Wenn Sie ein 50 mm 1:1,4 wollen, müssen Sie ein 50 mm 1:1,4 verwenden; es gibt keinen Ersatz.
Zitat: „Denn wenn man das nicht tut, hat man eben doch „nur“ ein Objektiv mit der Bildwirkung, der Schärfentiefe und dem Bokeh eines 50 mm 1:1,8, und das ist kein Ersatz für ein 1:1,4, wenn man das denn braucht.“
Nikon behauptet mit der Aussage doch auch gar nicht zwangsläufig, das 1.8 ein Ersatz für 1.4 wäre? – Man kann es auch so verstehen, das lt. Nikon die vorangegangenen 1.4er die Besten in Sachen Detailschärfe und Randhelligkeit sind, und eben dieses neue 1.8er diese Eigenschaften jetzt übertrifft. Und wer weiß, eventuell hätten sie diese Eigenschaften nicht so ausprägen können, würden sie es als 1.4er konzipiert haben? Dann macht es nämlich durchaus alles Sinn, also diese Eigenschaften im Tausch gegen etwas Lichtstärke (und ggf. anderen damit einhergehenden Eigenschaften wie Gewicht, Größe, Frontlinsendurchmesser o.ä.?)
Nebenbei: Über das neue 24-70mm Zoom mit „4.0“ für die Z-Serie habe ich aber auch schon gelesen, das dieses ja die Vorteile eines größeren Sensors (gegenüber APS-C und kleiner) gar nicht ausnützen könnte, – bzw. nur bei Lichtstärken welche äauivalent nicht zu haben sind. Ein größerer Sensor hat einem kleineren gegenüber prinzipiell immer Vorteile im Dynamikumfang und im Rauschverhalten (gleichwertige Sensortechnologie mal vorausgesetzt), auch bei Blende 8, 11 oder 16 bleibt das so.
http://www.photonstophotos.net/Charts/PDR.htm#FujiFilm%20GFX%2050S,FujiFilm%20X-T2,Nikon%20D850
Man kann Nikons Werbeaussagen natürlich irgendwie so interpretieren, dass sie nicht mehr falsch sind, aber dann wären sie eben auch nicht mehr so werbewirksam. Sie hätten einfach sagen können, dass sie den Randlichtabfall minimiert und die Kontrastübertragung in den Bildecken verbessert haben, und besser auf jeden Vergleich mit lichtstärkeren Objektiven verzichtet, der ja doch nicht aufgeht.
Es macht wenig Sinn, ein Objektiv mit einer bestimmten Lichtstärke immer weiter zu verbessern, ohne dann auch die Lichtstärke zu vergrößern. Wenn man ein Objektiv mit 1:1,8 hat, das offenblendig eine bessere Kontrastübertragung als ein 1:1,4 hat, das man auf 1:1,8 abblendet, dann könnte man es auch gleich als 1:1,4 konzipieren. Das gilt zwar nicht mehr so uneingeschränkt, wenn der Unterschied der Lichtstärken größer ist, aber zwischen 1,4 und 1,8 liegen ja nur gut 2/3 Blendenstufen.
Was nun das 24–70 mm 1:4 Zoom betrifft, so könnte man beispielsweise irgendeine Fuji X mit Fujis 16–55 mm 1:2,8 kombinieren und hätte damit Äquivalenz erreicht. Zur Äquivalenz zwischen Kleinbild und APS-C gehört, dass das Objektiv den gleichen Bildwinkel erfasst (wofür man die Kleinbild-Brennweite um 1,5 teilen muss), die Eintrittspupille gleich groß ist (wofür man die Blende durch 1,5 teilen muss) und die Belichtungszeit gleich ist (wofür man den ISO-Wert durch 1,5 zum Quadrat – also 2,25 – teilen muss). Wenn dies gewährleistet ist, hat man exakt gleiche Bedingungen und kann mit einem APS-C-Sensor dasselbe Bild wie mit einem Kleinbild-Sensor aufnehmen. Bei hohen ISO-Werten ist das leicht möglich, aber wenn man mit der Kleinbildkamera mit beispielsweise ISO 100 fotografiert, müsste man bei der APS-C-Kamera ISO 44 einstellen, und diesen ISO-Wert gibt es dort gar nicht.
Entgegen einer populären Legende haben größere Sensoren nämlich ihre Stärken bei niedrigen ISO-Werten, während kleinere Sensoren bei Aufnahmen mit wenig Licht gleichwertige Ergebnisse bringen. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass Mittelformatkameras lange Zeit CCDs nutzten, die bei höheren ISO-Werten erbarmungswürdig rauschten, was aber weitgehend irrelevant war: Man setzte diese Kamera im Studio ein, wo man für genug Licht sorgen konnte, um mit der Grundempfindlichkeit arbeiten zu können, und da waren die großen Sensoren den Kleinbild-Sensoren überlegen. Für Available Light griff man besser zur Kleinbild- oder APS-C-Kamera. Heutzutage haben Mittelformatkameras natürlich ebenfalls zeitgemäße CMOS-Sensoren mit niedrigem Ausleserauschen, Dual Conversion Gain etc. und können auch mit höheren ISO-Werten genutzt werden, aber dort liegt weiterhin nicht ihre besondere Stärke.
Zuerst: Ihre Äquivalenz-Rechnung ist natürlich richtig!
Ich habe meinen letzen Absatz dagegen in der Tat nicht sonderlich präzise ausgedrückt, – `tschuldigung. Ich hätte natürlich in dem Zuge die (bei größerem Sensorformat in der Regel niedrigere) Basis-ISO als Grundannahme bringen müssen und die Annahme, das Zeit und Blende in der Praxis nicht willkürlich anpassbar sind (selbst wenn vorhanden) um damit immer Äquivalenz herzustellen, sofern es mit niedrigeren ISO-Werten nicht mehr machbar ist (wg. DoF, Belichtungszeit/ Bewegungsunschärfe usw.). Daher auch der Punkt mit kleinester Blendenöffnung f/4.0. Wenn ich sowieso für minimale DoF f/8.0 an KB benötige, nicht länger als 1/60 belichten kann, bei ISO100, dann habe ich auch mit diesem „lichtschwachen“ Zoom an KB gegenüber dem 2.8er APS-C Zoom und ISO200 noch immer einen Vorteil. So war es von mir gedacht.
Somit müssten wir darin jetzt (hoffentlich) wieder einen Konsens gefunden haben? Wichtig ist mir ausdrücklich, ihre Äquivalenz-Rechnung nochmals als korrekt zu untermauern (auch für die anderen Leser).
Schön, dass Herr Hußmann einen Beitrag gegen die Marketingverdummung verfasst. Immer dann, wenn kein für (mehr oder weniger wissende) Laien offensichtlicher Grund für eine Konstruktion oder Bauweise vorliegt, kommen die tatsächlichen Laien der Marketingabteilung und stellen solche Behauptungen auf. Was Nikon tatsächlich mit dem größeren Bajonett vorhaben könnte, werden wir in der Zukunft erleben, oder auch nicht erleben. Kommt auf die Verkaufszahlen und den Gewinn an.
Dass Nikon neue Objektive baut, war ja hoch an der Zeit. Schlechter können sie ja kaum werden. Ob sie auch für bessere Sensoren reichen, wird man ja sehen. Ob die Anzahl und Vielfalt des Objektivprogramms ausreichend ist, wird man auch sehen.
Dass überhaupt noch die Werbebranche mit solchen und ähnlichen Behauptungen, die einfachen Faktenchecks nicht standhalten, Punkten können, spricht nur dafür, dass Psychologen erkannt haben worauf Menschen anspringen, egal um welchen Bereich und welche Branche es sich handelt.
Jede Werbung ist Manipulation.