Nie mehr freistellen?
Irgendwo las ich einmal, dass das Freistellen die Königsklasse der Bildbearbeitung sei. Das sehe ich nicht so, denn es ist – anders als die kreative Bildgestaltung – im Prinzip reines, erlernbares Handwerk. Aber es nervt ein wenig, denn für selektive Farbkorrekturen oder Fotomontagen ist das genaue Auswählen und Maskieren oft eine schlichte Notwendigkeit und bremst doch nur auf dem Weg zur Bildoptimierung. Wäre es da nicht schön, wenn Photoshop Personen und Objekte erkennen und selbst freistellen könnte? Zumindest für Personen könnte das schon bald Wirklichkeit sein.
Die kürzlich hinzugefügte Gesichtserkennung im »Verflüssigen«-Filter funktioniert bereits erstaunlich gut. Und »Kante verbessern« (beziehungsweise »Auswählen und Maskieren« wie es in Photoshop CC 2015.5 nun heißt) hat auch bereits sehr gute Algorithmen an Bord, um ausgewählte Kantenbereiche zu optimieren – jedoch noch durch den Anwender geführt (durch den »Kante verbessern«-Pinsel). Die Fokusbereichsauswahl in Photoshop erleichtert auch bereits das Freistellen vieler Motive mit nur wenigen Klicks (mehr dazu im nächsten Heft DOCMA 72).
Gibt es vielleicht bald eine vollautomatische Variante? Wahrscheinlich, denn Adobe Research hat ein Paper veröffentlicht, in dem Sie ein Verfahren namens „automatic portrait segmentation“ vorstellen, durch das Personen in einem Bild erkannt und freigestellt werden. Falls Sie Einzelheiten dazu wissen möchten, finden Sie das Paper hier zum Download.
Hand aufs Herz – als Fortgeschrittener Photoshop-Anwender mit Qualitätsanspruch werden Sie über die gezeigten Ergebnisse vielleicht schmunzeln. Aber bedenken Sie: Hier wurde nichts vorher ausgewählt, nichts vorher markiert, sondern die Personen werden automatisch erkannt und mit Hilfe komplexer „neural network“-Algorithmen freigestellt. Das ist sehr beeindruckend. Achten Sie auch einmal auf die Hintergründe, die hier manche Bildbearbeitungseinsteiger vor eine Herausforderung stellen dürften.
Allein schon als Ausgangsbasis für die weitere Optimierung einer solchen Ein-Klick-Maske wäre so eine Technologie ideal – wenn sie denn schneller funktioniert, als etwa das »Schnellauswahlwerkzeug« und anschließendes »Kante verbessern«. Aber das wird sich zeigen. Bei komplizierteren Freistellern wird auf absehbare Zeit immer noch Handarbeit gefragt sein. Jedenfalls so lange, bis in unseren Rechnern echte kleine künstliche Intelligenzen wohnen, die bewusst Wichtiges von Unwichtigem bei einem Freisteller unterscheiden können.
Wir leben in spannenden Zeiten! (Also technologisch gesehen zumindest.)
Beste Grüße,